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Dienstbarkeitsbewilligung am gemeinschaftlichen WEG-Eigentum durch Verwalter?

OLG München – Az.: 34 Wx 301/22 – Beschluss vom 05.08.2022

I. Die Beschwerde der Beteiligten gegen die Zwischenverfügung des Amtsgerichts Passau – Grundbuchamt – vom 9.6.2022 wird zurückgewiesen.

II. Der Geschäftswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 5.000 Euro festgesetzt.

III. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

Gründe:

I.

Die Beteiligten begehren die Eintragung einer Dienstbarkeit.

Im Wohnungsgrundbuch sind die Beteiligten zu 1 – 12 als Eigentümer von Grundbesitz eingetragen. Verwalterin der Wohnungseigentümergemeinschaft ist die D. M. GmbH. Mit notarieller Urkunde vom 24.5.2022 wurde zugunsten der Beteiligten zu 13 eine beschränkte persönliche Dienstbarkeit an dem Grundstück bestellt. „Der Eigentümer“ bewilligte auch die Eintragung in das Grundbuch.

Unterzeichnet ist die Urkunde durch einen Vertreter der D. M. GmbH. Mit Schreiben vom selben Tag beantragte der Urkundsnotar im Namen der Beteiligten den Vollzug.

Das Grundbuchamt erließ am 9.6.2022 eine Zwischenverfügung, mit der sie u.a. das Fehlen der Genehmigung sämtlicher in den betreffenden Wohnungseigentumsblättern eingetragenen Eigentümer beanstandete.

Mit Schreiben vom 27.6.2022 hat der Urkundsnotar insoweit Beschwerde gegen die Zwischenverfügung eingelegt und dabei auf einen entgegenstehenden Beschluss des Oberlandesgerichts Nürnberg vom 12.7.2021 verwiesen.

Das Grundbuchamt hat mit Beschluss vom 5.7.2022 nicht abgeholfen. Auf die Anmerkung von Wilsch zum Beschluss des Oberlandesgerichts Nürnberg in FGPrax 2021, 203 werde Bezug genommen. Der Verwalter könne lediglich die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer i.S. der §§ 9a, 9b WEG, nicht aber die einzelnen Wohnungseigentümer als Bruchteilseigentümer des Grundstücks vertreten. Er könne hierzu rechtsgeschäftlich ermächtigt werden oder die einzelnen Eigentümer könnten seine Erklärung genehmigen.

Beides liege nicht vor.

II.

Die zulässige Beschwerde ist unbegründet.

1. Die Beschwerde ist zulässig.

a) Sie ist insbesondere gemäß § 71 Abs. 1 GBO statthaft. Entscheidungen des Grundbuchamts im Sinne dieser Bestimmung sind auch Zwischenverfügungen nach § 18 Abs. 1 Satz 1 GBO (OLG Frankfurt a.M. FGPrax 2021, 197; Senat vom 11.4.2011, 34 Wx 160/11 = FGPrax 2011, 173; OLG Hamm FGPrax 2010, 177; Bauer/Schaub/Budde GBO 4. Aufl. § 71 Rn. 6; BeckOK GBO/Kramer Stand 1.6.2022 § 71 Rn. 68; Demharter GBO 32. Aufl. § 71 Rn. 1; Meikel/Schmidt-Räntsch GBO 11. Aufl. § 71 Rn. 18).

b) Die Beschwerde konnte durch den Urkundsnotar erhoben werden. Nachdem er gemäß § 15 Abs. 2 GBO bereits für die Beteiligten die Eintragung beantragt hatte, gilt er auch als ermächtigt, gegen die darauf ergangene Zwischenverfügung für sie Beschwerde einzulegen (Bauer/Schaub/Wilke § 15 Rn. 30; BeckOK GBO/Kramer § 71 Rn. 226; Demharter § 71 Rn. 74; Meikel/Böttcher § 15 Rn. 36; Schöner/Stöber GBR 16. Aufl. Rn. 189).

