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Berechtigtes Interesse des früheren Grundstückseigentümers an Einsichtnahme in Grundakte

OLG Düsseldorf – Az.: I-3 Wx 24/20 – Beschluss vom 23.04.2020

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Geschäftswert: 5.000,- €

Gründe

I.

Der Beteiligte, bei dem es sich um einen im Vereinsverzeichnis der Bezirksregierung Düsseldorf eingetragenen Verein handelt, hat um Einblick in die Grundakte zum verfahrensgegenständlichen Grundbesitz gebeten und dazu vorgebracht, er sei derzeit mit der Aufarbeitung seiner Historie beschäftigt. Mit Beschluss vom 13. Dezember 2018 hat das Grundbuchamt – die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle – den Antrag zurückgewiesen.

Hiergegen hat der Beteiligte Beschwerde eingelegt und ergänzend vorgetragen, ihm gehe es um Einblick in die Grundbuchakte in der Zeit von 1933 bis 1938. Er wolle mehr über die Umstände erfahren, die zum Verlust des Eigentums an dem Grundbesitz während des Dritten Reiches geführt hätten. Mit Beschluss vom 23. Januar 2019 hat das Grundbuchamt – die Rechtspflegerin – die Beschwerde zurückgewiesen. Der Beteiligte habe ein berechtigtes Interesse an der Grundbucheinsicht nicht dargelegt. Ein Recht an dem Grundbesitz sei nicht glaubhaft gemacht. Im Übrigen seien in der Akte keine Unterlagen aus der Zeit von 1933 bis 1938 mehr vorhanden.

Gegen den ihm am 29. Januar 2019 zugestellten Beschluss vom 23. Januar 2019 wendet sich der Beteiligte mit seiner Beschwerde vom 30. Januar 2020, eingegangen beim Oberlandesgericht Düsseldorf am 9. Februar 2020. Er meint, als früherer Eigentümer des Grundbesitzes ein Anrecht darauf zu haben, zu erfahren, unter welchen Umständen er sei damaliges Eigentum verloren habe. Es erscheine nicht glaubhaft, dass alle Unterlagen verloren gegangen seien; vielleicht seien beim Oberlandesgericht noch Kopien des Vorgangs vorhanden.

Das Grundbuchamt hat der Beschwerde nicht abgeholfen und die Sache dem Oberlandesgericht Düsseldorf mit weiterem Beschluss vom 20. Februar 2020 zur Entscheidung vorgelegt.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.

II.

Das Rechtsmittel des Beteiligten vom 30. Januar 2020 ist dem Senat aufgrund der vom Grundbuchamt mit weiterem Beschluss vom 20. Februar 2020 ordnungsgemäß erklärten Nichtabhilfe zur Entscheidung angefallen (vgl. § 75 GBO).

Es ist als Grundbuchbeschwerde statthaft und auch im Übrigen, insbesondere unabhängig von einer Beschwerdefrist, zulässig, §§ 72, 73 GBO.

In der Sache erweist sich die Beschwerde des Beteiligten als unbegründet.

Es ist zwar zu beanstanden, dass der angefochtene Beschluss entgegen § 38 Abs. 3 FamFG keinen Erlassvermerk trägt. Die Existenz dieses Vermerks ist nach allgemeiner Meinung und ständiger Rechtsprechung des Senats keine Voraussetzung der Wirksamkeit eines im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit ergangenen Beschlusses, wenn – wie hier – die Übergabe der Entscheidung zum Zwecke der Hinausgabe aus dem internen Geschäftsbetrieb an die Verfahrensbeteiligten feststeht (vgl. Senat FGPrax 2019, 287 m.w.N.).

Im Übrigen hat das Grundbuchamt hat den Einsichtsantrag des Beteiligten zu Recht zurückgewiesen.

Der Senat geht in ständiger Rechtsprechung (aus neuerer Zeit: FGPrax 2016, 251 ff. und 2017, 58 ff. m.w.N.), an der nach Überprüfung festgehalten wird, bei der Beurteilung von Anträgen auf Grundbucheinsicht von folgenden allgemeinen Grundsätzen aus: Nach § 12 Abs. 1 Satz 1 GBO ist die Einsicht des Grundbuchs jedem gestattet, der ein berechtigtes Interesse darlegt. Ein solches ist gegeben, wenn zur Überzeugung des Grundbuchamtes ein verständiges, durch die Sachlage gerechtfertigtes Interesse des Antragstellers dargelegt wird. Dabei kann auch ein bloß tatsächliches, insbesondere wirtschaftliches Interesse das Recht auf Grundbucheinsicht begründen. § 12 Abs. 1 GBO bezweckt nicht in erster Linie einen Geheimnisschutz, sondern zielt auf eine Publizität, die über die rein rechtliche Anknüpfung an die Vermutungs- und Gutglaubensvorschriften der §§ 891 ff. BGB hinausgeht. Es genügt zwar nicht jedes beliebige Interesse des Antragstellers; entscheidend ist in der Regel das Vorbringen sachlicher Gründe, die die Verfolgung unbefugter Zwecke oder bloßer Neugier ausgeschlossen erscheinen lassen. Das Interesse des Eigentümers oder des sonstigen Grundstücksberechtigten am Schutz persönlicher und wirtschaftlicher Geheimnisse ist dabei in jedem Einzelfall gegen das Interesse des Antragstellers an der Kenntniserlangung abzuwägen.

