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Dienstbarkeit für überirdische Hochspannungsleitung

OLG Karlsruhe – Az.: 12 U 165/17 – Urteil vom 23.03.2018

1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Landgerichts Karlsruhe vom 25.08.2017, Az. 21 O 4/17, wird zurückgewiesen.

2. Die Klägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Das in Ziffer 1 genannte Urteil des Landgerichts Karlsruhe ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Klägerin wird nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrags abzuwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags leistet.

4. Die Revision gegen dieses Urteil wird nicht zugelassen.

Gründe

I.

Die Klägerin fordert die Unterbindung einer Beeinträchtigung durch auf Hochspannungsleitungen sitzende Vögel (Vogelkot).

Die Beklagte betreibt das Übertragungsnetz in Baden-Württemberg bestehend aus den Stromleitungen mit 380-Kilovolt- und 220-Kilovolt-Leitungen (Höchstspannungsnetz).

Auf dem angemieteten Grundstück O-Weg 2 in B führt die Klägerin einen Betrieb zur Entwicklung und Fertigung von Segelflugzeugen und Motorseglern. Über dieses Grundstück verlaufen das gesamte Gelände überspannend zwei von der Beklagten betriebene Hochspannungsleitungen (380-Kilovolt-Leitungen) mit einem dazugehörigen Strommast; zwei weitere Strommasten mit 110-Kilovolt-Leitungen werden nicht von der Beklagten betrieben. Zu Lasten des Grundstücks, das seit Eintragung im Grundbuch am 19.9.2000 im Eigentum von Frau E .W. steht, ist in Abteilung II des Grundbuchs des Grundbuchamts B, Nr. …, eine beschränkte persönliche Dienstbarkeit wegen Duldung und Unterhaltung von Stromversorgungskabeln sowie Telekommunikationskabeln für die B AG in Karlsruhe gemäß Bewilligung vom 27.3.1996 eingetragen (vgl. Grundbuchauszug).

Mit Erklärung vom 28.2.2013 hat die Grundstückseigentümerin die Klägerin ermächtigt, den ihr gegen die Beklagte zustehenden Unterlassungsanspruch gerichtlich geltend zu machen.

Die Klägerin hat vorgetragen, auf den beiden das Grundstück überspannenden Hochspannungsleitungen, dem Strommast und dem Erdkabel lasse sich regelmäßig eine Vielzahl von Vögeln (mehrere hundert) je nach Jahreszeit nieder. Insbesondere zweimal im Jahr in den Zugvogelzeiten im Frühjahr und Herbst gebe es über mehrere Wochen eine große Ansammlung von Vögeln, die zu erheblichen Beeinträchtigungen des darunter liegenden Parkplatzes und der Flugzeuge führe. Die Beeinträchtigungen gingen hauptsächlich von den 380-Kilovolt-Leitungen und dem höheren Mast Nr. 018 der Beklagten aus. Der von den Vögeln ausgeschiedene Vogelkot falle zwangsläufig auf das darunter befindliche Betriebsgelände und führe zur Verschmutzung der sich darauf befindenden Segelflugzeuge, Anhänger, Pkws, Parkbänke, des Hausdachs sowie weiterer Gegenstände. Dabei wiege besonders schwer, dass die Vögel unter anderem rote Beeren ausscheiden, einer extrem aggressiven Substanz, die die weißen Anhänger verfärbe und teilweise auch den Lack der Autos angreife.

Bislang seien verschiedene erfolglose Versuche unternommen worden, die Vögel von den über das von der Klägerin für ihren Betrieb angemietete Grundstück verlaufenden Hochspannungsleitungen nebst Strommast fernzuhalten (Vergrämung). Von Abwehrattrappen (mit Silberfolie überzogene Schildchen, die sich im Wind bewegen) hätten sich die Vögel nicht abschrecken lassen. Weiter sei versucht worden, die Vögel durch Ansiedlung eines Falken abzuschrecken.

