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Darf Notar zur Erstellung eines Nachlassverzeichnisses die Wohnung des Erblassers betreten?

LG Schwerin – Az.: 4 T 3/12 – Beschluss vom 13.04.2012

D. N. C. R. wird angewiesen, das notarielle Nachlassverzeichnis bezüglich des Nachlasses des in 2010 verstorbenen R. S. in seiner Geschäftsstelle und am letzten  Wohnort des Erblassers, E. in S., durchzuführen.

Das Verfahren ist gerichtsgebührenfrei; Auslagen werden nicht erstattet.

Gründe

I.

Der weitere Beteiligte hat gegen die Beschwerdeführerin Stufenklage wegen Pflichtteils vor dem Amtsgericht Schwerin erhoben. Derzeit ist die Beschwerdeführerin durch Teilanerkenntnisurteil des Amtsgerichts Schwerin 2011 (xxx) verurteilt worden, Auskunft über den Bestand des Nachlasses des Erblassers, des gemeinsamen Vaters der Beschwerdeführerin und des weiteren Beteiligten, zu erteilen. Die Beschwerdeführerin ist bereit, von von N. B. ein notarielles Nachlassverzeichnis erstellen zu lassen. Da der weitere Beteiligte argwöhnt, Gegenstände aus dem Nachlass seien auch im Haushalt der Beschwerdeführerin vorhanden, hat der weitere Beteiligte b. N. beantragt, die Aufnahme des Nachlassbestandes in der Wohnung der Beschwerdeführerin vornehmen zu lassen.

Die Beschwerdeführerin bestreitet, Nachlassgegenstände in ihrer Wohnung zu haben, was sie auch eidesstattlich versichern wolle. Sie sei aber nicht bereit, quasi eine Wohnungsdurchsuchung vornehmen zu lassen, zumal die Angaben des weiteren Beteiligten „ins Blaue hinein“ erfolgt seien. Auch ihr Lebensgefährte, der in der Wohnung mitwohne, sowie die im Haus wohnenden Grundstückseigentümer seien gemäß Artikel 13, 14 Grundgesetz geschützt.

D. N. hält sich für verpflichtet, zur sachgerechten Gestaltung des Aufnahmeverfahrens auch den Nachlass des Erblassers in Augenschein zu nehmen, wobei hier auch die Begehung der Wohnung des Erblassers nötig sei. Da diese Wohnung inzwischen aufgelöst worden sei, lediglich das Kfz und eine Kreissäge befänden sich noch im Nebengelass, sei die Besichtigung der derzeitigen Wohnung der Beschwerdeführerin unentbehrlich, weil nach den Angaben des weiteren Beteiligten der bewegliche Nachlass des Erblassers zumindest zum Teil in den Nachlass der Beschwerdeführerin Eingang gefunden habe. Wenn die Begehung der Wohnung durch die Beschwerdeführerin verweigert werde, sehe sich d. N. zur Erstellung des Nachlassverzeichnisses nicht in der Lage, weil er dann kein formell ordnungsgemäßes Nachlassverzeichnis erstellen könne.

II.

Die Beschwerde ist begründet.

D. N. hat sich zu Unrecht geweigert, gemäß § 15 Abs. 1 Bundesnotarordnung die Amtstätigkeit durchzuführen.

In der nunmehr im Beschwerdeverfahren gestellten Form ist d. N. verpflichtet, das Nachlassverzeichnis zu erstellen. Er kann sich nicht darauf berufen, die Beschwerdeführerin verweigere den Zutritt zu ihrer Wohnung, so dass d. N. die Richtigkeit der Angaben der Beschwerdeführerin nicht überprüfen könne.