2. Das Rechtsmittel bleibt allerdings in der Sache ohne Erfolg.

a) Formelle Einwände gegen die Zwischenverfügung bestehen nicht. Zwar darf grundsätzlich eine solche nicht ergehen, soweit die Eintragungsbewilligung des unmittelbar Betroffenen nicht erklärt ist (BGH FGPrax 2014, 192; BayObLGZ 1990, 6/8; Demharter § 18 Rn. 12; Meikel/Böttcher § 18 Rn. 36). Es ist jedoch anerkannt, dass im Falle der Abgabe der Bewilligung durch einen Nichtberechtigten das Fehlen der Bewilligung des Berechtigten analog § 185 BGB durch dessen Genehmigung rückwirkend geheilt werden kann (BGH FGPrax 2010, 223/224; BayObLGZ 1970, 254/256; BeckOK GBO/Holzer § 19 Rn. 79; Demharter § 19 Rn. 72; Meikel/Böttcher § 18 Rn. 91; i. Erg. ebenso Bauer/Schaub/Wilke § 18 Rn. 16). Angesichts dessen bestehen keine durchgreifenden Bedenken, den nach Auffassung des Grundbuchamts bestehenden Mangel in der Vertretungsmacht des Verwalters durch Genehmigung der Bruchteilseigentümer zu beheben (vgl. OLG Nürnberg FGPrax 2021, 203; Wilsch FGPrax 2021, 203/204).

b) Auch inhaltlich ist die Zwischenverfügung nicht zu beanstanden. Mit Recht verlangt das Grundbuchamt die Genehmigung sämtlicher in den betreffenden Wohnungseigentumsblättern eingetragenen Eigentümer.

Gemäß § 19 GBO erfolgt eine Eintragung, wenn derjenige sie bewilligt, dessen Recht von ihr betroffen wird.

Hier soll die Dienstbarkeit an den Miteigentumsanteilen der Beteiligten zu 1 – 12 eingetragen werden. Folglich bedarf es deren Bewilligungen. Diese liegen aber nicht vor. Die Bewilligung des Verwalters reicht nicht aus.

Zwar wird gemäß § 9b Abs. 1 Satz 1 WEG die Wohnungseigentümergemeinschaft durch den Verwalter gerichtlich und außergerichtlich vertreten. Hieraus hat das Oberlandesgericht Nürnberg den Schluss gezogen, der Verwalter könne auch die Eintragung einer Grunddienstbarkeit an dem gemeinschaftlichen Grundstück in seiner Eigenschaft als gesetzlicher Vertreter der Wohnungseigentümergemeinschaft bewilligen (OLG Nürnberg FGPrax 2021, 203). Diese Auffassung ist in der Literatur jedoch auf einhellige Ablehnung gestoßen. Der Senat schließt sich dem an.

Die Wohnungseigentümergemeinschaft i.S. von § 9a Abs. 1 Satz 1 WEG ist ein vollrechtsfähiger Verband, der eigene Rechte und Pflichten sowie unter Umständen eigenes Vermögen hat und nach § 9b Abs. 1 Satz 1 WEG durch den Verwalter vertreten wird. Gemäß § 9a Abs. 2 WEG übt die Wohnungseigentümergemeinschaft die sich aus dem gemeinschaftlichen Eigentum ergebenden Rechte sowie solche Rechte der Wohnungseigentümer aus, die eine einheitliche Rechtsverfolgung erfordern, und nimmt die entsprechenden Pflichten der Wohnungseigentümer wahr. Von der Wohnungseigentümergemeinschaft zu unterscheiden ist – auch nach der Neufassung des Wohnungseigentumsgesetzes – die Gemeinschaft der Bruchteilseigentümer i.S.v. § 1 Abs. 5 WEG, §§ 741 ff. BGB (Hügel/Elzer WEG 3. Aufl. § 9a Rn. 18; MüKoBGB/Burgmair 8. Aufl. WEG § 9a Rn. 4; Wilsch FGPrax 2021, 203/204). Aufgabe der Wohnungseigentümergemeinschaft ist die Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums nach § 18 Abs. 1 WEG (BeckOGK/Falkner Stand 1.6.2022 WEG § 9a Rn. 104; Wobst ZWE 2022, 45). Dieses selbst verbleibt im Bruchteilseigentum der einzelnen Wohnungseigentümer (NK-BGB/Heinemann 5. Aufl. WEG § 9a Rn. 5). Die Vertretungsmacht des Verwalters erstreckt sich nach dem eindeutigen Wortlaut des § 9b Abs. 1 Satz 1 WEG nur auf die Wohnungseigentümergemeinschaft. Eine Vertretung der Gemeinschaft der Bruchteilseigentümer durch den Verwalter ist in der Neufassung des Wohnungseigentumsgesetzes nicht mehr vorgesehen (BeckOGK/Greiner WEG § 9b Rn. 3; MüKoBGB/Burgmair WEG § 9b Rn. 1; NK-BGB/Heinemann WEG § 9b Rn. 1; Forschner Rpfl 2022, 67 f.; Meier MittBayNot 2022, 147/148; Wobst ZWE 2022, 45).