Eine Ausweichmöglichkeit zum Abstellen der Segelflugzeuge, Anhänger und Pkw stehe der Klägerin nicht zur Verfügung, da die Hochspannungsleitungen über dem gesamten Gelände verliefen. Die Klägerin sei dadurch in der Ausübung ihres Eigentumsrechts erheblich beeinträchtigt. Für die Reinigung der Flugzeuge entstünden in den Hochphasen der Vogelbelagerung zweimal im Jahr Kosten in Höhe von rund 6.000,00 EUR für Personal und Geräte (insgesamt also rund 12.000,00 EUR pro Jahr). Aufgrund der Verschmutzungen sei die Klägerin bereits mehrfach Reklamationen von Kunden ausgesetzt gewesen.

Dass die Eigentümerin der Beklagten eine Grunddienstbarkeit eingeräumt habe, stehe einem Anspruch aus § 1004 BGB nicht entgegen. Die Beklagte habe ihre Schonungspflicht aus § 1020 Satz 1 BGB verletzt. Der Beklagten sei es zumutbar, durch geeignete Maßnahmen die Beeinträchtigungen auf ein Maß der Unwesentlichkeit zu reduzieren. Eine Berechtigung der Beklagten an der zu Gunsten der B AG eingetragenen beschränkten persönlichen Dienstbarkeit bestreitet die Klägerin.

Die Klägerin hat beantragt,

1. die Beklagte zu verurteilen, durch geeignete Maßnahmen zu verhindern, dass von den von der Beklagten betriebenen Höchstspannungsleitungen über sowie von dem Strommast Nr. 018 einschließlich sämtlicher Leitungen auf dem Grundstück O-Weg 2 in B Vogelkot von den auf den Stromleitungen und dem Strommast und den sonstigen Leitungen sitzenden Vögeln herabfällt und das genannte Grundstück sowie die sich darauf befindenden Gegenstände verschmutzt.

2. Der Beklagten wird angedroht, dass für jeden Fall der Zuwiderhandlung ein Ordnungsgeld bis zur Höhe von 250.000,00 EUR und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, eine Ordnungshaft oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten festgesetzt wird.

Die Beklagte hat beantragt, Klageabweisung.

Die Beklagte hat eine Beeinträchtigung durch von ihr betriebene Strommasten und -leitungen bestritten. Da von den insgesamt auf dem Grundstück O-Weg 2 in B stehenden drei Strommasten (zwei mit 110-KV-Leitungen, ein Strommast mit 380-KV-Leitungen) nur ein Strommast von der Beklagten betrieben werde, könne nicht gesagt werden, ob der störende Vogelkot gerade von den Vögeln ausgeschieden werde, die auf den der Beklagten zuzuordnenden Leitungen sitzen.

Ein Anspruch aus §§ 1004, 906 BGB scheide schon deshalb aus, da die Beklagte selbst an dem angeblich beeinträchtigten Grundstück dinglich berechtigt sei. Etwaige Beeinträchtigungen, die durch die Nutzung der Strommasten und der Leitungen durch Vögel entstünden, stellten ein übliches und allgemein bekanntes Phänomen dar, seien von der Dienstbarkeit umfasst und daher von der Eigentümerin wie auch der Mieterin hinzunehmen.

Gegen eine Anwendbarkeit von §§ 1004, 906 BGB spreche, dass es vorliegend nicht zu einer eine „Grundstücksgrenze überschreitenden Einwirkung“ gekommen sei. Die Klägerin schildere im Übrigen lediglich Beeinträchtigungen von Flugzeugen, Pkw und Anhängern, die nicht Bestandteil des durch § 1004 geschützten Grundstücks seien. Selbst wenn man von einer wesentlichen Beeinträchtigung im Sinne von §§ 1004, 906 BGB ausginge, wäre diese gemäß § 906 Abs. 2 BGB von der Klägerin hinzunehmen. Die Nutzung des Grundstücks zur Trassenführung sei ortsüblich, Abwehrmaßnahmen der Beklagten seien wirtschaftlich nicht zumutbar. Darüber hinaus müsse der Schutz wildlebender Vögel, insbesondere in Bezug auf Zugvögel berücksichtigt werden. Der Wille des Gesetzgebers, auf Stromleitungen sitzende Vögel nicht nur zu dulden, sondern sogar speziell zu schützen, zeige sich in § 41 BNatSchG.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Ein Unterlassungs- bzw. Beseitigungsanspruch stehe der Klägerin nicht zu. Die Beklagte übe aufgrund der Vereinbarung mit der E AG die für diese im Grundbuch eingetragenen beschränkt persönlichen Dienstbarkeiten an den über das streitgegenständliche Grundstück verlaufenden Hochspannungsleitungen der früheren B AG aus. Die Beklagte habe nicht gegen das Gebot der schonenden Nutzung (§ 1020 BGB) verstoßen. Dass sich Vögel auf den Leitungen und Strommasten niederließen und von dort ihre Ausscheidungen fallen ließen, sei als Naturereignis bei wertender Betrachtung der Beklagten nicht zuzurechnen. Dabei sei u.a. zu berücksichtigen, dass die Beklagte mit dem Betreiben der Hochspannungsleitungen einen öffentlichen Auftrag erfülle und dass keine technischen Mittel oder Bauweisen zur Anwendung gekommen seien, die ein Anlocken von Vögeln begünstigen sollten.