Nach der Rechtsprechung (zuletzt OLG Schleswig, NJW-RR 2011, 946 ff.; OLG Saarbrücken, ZEV 2010, 416) darf sich d. N. mit bloßen Bekundungen von Erklärungen des Auskunftspflichtigen bei der Erstellung des Nachlassverzeichnisses gemäß § 2314 BGB nicht begnügen. Ein notarielles Nachlassverzeichnis liegt, gemessen an den Anforderungen des § 2314 Abs. 1 Satz 3 BGB, nur dann vor, wenn d. N. den Nachlassbestand selbst und eigenständig, wenn auch zunächst ausgehend von den Angaben des Auskunftspflichtigen, ermittelt hat und durch Bestätigung des Bestandsverzeichnisses als von ihm aufgenommen zum Ausdruck bringt, für den Inhalt verantwortlich zu sein (OLG Schleswig a.a.O.; OLG Saarbrücken a.a.O.; OLG Celle, BNotZ 2003, 62). Anerkannt ist, dass im Rahmen der eigenen Ermittlungstätigkeit des Notars auch die Begehung der Erblasserwohnung und Inaugenscheinnahme der Sachen dort zulässig und im Rahmen der Ermittlungstätigkeit des Notars erforderlich ist (OLG Schleswig a.a.O.; OLG Düsseldorf, RNotZ 2008, 105). Insoweit ist d. N. verpflichtet, die sich im Nebengelass der ehemaligen Erblasserwohnung angeblich befindlichen Gegenstände, wie Pkw und Kreissäge, in Augenschein zu nehmen zur Erstellung des Nachlassverzeichnisses.

Dies bedeutet aber nicht, dass damit auch der Erbe verpflichtet wäre, seine Wohnung für den Notar und den weiteren Beteiligten zur Überprüfung seiner Angaben zu öffnen. Das gebietet schon der Grundgesetzschutz „Unverletzlichkeit der Wohnung“ gemäß Artikel 13 Grundgesetz. Voraussetzungen gemäß Artikel 13 Abs. 2 Grundgesetz, wonach Durchsuchungen durch den Richter angeordnet werden können, liegen hier nicht vor. Denn bei der Inventarerrichtung nach §§ 1993 Abs. 2 und 2003 Abs. 2 BGB trifft den Erben nur eine Obliegenheit zur Mitwirkung, d. h. Auskünfte können von ihm zwangsweise nicht erzwungen werden (vgl. Palandt-Weidlich, BGB, 71. Auflage, § 2003 Rdnr. 3). Es ist insoweit auch keine Rechtsgrundlage ersichtlich, die eine solche Wohnungsbesichtigung gegen den Willen des Wohnungsinhabers ermöglicht.

Der Auskunftsverpflichtete hat gemäß § 2003 Abs. 2 BGB nur die erforderlichen Auskünfte zu erteilen und den Notar zu unterstützen. Wenn der Auskunftsverpflichtete nicht mitwirkt, kann d. N. zwar die Aufnahme des Vermögensverzeichnisses ablehnen. Das bezieht sich aber nur auf eine komplette Verweigerung der Auskunft, die hier jedoch nicht vorliegt. Die Beschwerdeführerin hat mitgeteilt, dass sie keinerlei Nachlassgegenstände in ihrem Haushalt habe. D. N. ist aber dann in der Lage, auch ohne die Angaben des Auskunftsverpflichteten ein Nachlassverzeichnis zu errichten, kann dann aber auf die unterbliebene Mitwirkung des Auskunftsverpflichteten hinweisen (vgl. Schreinert, RNotZ 2008, 61, 71). Ein notarielles Nachlassverzeichnis kann daher ausschließlich auf den Angaben des Erben beruhen, wenn dem Notar keine anderweitigen erfolgsversprechenden Ermittlungsmöglichkeiten zur Verfügung stehen, insbesondere bei längerem Zurückliegen des Erbfalles und die Erbschaftsgegenstände bereits unter die Erben verteilt sind oder nicht mehr existieren.

Somit ist grundsätzlich das Erstellen eines notariellen Nachlassverzeichnisses möglich, und d. N. kann dann nicht gemäß § 15 Bundesnotarordnung die Amtshandlung verweigern.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 131 Abs. 3 KostO.

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