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Berechtigtes Interesse an Grundbucheinsicht

OLG München – Az.: 34 Wx 188/18 – Beschluss vom 14.06.2018

I. Die Beschwerde des Beteiligten gegen den Beschluss des Amtsgerichts Aichach – Grundbuchamt – vom 20. April 2018 wird zurückgewiesen.

II. Der Geschäftswert des Beschwerdeverfahrens wird auf 5.000 € festgesetzt.

Gründe

I.

Der Beteiligte, früher als Eigentümer von Grundbesitz im Grundbuch eingetragen, beantragte am 4.4.2018 beim Grundbuchamt die Einsichtnahme ins Grundbuch „mit Auflassungsvermerke“. Er sei Besitzer des Anwesens. Auf Grund von Sachbeschädigungen, Diebstahl und Vandalismus, ausgehend vom Nachbargrundstück, benötige er die Einsicht für eine Strafanzeige und eine Klage gegen einen Herrn S., der von ihm vormals als Treuhänder eingesetzt gewesen sei. Dieser habe das Grundstück „aus vorübergehendem Bankbesitz“ in seinem Auftrag erworben. Er sei „mit Schuldschein“ ausbezahlt worden, ohne dass er eine vereinbarte grundbuchamtliche Änderung zu Gunsten einer den Beteiligten begünstigenden Stiftung vorgenommen hätte. Aus einem verwaltungsgerichtlichen Verfahren kenne der Beteiligte als letzten Ausdruck den Grundbuchauszug vom 17.11.2017 mit der letzten Änderung vom 13.3.2017 ohne Auflassungvermerke (gemeint wohl Auflassungsvormerkung) für ihn oder den Nachbarn. Er sehe in dem Vorgang eine Schädigung seines Wohn- und Betriebssitzes, den er seit 1976 nutze. Er habe Herrn S. ergebnislos zur Berichtigung des Grundbuchs aufgefordert. Die Grundbucheinsicht benötige er für sein weiteres gerichtliches Vorgehen.

Unter dem 5.4.2018 verweigerte die Urkundsbeamtin die Einsicht mit der Begründung, dass der Beteiligte nicht als Eigentümer eingetragen sei. Auf den hiergegen erhobenen „Widerspruch“ wies die Rechtspflegerin des Grundbuchamts darauf hin, dass ein berechtigtes Interesse nicht dargelegt sei. Einsicht könne nur dann gewährt werden, wenn das behauptete Treuhandverhältnis in Bezug auf den Grundstückserwerb des S. belegt werde. Hierzu vertrat der Beteiligte weiter die Ansicht, sein berechtigtes Einsichtsinteresse ergebe sich schon aus der Tatsache, dass der Treuhänder von ihm ausbezahlt worden und er, der Beteiligte, daher seit 2008 eigentlicher Eigentümer sei. Nachdem seine inzwischen von ihm geschiedene Ehefrau im Januar ausgezogen sei, die ihm den Zutritt zum Anwesen verwehrt habe, habe er nun feststellen können, dass das Anwesen ausgeraubt sei. Zum Beleg legte er die Kopie einer von ihm abgegebenen eidesstattlichen Versicherung vor, wonach Herr S. mit ihm einen Treuhandvertrag geschlossen habe, sowie die Kopie der ersten Seite eines von ihm gegenüber Herrn S. abgegebenen notariellen Schuldanerkenntnisses.

Diese als Erinnerung behandelte Eingabe hat die Rechtspflegerin beim Grundbuchamt mit Beschluss vom 20.4.2018 zurückgewiesen mit der Begründung, dass weder das rechtliche Interesse an der Einsicht nachvollziehbar dargelegt sei noch Nachweise vorgelegt worden seien. Dagegen wendet sich der Beteiligte mit Schreiben vom 15.5.2018. Er widerspricht der Zurückweisung seines Einsichtsbegehrens und wiederholt im Wesentlichen den bisherigen Vortrag. Neben einem an ihn gerichteten Mitteilungsschreiben des zuständigen Landratsamts, wonach die Abbruchmaßnahmen auf dem Grundstück vorschriftsmäßig durchgeführt würden, legt er auch die Ablichtung eines eigenen Schreibens vom 6.5.2018 an Herrn S. vor, in dem er diesen als Treuhänder bezeichnet und unter anderem dazu auffordert, die Urkunde über das abstrakte Schuldanerkenntnis zurückzugeben.