Dagegen wendet sich die Klägerin mit ihrer Berufung. Sie beanstandet, dass das Landgericht keine Beweise über den Umfang der Beeinträchtigung und die Möglichkeiten der Vergrämung der Vögel bzw. von Abwehrmaßnahmen erhoben habe. Die vom Landgericht vorgenommene Wertung sei unzutreffend. Es handele sich nicht um ein allgemeines Naturereignis, da Vögel nicht auf jedem Hoch- bzw. Höchstspanungsmast anlandeten. Bei Einräumung der Dienstbarkeit und bei Erwerb des Grundstücks durch die jetzige Eigentümerin seien zudem die Beeinträchtigungen durch Vogelkot noch nicht absehbar und erkennbar gewesen. Erst durch die spätere Errichtung von Höchstspannungsleitungen statt der zunächst vorhanden Hochspannungsleitungen seien die Vögel gesteuert und die Voraussetzung für das Ansammeln von Vögeln geschaffen worden.

Sie beantragt:

1. Unter Abänderung des am 25.8.2017 verkündeten und am 4.9.2017 zugestellten Urteils des LG Karlsruhe, 21 O 4/17 die Beklagte zu verurteilen, durch geeignete Maßnahmen zu verhindern, dass von den von der Beklagten betriebenen Höchstspannungsleitungen über sowie von dem Strommast Nr. 018 einschließlich sämtlicher Leitungen auf dem Grundstück O-Weg 2 in B Vogelkot von den auf den Stromleitungen und dem Strommast und den sonstigen Leitungen sitzenden Vögeln herabfällt und das genannte Grundstück sowie die sich darauf befindenden Gegenstände verschmutzt.

2. Der Beklagten wird angedroht, dass für jeden Fall der Zuwiderhandlung ein Ordnungsgeld bis zur Höhe von 250.000,- € und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, eine Ordnungshaft oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten festgesetzt wird.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das angefochtene Urteil.

Wegen der Einzelheiten des Sachverhalts wird, soweit der Senat keine abweichenden Feststellungen getroffen hat, auf das Urteil des Landgerichts und auf die wechselseitigen Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen verwiesen.

II.

Die Berufung ist zulässig, aber unbegründet.

1. Die Klägerin ist aufgrund der von der Grundstückseigentümerin erteilten Ermächtigung hinsichtlich ihres auf § 1020 Satz 1 i.V.m. § 1004 BGB gestützten Anspruchs prozessführungsbefugt. An der Wirksamkeit der Ermächtigung und an dem erforderlichen schutzwürdigen Eigeninteresse der Klägerin an der Prozessführung im eigenen Namen bestehen keine Zweifel. Insoweit kann auf die zutreffenden Ausführungen des Landgerichts verwiesen werden.

