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Beschwerde gegen Erteilung Alleinerbschein – Gegenstandswert

OLG Köln – Az.: I-2 Wx 160/16 – Beschluss vom 08.11.2016

Der Geschäftswert des Beschwerdeverfahrens wird auf 252.604,21 EUR festgesetzt.

Gründe

Der Geschäftswert des Beschwerdeverfahrens richtet sich hier gem. § 40 GNotKG nach dem Wert des gesamten Nachlasses im Zeitpunkt des Erbfalls und nicht nach dem wirtschaftlichen Interesse der Beschwerdeführerin. Im Rechtsmittelverfahren bestimmt sich der Geschäftswert gemäß § 61 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 GNotKG nach den Anträgen des Rechtsmittelführers, begrenzt durch den Geschäftswert des ersten Rechtszuges. Endet das Verfahren, ohne dass Anträge gestellt werden, so wie hier, ist die Beschwer maßgebend (§ 61 Abs. 1 S. 2 GNotKG). Die Beschwerdeführerin hat sich mit ihrer Beschwerde gegen die Erteilung eines Alleinerbscheins zugunsten der Beteiligten zu 1) gewandt. Maßgeblich ist daher gem. § 40 GNotKG der Wert des (gesamten) Nachlasses im Zeitpunkt des Erbfalls, wobei nur vom Erblasser herrührende Verbindlichkeiten (Erblasserschulden gem. § 1967 Abs. 2 1. Alt. BGB), nicht aber Bestattungskosten, Pflichtteile und Vermächtnisse abgezogen werden können (Senat, Beschluss vom 04.04.2014 – 2 Wx 92/14, FGPrax 2014, 180; OLG Schleswig FGPrax 2015, 93, 94). Dass die Beschwerdeführerin mit ihrer Beschwerde wirtschaftlich lediglich angestrebt hat, neben der Beteiligten zu 1) als Miterbin zu ½-Anteil zu erben, ist unerheblich und mindert den Geschäftswert des Beschwerdeverfahrens nicht. Das Oberlandesgericht Karlsruhe (Beschluss vom 16.06.2016 – 11 Wx 103/15) hat hierzu u.a. Folgendes ausgeführt:

„1. Der Senat hält an seiner Rechtsprechung fest (ErbR 2015, 499; in Übereinstimmung mit OLG Schleswig FGPrax 2015, 93; ähnlich OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 3. März 2015 – 20 W 380/13, juris; ebenso Staudinger/Herzog (2016) BGB § 2353, Rn 610; in gleicher Richtung Kuhn ErbR 2016, 104), wonach sich der Geschäftswert eines Erbscheinsbeschwerdeverfahrens nicht am wirtschaftlichen Interesse des Beschwerdeführers orientiert, sondern an dem Erbschein, dessen Erteilung … angefochten worden ist. Der gegenteiligen Auffassung anderer Oberlandesgerichte (OLG Hamm FGPrax 2015, 277, juris-Rn. 5; OLG Düsseldorf MDR 2016, 415, juris-Rn. 24; OLG Dresden, Beschluss vom 19. Januar 2016 – 17 W 1275/15, juris-Rn. 6) vermag er sich nicht anzuschließen. Bei der Bestimmung des Geschäftswerts im Erbscheinsbeschwerdeverfahren ist der Rückgriff auf die ermessensgeleitete Wertvorschrift des § 36 GNotKG versperrt; es ist auf die spezielle Regelung in § 40 GNotKG zurückzugreifen, die eine Berücksichtigung des eigenen wirtschaftlichen Interesses des beschwerdeführenden Erbanwärters nicht ermöglicht.

