KG Berlin – Az.: 1 W 26/21 – Beschluss vom 05.07.2021
Die Beschwerde der Beteiligten gegen die Zwischenverfügung des Amtsgerichts Mitte vom 5. Januar 2021 zu Nr. 5 wird nach einem Wert von 5.000 € zurückgewiesen.
Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Gründe
I.
Die Beteiligte – eine Aktiengesellschaft – ist Testamentsvollstreckerin über den Nachlass der 2019 verstorbenen …, zu dem das im Beschlusseingang genannte Grundstück gehört. In notarieller Verhandlung vom 12. August 2020 bewilligten … und … als gemeinsam vertretungsberechtigte Prokuristen der Beteiligten die Eintragung einer Auflassungsvormerkung in das Grundbuch.
Auf den Eintragungsantrag hat das Grundbuchamt mit der angefochtenen Zwischenverfügung beanstandet, die Prokuristen könnten die Beteiligte nicht vertreten, da sie laut Handelsregister nicht zur Veräußerung oder Belastung von Grundstücken ermächtigt seien. Nachdem der Vorstand der Beteiligten die Erklärungen vom 12. August 2020 genehmigt hatte, ist die Vormerkung eingetragen worden. Die Beteiligte verfolgt ihre Beschwerde mit dem Antrag weiter, festzustellen, dass die Zwischenverfügung sie in ihren Rechten verletzt habe. Es bestehe Wiederholungsgefahr, da in den Nachlass weitere Grundstücke fielen und beabsichtigt sei, Veräußerungserklärungen durch Prokuristen abzugeben.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Akten (Bl. 77 bis 161) Bezug genommen.
II.
Die Beschwerde nach §§ 71 ff. GBO ist mit dem Ziel des § 62 Abs. 1 FamFG zulässig (vgl. BGH, FGPrax 2017, 195). Das berechtigte Interesse an der Feststellung ergibt sich gemäß § 62 Abs. 2 Nr. 1 FamFG aus der für die Beteiligte bestehenden Wiederholungsgefahr.
Die Beschwerde ist nicht begründet. Es liegt keine Rechtsverletzung vor, denn die Zwischenverfügung war gemäß § 18 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 GBO veranlasst. Das aufgezeigte Hindernis bestand. Es war nicht in der erforderlichen Form (§ 29 Abs. 1, § 32 GBO) nachgewiesen, dass die Erklärungen der Prokuristen gemäß § 164 Abs. 1 BGB, § 49 Abs. 1 HGB für und gegen die Beteiligte wirken. Die Bewilligung der Vormerkung (§ 19 GBO, § 885 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 BGB) ist nach § 49 Abs. 2 HGB nicht von der Prokura erfasst. Die Vormerkung, Sicherungsmittel eigener Art, ist als Belastung des Grundstücks anzusehen (Staub/Joost, HGB, 5. Aufl., § 49 Rn. 33; MünchKomm/Krebs, HGB, 5. Aufl., § 49 Rn. 45; vgl. auch BGH, NJW 2014, 2431 Rn. 23 f.). Eine besondere Befugnis zur Veräußerung und Belastung von Grundstücken nach § 49 Abs. 2 HGB („Immobiliarklausel“), die in das Handelsregister einzutragen wäre (KG, RJA 3, 231 ff.; BayObLG, NJW 1971, 810 f.), ist den Prokuristen nicht erteilt.
Die gesetzliche Beschränkung der Vertretungsmacht nach § 49 Abs. 2 HGB besteht unabhängig davon, ob der Kaufmann Eigentümer des Grundstücks ist (OLG Köln, NJW-RR 2020, 530; LG Freiburg, BWNotZ 1992, 58; Staub/Joost, a.a.O., § 49 Rn. 31; a.A. OLG Hamm, DNotZ 2012, 230; LG Chemnitz, NotBZ 2008, 241; MünchKomm/Krebs, a.a.O., § 49 Rn. 42). Zwar dient die Beschränkung nach heutigem Verständnis (vgl. zu den überholten Erwägungen des historischen Gesetzgebers KG, a.a.O., S. 232; Staub/Joost, a.a.O., § 49 Rn. 27; MünchKomm/Krebs, a.a.O., § 49 Rn. 36) dem Schutz des Kaufmanns im Hinblick auf die besondere wirtschaftliche Bedeutung, die Grundstücksgeschäften regelmäßig zukommt. Dieser Gesichtspunkt greift aber nicht nur für Grundstücke, die im Eigentum des Prinzipals stehen. Veräußert ein Prokurist des Komplementärs Grundstücke der Kommanditgesellschaft, kann dies erhebliche wirtschaftliche Folgen für den Komplementär haben. Auch soweit der Kaufmann als rechtsgeschäftlicher Vertreter eines Dritten oder – wie hier – als Träger eines privaten Amtes im eigenen Namen, aber mit Wirkung für einen Dritten handelt, kommt Grundstücksgeschäften wegen des Haftungsrisikos besondere Bedeutung zu. Aus dem Beschluss des Bundesgerichtshofs DNotZ 1992, 584 folgt nichts anderes. Das Gesetz schließt den Prokuristen von der Vertretung bei Grundstücksgeschäften aus, gleichgültig ob diese Grundlagengeschäfte sind (oder sein können).
Schließlich besteht auch kein praktisches Bedürfnis für eine teleologische Reduktion. Der Kaufmann hat die Möglichkeit, den Prokuristen gemäß § 49 Abs. 2 HGB zur Veräußerung und Belastung von Grundstücken zu ermächtigen – ggf. nur, soweit diese nicht in seinem Eigentum stehen, oder soweit der Kaufmann als Testamentsvollstrecker handelt. Den Inhalt der Erweiterung kann der Kaufmann bestimmen, sofern er dem Rahmen des § 49 Abs. 2 HGB und dem Bestimmtheitsgrundsatz genügt. Es steht ihm ferner frei, dem Prokuristen gesonderte (Einzelfall-)Vollmacht zu erteilen (Staub/Joost, a.a.O., § 49 Rn. 37, 45).
Die Wertfestsetzung beruht auf § 36 Abs. 3, § 61 GNotKG. Die Voraussetzungen für die Zulassung der Rechtsbeschwerde liegen gemäß § 78 Abs. 2 S. 1 GBO vor.