2. Der geltend gemachte Anspruch auf Unterlassung der Beeinträchtigung des von der Klägerin angemieteten Grundstücks durch das Herabfallen von Vogelkot besteht jedoch nicht, ergibt sich insbesondere nicht aus §§ 1020 Satz 1, 1090 Abs. 2 i.V.m. § 1004 BGB.

a) Die Beklagte kann sich aufgrund der Überlassungsvereinbarung auf die beschränkt persönliche Dienstbarkeit gemäß Bewilligung vom 27.3.1996 berufen.

aa) Die Dienstbarkeit wurde am 27.3.1996 als beschränkte persönliche Dienstbarkeit zugunsten der B AG bewilligt und eingetragen und ist im Wege der Gesamtrechtsnachfolge nach § 1092 Abs. 2 i.V.m. § 1059 Abs. 1 Nr. 1 BGB auf die E AG übergegangen. Eine Gesamtrechtsnachfolge im Sinne von § 1059 Abs. 1 Nr. 1 BGB ist u.a. die Verschmelzung durch Neugründung (§§ 36 f. UmwG, Staudinger/Reymann, BGB, Stand 2017 § 1092 Rn 17). Mit notarieller Urkunde vom 19.2.2013 wurde bescheinigt, dass die E AG durch Umfirmierung im Jahr 2005 aus der E Baden-Württemberg AG hervorgegangen ist. Letztere ist im Wege der Verschmelzung durch Neugründung im Jahr 1997 aus den beiden übertragenden Gesellschaften B Holding AG und EV Holding AG entstanden. Die B Holding AG war wiederum durch Umfirmierung gemäß Beschluss vom 27.2.1997 aus der B AG entstanden. Diesen Bescheinigungen kommt nach § 21 Abs. 1 Satz Nr. 2, Satz 2 BNotO Beweiskraft zu.

Zu einer Übertragung der Dienstbarkeit durch die B AG an die B Betriebe AG i.G. oder die F Grundbesitz KG aufgrund des Einbringungsvertrags vom 11.12.1996 ist es nicht gekommen. Zwar ist die Dienstbarkeit, da sie sich auf Anlagen zur Fortleitung von Elektrizität bezieht, grundsätzlich übertragbar (§ 1092 Abs. 3 Satz 1 BGB). Die Übertragung durch Rechtsgeschäft nach § 1092 Abs. 3 Satz 1 BGB bzw. nach § 1092 Abs 2 i.V.m. § 1059a Abs. 1 Nr. 2 BGB erfordert aber – im Gegensatz zum Übergang kraft Gesetzes im Wege der Gesamtrechtsnachfolge – gemäß § 873 BGB eine Eintragung im Grundbuch (Palandt/Herrler, BGB, 77. Aufl. § 1092 Rn. 4; Staudinger/Reymann aaO Rn. 39). Zu einer Änderung der Eintragung im Grundbuch ist es nicht gekommen. Vielmehr ist nach dem Grundbuchauszug vom 21.5.2013 nach wie vor die B AG als Inhaberin der Grunddienstbarkeit eingetragen. Die Frage der Auslegung des Einbringungsvertrags kann daher offen bleiben.

bb) Mit § 2 der Vereinbarung vom 6./7.3.2012 hat die E AG der Beklagten für die Dauer des Bestehens der Leitungsanlagen die Ausübung der für diese Anlagen im Grundbuch eingetragenen beschränkt persönlichen Dienstbarkeiten überlassen. Diese Überlassung der Ausübung an Dritte ist nach dem Inhalt der Bewilligung von dem ursprünglichen Eigentümer im Sinne von § 1092 Abs. 1 Satz 2 BGB gestattet worden. Hieran ist die jetzige Eigentümerin des Grundstücks gebunden. Für die Bindung des Erwerbers an eine vor dem Rechtsvorgänger erklärte Gestattung genügt eine allgemeine Bezugnahme der Grundbucheintragung auf die eine Gestattung enthaltende Eintragungsbewilligung (BGH, Urteil vom 29. September 2006 – V ZR 25/06, juris Rn. 12 f.). Eine solche Bezugnahme auf die Eintragungsbewilligung war hier im Grundbuch eingetragen worden.

b) Die Beklagte hat auch nicht ihre Pflicht zur schonenden Ausübung der Dienstbarkeit aus § 1020 Satz 1 BGB i.V.m. § 1090 Abs. 2 BGB verletzt.