Gegenstand der Belastung durch eine Grunddienstbarkeit, deren Inhalt das gemeinschaftliche Eigentum betrifft, ist das Grundstück als Ganzes. Die Belastung stellt eine Verfügung über dieses i.S. von § 747 BGB dar, keine Verwaltungsmaßnahme nach § 18 Abs. 1 WEG (Forschner Rpfl 2022, 67/68). Die diesbezügliche Bewilligungsberechtigung i.S. von § 19 GBO kommt daher allein den Wohnungseigentümern als Bruchteilseigentümer zu (Schöner/Stöber Rn. 2948; Koch RNotZ 2022, 71/72; Wobst ZWE 2022, 45), nicht dem Verwalter als Vertreter der Wohnungseigentümergemeinschaft. Es liegt auch keine Ausübung sich aus dem gemeinschaftlichen Eigentum ergebender Rechte sowie solcher Rechte der Wohnungseigentümer vor, die eine einheitliche Rechtsverfolgung erfordern, nach § 9a Abs. 2 WEG. Der Wohnungseigentümergemeinschaft ist nur die Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums zugewiesen, nicht aber die Entscheidung über das sachenrechtliche Grundverhältnis. Gegenstand der Ausübungsbefugnis sind folglich nur die Rechte, die sich aus dem gemeinschaftlichen Eigentum ergeben, nicht aber die Verfügung über dieses (BeckOGK/Falkner WEG § 9a Rn. 147; Hügel/Elzer § 9a Rn. 107; Koch RNotZ 2022, 71/72; Wobst ZWE 2022, 45).

Somit ist der Verwalter nicht gemäß § 9b Abs. 1 S. 1 WEG befugt, die begehrte Eintragung der Grunddienstbarkeit an dem verfahrensgegenständlichen Grundstück zu bewilligen. Es ist auch nicht ersichtlich, dass in der Teilungserklärung eine entsprechende Öffnungsklausel enthalten wäre oder durch Rechtsgeschäft die erforderliche Vollmacht erteilt worden wäre. Es hat deshalb dabei sein Bewenden, dass die Genehmigung sämtlicher Wohnungseigentümer vorzulegen ist.

III.

1. Eine Entscheidung über die Kosten des Rechtsmittelverfahrens konnte unterbleiben, weil die Beteiligten als Beschwerdeführer gemäß § 22 Abs. 1 GNotKG diese schon von Gesetzes wegen zu tragen haben.

2. Die Bemessung des nach §§ 61 Abs. 1 Satz 1, 79 Abs. 1 Satz 1 GNotKG zu bestimmenden Geschäftswerts einer Beschwerde gegen eine Zwischenverfügung des Grundbuchamts richtet sich nach den Schwierigkeiten, die die Behebung des Eintragungshindernisses macht, das Gegenstand der Zwischenverfügung und damit des Rechtsmittelverfahrens ist (BGH NJOZ 2014, 971; Demharter § 77 Rn. 45). Vorliegend ist das Eintragungshindernis durch Beibringung der Genehmigungen der Wohnungseigentümer zu beseitigen. Der finanzielle Aufwand hierfür besteht im Wesentlichen in den Kosten der Beurkundung nach § 98 GNotKG. Der dort zugrundezulegende Geschäftswert lässt sich jedoch nicht ohne Weiteres feststellen. Daher war hier der Auffangwert des § 36 Abs. 3 GNotKG anzusetzen.

3. Gemäß § 78 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 GBO war die Rechtsbeschwerde zuzulassen, da dies zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich ist. Der Senat weicht in der entscheidungserheblichen Frage der Vertretungsbefugnis des Verwalters bei der Bewilligung der Eintragung einer Grunddienstbarkeit am gemeinschaftlichen Eigentum von der dem genannten Beschluss des Oberlandesgerichts Nürnberg (FGPrax 2021, 203) zugrundeliegenden Rechtsauffassung ab (vgl. BeckOK GBO/Kramer § 78 Rn. 8).

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