a) Der am 1. August 2013 in Kraft getretene und daher auch auf den vorliegenden Fall anwendbare § 61 GNotKG enthält – anders als zuvor § 131 Absatz 4 KostO – keinen Verweis auf die § 30 KostO entsprechende allgemeine Wertvorschrift des § 36 GNotKG. Eine unmittelbare Anwendung des § 36 GNotKG ist nach der Systematik des Gerichts- und Notarkostengesetzes versperrt. Dieser ist ausweislich seines Wortlauts („Soweit sich in einer vermögensrechtlichen Angelegenheit der Geschäftswert aus den Vorschriften dieses Gesetzes nicht ergibt […]“) eine Auffangvorschrift (Hartmann, Kostengesetze, 46. Auflage, § 36 GNotKG, Rn. 2). Sie wird daher von dem speziell für das Erbscheinsverfahren geltenden § 40 GNotKG verdrängt. Aufgrund der Änderung der Gesetzessystematik können damit – entgegen der wohl vom Oberlandesgericht Hamm vertretenen Auffassung (FGPrax 2015, 277, juris-Rn. 6) – die zu § 30 KostO entwickelten Grundsätze zur Geschäftswertbemessung im Erbscheinsbeschwerdeverfahren unter dem seit dem 1. August 2013 geltenden neuen Recht nicht mehr herangezogen werden.

b) Der Senat teilt im Ausgangspunkt die Auffassung des Oberlandesgerichts Hamm (a. a. O., Rn. 7), dass die Sondervorschrift des § 61 Absatz 1 Satz 1, Absatz 2 GNotKG darauf hindeutet, dass der Gegenstandswert des Beschwerdeverfahrens hinter demjenigen der ersten Instanz zurückbleiben kann. Solche Fallkonstellationen aber kann es im Erbscheinsverfahren auch dann geben, wenn man – wie der erkennende Senat – von der grundsätzlichen Anwendbarkeit des § 40 GNotKG ausgeht. So wird sich eine Reduzierung des Geschäftswerts im zweiten Rechtszug etwa dann ergeben, wenn der (einzige) Erbscheinsantragsteller erster Instanz im zweiten Rechtszug nicht mehr seine Ausweisung als Alleinerbe verlangt, sondern nur noch seinen erstinstanzlichen Hilfsantrag weiterverfolgt, ihm einen Teilerbschein mit der Ausweisung als hälftiger Erbe zu erteilen.

c) § 65 Absatz 1 FamFG steht der Anwendung der §§ 61 Absatz 1, 40 Absatz 1 Satz 1 GNotKG nicht entgegen (so aber OLG Hamm a. a. O.). Die Zulässigkeit einer Beschwerde in der freiwilligen Gerichtsbarkeit hängt, da § 65 Absatz 1 FamFG insoweit nur eine Sollvorschrift enthält, nicht davon ab, dass sie begründet und ein förmlicher Antrag formuliert wird. Praktisch stellt es aber die Regel dar, dass sich das Ziel des Rechtsmittelführers aus seinem Vorbringen entnehmen lässt. Ergeben sich keine Anhaltspunkte für einen abweichenden Willen, wird man davon ausgehen können, dass – je nach der Entscheidungskonstellation im ersten Rechtszug – die Erteilung eines Erbscheins nach dem erstinstanzlichen (einzigen) Antrag des Rechtsmittelführers erstrebt wird oder das Ziel darin besteht, statt des vom Nachlassgericht angekündigten einen anderen, vom Rechtsmittelführer bereits erstinstanzlichen begehrten Erbschein zu erlangen. Erst wenn hinreichende Anhaltspunkte für die Ziele des Rechtsmittelführers fehlen, kann auf § 61 Absatz 1 Satz 2 GNotKG zurückgegriffen und die Beschwer des Rechtsmittelführers herangezogen werden. Daher ist nicht anzunehmen, dass § 61 Absatz 1 GNotKG generell auf die Beschwer abstellt.

d) Der Gesetzgebungsgeschichte kann zwar – worauf das Oberlandesgericht Düsseldorf zu Recht hinweist (MDR 2016, 415, juris-Rn. 27) – nicht entnommen werden, dass der Gesetzgeber bewusst eine Fortführung der bisher zu § 30 KostO ergangenen Rechtsprechung, die sich im Erbscheinsbeschwerdeverfahren am wirtschaftlichen Interesse des Beschwerdeführers orientiert, ausschließen wollte. Das ist angesichts des systematisch eindeutigen Aufgebens der Verweisung von § 131 Absatz 4 KostO auf § 30 KostO kein hinreichendes Indiz dafür, dass die Anwendung des § 40 GNotKG im Beschwerdeverfahren ausgeschlossen werden sollte.