aa) Der Interessenkonflikt zwischen dem Dienstbarkeitsberechtigten und dem Eigentümer des belasteten Grundstücks ist in §§ 1020 ff. BGB geregelt. Verletzt der Berechtigte bei der Ausübung einer Grunddienstbarkeit seine Pflicht aus § 1020 Satz 1 BGB, das Interesse des Eigentümers des belasteten Grundstücks zu schonen, stellt dies eine Eigentumsbeeinträchtigung im Sinne des § 1004 Abs. 1 BGB dar (BGH, Versäumnisurteil vom 23.1.2015 – V ZR 184/14, juris Rn. 9).

bb) Einer Schonungspflicht der Beklagten steht nicht entgegen, dass sich die Notwendigkeit von Schutzmaßnahmen hier aus dem Interesse der Klägerin als Mieterin ergibt. Nach § 1020 Satz 1 BGB hat der Dienstbarkeitsberechtigte auch auf die Interessen der Personen Rücksicht zu nehmen, die vom Eigentümer Rechte ableiten, denen die Dienstbarkeit im Range vorgeht (Staudinger/Weber, BGB, Stand 2017 § 1020 Rn. 6).

cc) Eine Schonungspflicht der Beklagten ist auch nicht dadurch ausgeschlossen, dass die Störung auf einem Naturereignis beruht. Nach der Rechtsprechung zu § 1004 BGB setzt allerdings die Verantwortlichkeit als Störer voraus, dass die Beeinträchtigung wenigstens mittelbar auf den Willen des Eigentümers zurückgeht (BGH, Urteil vom 20.11.1992 – V ZR 82/91, juris Rn. 41). Im Falle der Beeinträchtigung durch ein Naturereignis ist maßgeblich, ob der Eigentümer des beeinträchtigenden Grundstücks das störende Naturereignis durch eine besondere Nutzung begünstigt hat (BGH, Urteil vom 20.11.1992 – V ZR 82/91, juris Rn. 41: Abwehranspruch bei Froschlärm nach Anlegen eines Gartenteichs) oder ob die Einwirkung auf ein zufälliges und zusätzliches Naturereignis zurückgeht, das alle Grundstückseigentümer als allgemeines Risiko trifft (BGH, Urteil vom 7.7.1995 – V ZR 213/94, juris Rn. 8: Kein Abwehranspruch gegen Eindringen von Ungeziefer, das den Baum eines Nachbarn befallen hat). Nach diesen Maßstäben wäre das Ansammeln von Vögeln, die ihren Kot fallen lassen, der Beklagten zuzurechnen, weil die Errichtung der streitgegenständlichen 380-Kilovolt-Anlage dieses – jedenfalls nach dem unter Beweis gestellten Vortrag der Klägerin – durch die Höhe des Strommastes Nr. 018 begünstigt hat.

dd) Aus dieser grundsätzlichen Zurechenbarkeit folgt jedoch nicht zwingend eine Verletzung der Schonungspflicht aus § 1020 BGB. Bei der Bestimmung von Inhalt und Umfang der Schonungspflicht sind die beiderseitigen Interessen unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls gegeneinander abzuwägen (BGH, Versäumnisurteil vom 23.1.2015 aaO Rn. 10; Staudinger/Weber, BGB, Stand 2017 § 1020 Rn. 5); zu diesen Umständen zählen auch individuelle, in der Person des Dienstbarkeitsberechtigten bzw. des Dienstbarkeitsverpflichteten begründete Gegebenheiten (BGH, Versäumnisurteil vom 23.1.2015 aaO). Dabei ist die Schonungspflicht umso größer, je nachteiliger die Ausübung der Grunddienstbarkeit für den Eigentümer des dienenden Grundstücks ist (Staudinger/Weber aaO; MünchKomm-BGB/Joost, 7. Aufl. § 1020 Rn. 5 Soergel/Stürner, BGB, 13. Aufl. § 1020 Rn. 2). Weiter sind die Regeln einer ordnungsgemäßen Wirtschaft zu berücksichtigen (Staudinger/Weber aaO; MünchKomm-BGB/Joost aaO).