Auf dieser Grundlage kann ein Einsichtsinteresse etwa dann anzuerkennen sein, wenn der Einsichtnahme ein öffentliches Interesse, etwa das eines parlamentarischen Untersuchungsausschusses oder der Presse, zugrunde liegt; auch ein Interesse wissenschaftlicher Natur kann die Einsichtnahme rechtfertigen, so bei „unterstützungswürdigen“ wissenschaftlichen Studien (vgl. BeckOK/Wilsch, GBO, 38. Edition, Stand 1. März 2020, § 12 Rn. 6 m.w.N.). Ein anzuerkennendes berechtigtes, nämlich rechtliches, Interesse an der Grundbucheinsicht wird auch dem Voreigentümer eines Grundstücks zugebilligt, sofern er einen Restitutionsanspruch gegen einen späteren Eigentümer darlegt (BeckOK/Wilsch, a.a.O., § 12 Rn. 92 m.N.). Dagegen besteht ein Recht auf Einsichtnahme nicht, wenn damit der Zweck verfolgt wird, Verdachtsmomente für bestimmte Annahmen zu erhärten, ohne dass ersichtlich ist, welche (rechtlichen) Schlüsse daraus gezogen werden sollen. Das berechtigte Interesse an einer Einsichtnahme kann ferner auch nicht ohne weiteres aus der Zwecksetzung eines Vereins hergeleitet werden (BeckOK/Wilsch, a.a.O., § 12 Rn. 81 und 82 m.w.N.).

Gemessen an Vorstehendem kann dem Beteiligten Grundbucheinsicht nicht gestattet werden. Ersichtlich dient die von ihm begehrte Einsicht weder der Vorbereitung rechtlicher Schritte wegen einer in der Zeit des Nationalsozialismus etwa stattgefundenen Enteignung, noch ist der Beteiligte wissenschaftlich tätig. Das vom Beteiligten angeführte Interesse ist vielmehr ausschließlich historisch begründet und wegen der in der Vergangenheit gegebenen Betroffenheit in eigenen Belangen als solches auch ohne weiteres nachvollziehbar; in einer Abwägung mit den Interessen des Grundstückseigentümers am Schutz seines informationellen Selbstbestimmungsrechts und an einer Geheimhaltung persönlicher und wirtschaftlicher Verhältnisse muss das Interesse des Beteiligten an der Grundbucheinsicht indes zurück treten.

Hinzu kommt und auch das steht der Anerkennung des vom Beteiligten verfolgten Interesses als berechtigt im Sinne von § 12 GBO entgegen, dass das Grundbuch seinem Inhalt nach lediglich Eintragungen zum Bestand des auf einem bestimmten Grundstücksblatt verzeichneten Grundbesitzes, zu den Eigentümern, zu Lasten und Beschränkungen des Grundbesitzes sowie zu Grundpfandrechten enthält. Zu den – politischen, historischen – Hintergründen des vom Beteiligten vorgetragenen Eigentumsverlustes in der Zeit des Nationalsozialismus, die er recherchieren möchte, verhält sich das Grundbuch indes nicht. Mit anderen Worten: Kenntnis von konkreteren oder anderen Einzelheiten, als die, die bereits in dem der Antragsschrift mit Mail vom 30. November 2018 beigefügten Schreiben genannt sind, würde der Beteiligte durch die Grundbucheinsicht keinesfalls erlangen.

Abschließend sei bemerkt, dass bereits das Grundbuchamt im angefochtenen Beschluss darauf hingewiesen hat, dass in der Grundbuchakte keine Unterlagen bezüglich des vom Beteiligten genannten Zeitraumes vorhanden sind. Weshalb der Beteiligte diesen Hinweis als nicht glaubhaft bewertet, erschließt sich nicht. Auch beim Oberlandesgericht Düsseldorf befinden sich keine Unterlagen; die Aktenführung von Grundakten wird ausschließlich von den Grundbuchämtern wahrgenommen.

III.

Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst. Dass der Beteiligte die Gerichtskosten seines Rechtsmittels zu tragen hat, folgt unmittelbar aus den gesetzlichen Bestimmungen in §§ 25 Abs. 1, 22 Abs. 1 GNotKG. Die Anordnung der Erstattung etwaiger außergerichtlicher Kosten scheidet schon deshalb aus, da am Beschwerdeverfahren nur der mit seinem Rechtsmittel unterlegene Beteiligte teilgenommen hat.

Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Rechtsbeschwerde nach § 78 Abs. 2 Satz 1 GBO, liegen nicht vor.

Die Wertfestsetzung findet ihre Grundlage in §§ 61 Abs. 1, 36 Abs. 3 GNotKG.

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