2. Ein etwaiges Pflichtteilsrecht … mindert den Geschäftswert nicht. Nach § 40 Absatz 1 Satz 2 GNotKG sind bei der Geschäftswertbemessung im Erbscheinsverfahren nur die vom Erblasser herrührenden Verbindlichkeiten abzuziehen. Pflichtteilsansprüche gehören nach allgemeiner Auffassung dazu nicht (Korintenberg/Sikora, GNotKG, 19. Auflage, § 40 Rn. 25a; Mayer/Kroiß, RVG, 6. Aufl., Rn. 12). Die … Entscheidung des Oberlandesgerichts Hamm besagt nichts anderes; auch dort werden Pflichtteilsansprüche ausdrücklich als nicht abzugsfähig behandelt (OLG Hamm FGPrax 2015, 277, juris-Rn. 11).

3. Die Anwendung des § 40 GNotKG führt nicht generell dazu, dass die Beteiligten einem unverhältnismäßigen Kostenrisiko ausgesetzt werden, das ihnen den grundrechtlich geschützten Zugang zu den Gerichten faktisch versperrt. Den Beteiligten verbleibt auch unter der Geltung des neuen Rechts die Möglichkeit, einen zwischen ihnen bestehenden Streit mit begrenztem Kostenrisiko dadurch zu klären, dass zunächst nur Teilerbscheinsanträge gestellt werden. … Der vom Oberlandesgericht Dresden (Beschluss vom 19. Januar 2016 – 17 W 1275/15, juris-Rn. 10) angeführte Beispielsfall, nach dem eine Beschwerde mangels Erreichens der Mindestbeschwer nach § 61 Absatz 1 FamFG zu verwerfen ist, der Geschäftswert sich aber nach dem vollen Nachlasswert richtet, mag indes Anlass geben, eine Korrektur vorzunehmen, wenn der Beschwerdeführer … der Ankündigung eines Vollerbscheins durch die erste Instanz mit dem Antrag auf Erteilung eines Teilerbscheins zu seinen Gunsten entgegentritt. Nur in diesen Fällen ist der Beschwerdeführer auch kostenrechtlich schutzwürdig.“

Der Senat, der sich schon in einer noch nicht veröffentlichten Entscheidung (Senat, Beschluss vom – 2 Wx 136/16, 2 Wx 139/16) der Auffassung des Oberlandesgerichts Karlsruhe angeschossen hatte, folgt dieser Auffassung auch im vorliegenden Verfahren.

Der Nachlasswert beträgt hier insgesamt 252.604,21 EUR.

Zum Aktivvermögen zählt zunächst das Hausgrundstück, das mit einem Betrag von 250.000,00 EUR in Ansatz zu bringen ist. Zwar beträgt allein der Bodenwert ausgehend von einer Grundfläche von 670 qm und einem Quadratmeterpreis von 310,00 EUR nach dem amtlichen Informationssystem der Gutachterausschüsse für Grundstückswerte und des Oberen Gutachterausschusses zum Immobilienmarkt in NRW („BORISplus.NRW“), hier des Gutachterausschusses für Grundstückswerte im Rhein-Erft-Kreis, 207.700,00 EUR. Im Hinblick auf das Alter, die Größe und des durch Fotos dokumentierten Zustandes des Hauses erscheint ein Gesamtwert des Hausgrundstücks von 250.000,00 EUR, den die Beteiligte zu 1) angegeben hat und dem die Beteiligte zu 3) auch nicht widersprochen hat, nicht unangemessen.

Zum Aktivvermögen gehören zudem ein Bankguthaben von 1.102,90 EUR und eine Sterbeversicherung in Höhe von 2.404,83 EUR.

Der Aktivnachlass beträgt daher 253.507,73 EUR.

In Abzug zu bringen sind gem. § 40 Abs. 1 S. 2 GNotKG nur die vom Erblasser herrührenden Verbindlichkeiten. Hierzu zählen zwar die Kosten des Pflegeheims und der Krankenbehandlung in Höhe von insgesamt 903,52 EUR, nicht aber die mit der Beerdigung im Zusammenhang stehenden Verbindlichkeiten. Es ist daher nur ein Betrag von 903,52 EUR in Abzug zu bringen, so dass der Nachlasswert insgesamt 252.604,21 EUR ausmacht.

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