Diese Interessenabwägung ergibt, dass die Beklagte jedenfalls nicht zur Herstellung einer Überdachung auf dem Grundstück, die Projektkosten in Höhe von ca. 150.000,- € auslösen würde, oder zur Übernahme dieser Kosten verpflichtet ist. Zwar ist die Beeinträchtigung des Betriebs der Klägerin nach ihrem eigenen unter Beweis gestellten Vortrag nicht unerheblich. Weiter kann sich eine Verpflichtung des Dienstbarkeitsberechtigten zur Neuerrichtung von Anlagen zum Schutz des dienenden Grundstücks auf eigene Kosten nach § 242 BGB aus einer der Ausübung der Dienstbarkeit innewohnenden Gefahr ergeben; das gilt auch dann, wenn die Notwendigkeit von Schutzmaßnahmen erst aus einer Nutzungsänderung des belasteten Grundstücks folgt (BGH, Urteil vom 25.2.1959 – V ZR 176/57, BeckRS 1959, 31204909: Dienstbarkeit zum Betrieb einer Seilbahn; vgl. auch OLG Köln, Urteil vom 14.1.1997 – 22 U 158/96, juris Rn. 5 f.). Hier geht es aber nicht um eine (Betriebs)Gefahr, die durch Ausnutzung der Dienstbarkeit für den oder die Nutzer des belasteten Grundstücks entsteht, sondern um eine Störung durch ein von außen hinzutretendes und in seinem Ausmaß unvorhergesehenes Naturereignis. Im Hinblick auf den Inhalt der Dienstbarkeitsbewilligung, die eine 380-kV-Leitung und zwei 110-kV-Leitungen umfasst, mussten im Übrigen die Klägerin und die Eigentümerin bereits zum Zeitpunkt der Entscheidung, das Grundstück für einen Betrieb zur Entwicklung und Fertigung von Segelflugzeugen und Motorseglern zu nutzen, grundsätzlich mit der Möglichkeit rechnen, dass sich Vögel auf bereits vorhandene oder noch zu errichtende Strommasten und -leitungen setzen und von dort aus ihren Kot fallen lassen. Dem steht nicht entgegen, dass der 380-Kilovolt-Mast nach dem unwidersprochen gebliebenen Vortrag der Klägerin erst im Jahr 2012 während des bereits bestehenden Mietverhältnisses auf dem Grundstück errichtet worden ist, da es sich um ein im Zusammenhang mit Strommasten und Hochspannungsleitungen allgemein bekanntes, wenn auch in seinem Ausmaß unvorhersehbares Naturphänomen handelt.

Vor diesem Hintergrund ist der Beklagten die von der Klägerin begehrte kostenträchtige Schutzmaßnahme in Form der Errichtung eines Carports nicht zumutbar. Die Notwendigkeit dieser Maßnahme ist durch die besondere Schutzbedürftigkeit des Betriebs der Klägerin bedingt, die wiederum auf der eigenen unternehmerischen Entscheidung der Grundstückseigentümerin beruht, das Grundstück als Stellfläche für empfindliche Fahrzeuge zu verwenden. Weiter ist zu berücksichtigen, dass im Falle einer zukünftigen Nutzungsänderung des Grundstücks, über die allein die Grundstückseigentümerin und die Klägerin, aber nicht die Beklagte entscheiden können, eine derartige Schutzmaßnahme nicht mehr erforderlich und daher wirtschaftlich sinnlos wäre.

Offenbleiben kann, ob die Beklagte zu weiteren Vergrämungsmaßnahmen im Falle ihrer Eignung zur Vertreibung der Vögel verpflichtet wäre. Der Geschäftsführer der Klägerin hat in der mündlichen Verhandlung in II. Instanz erklärt, dass derartige Maßnahmen nicht greifen. Er hat ausgeführt, von der Beklagten seien bereits verschiedene Vergrämungsmethoden versucht worden, aber erfolglos geblieben; als einziges Mittel zur Abwendung der Verschmutzungen verbleibe eine Überdachung des Stellplatzes.

c) Auch auf eine Besitzstörung im Sinne von § 862 Abs. 1 BGB kann die Klägerin den geltend gemachten Anspruch nicht stützten. Ihr Besitzrecht an dem mit der Grunddienstbarkeit belasteten Grundstück geht nicht weiter als die Rechte der Eigentümerin, aus denen sich ihr Besitzrecht ableitet.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO; die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.

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