Das Grundbuchamt hat das Schreiben als Beschwerde ausgelegt und dieser nicht abgeholfen.

Mit Schreiben vom 25.5.2018 übersandte der Beteiligte ergänzend unter anderem die Kopie einer Strafanzeige. Diese sei geeignet, davon auszugehen, dass – so wörtlich – seine „Rechte als Besitzer wie seit 1976 weiterhin nicht beeinträchtigt sind“.

II.

Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg.

1. Gegen die Versagung von Grundbucheinsicht durch den Rechtspfleger (§ 3 Nr. 1 Buchst. h RPflG) ist die Beschwerde statthaft (§ 11 Abs. 1 RPflG mit § 71 Abs. 1 GBO; § 12c Abs. 4 Satz 2 GBO). Als solche ist die Eingabe des Beteiligten auszulegen, denn er beanstandet ausdrücklich, dass er nun wiederum warten müsse, bis ein nächst höheres Gericht ihm den Zugang ermögliche. Damit ist hinreichend zum Ausdruck gebracht, dass der Beteiligte eine Korrektur der beanstandeten Entscheidung durch das höherrangige Gericht erstrebt.

Das Rechtsmittel ist formgemäß nach § 73 GBO eingelegt und auch im Übrigen zulässig. Insbesondere ist die notwendige Beschwerdeberechtigung gegeben. Die Zurückweisung des Antrags allein begründet zwar noch keine Beschwerdeberechtigung, eine formelle Beschwer reicht also nicht aus (Demharter GBO 31. Aufl. § 71 Rn. 59 m. w. N.). Jedoch genügt es im Rahmen der Zulässigkeitsprüfung nach vorherrschender Ansicht, dass der Adressat der Entscheidung geltend machen kann, durch diese in einer rechtlich geschützten Position unmittelbar oder mittelbar beeinträchtigt zu sein, sofern die angefochtene Entscheidung in der behaupteten Weise unrichtig ist, und deshalb ein rechtliches Interesse an ihrer Beseitigung zu haben (BGHZ 80, 126/127; Budde in Bauer/Schaub GBO 4. Aufl. § 71 Rn. 61a m. w. N.). Mit der Behauptung, den Grundbuchauszug und die aus der Einsicht zu gewinnenden Erkenntnisse zum Nachweis für ein Zivilverfahren zu benötigen, hat der Beteiligte eine Beschwer zumindest schlüssig vorgetragen.

2. Das Rechtsmittel ist jedoch unbegründet.

a) Gemäß § 12 Abs. 1 GBO ist jedem die Einsicht in das Grundbuch und die in diesem in Bezug genommenen Urkunden zu gestatten, der ein berechtigtes Interesse darlegt. Dabei richtet sich der Umfang der Einsichtnahme danach, wie weit das berechtigte Interesse reicht und dargelegt wurde, weshalb die Einsichtnahme auf einzelne Bestandteile des Grundbuchs, einzelne Abteilungen oder Aktenstücke beschränkt werden kann (Hügel/Wilsch GBO 3. Aufl. § 12 Rn. 10).

Ein berechtigtes Interesse an der Einsicht in das Grundbuch i. S. v. § 12 Abs. 1 GBO (und zwar auch in Form der Gewährung eines Grundbuchauszugs) ist gegeben, wenn zur Überzeugung des Entscheidungsorgans ein verständiges, durch die Sachlage gerechtfertigtes Interesse des Antragstellers dargetan wird (vgl. BGH ZfIR 2015, 17/19; Meikel/Böttcher GBO 11. Aufl. § 12 Rz. 6 mit umfangreichen Nachw.). Dieses muss sich im Unterschied zum rechtlichen Interesse zwar nicht auf ein bereits bestehendes Recht am Grundstück oder ein konkretes Rechtsverhältnis zwischen dem Eingetragenen und dem die Einsicht Begehrenden stützen, sondern kann auch mit einem (beispielsweise) wirtschaftlichen Interesse begründet werden (OLG Oldenburg RPfleger 2014, 131; Schreiner RPfleger 1980, 51 f). Dabei genügt allerdings nicht jedes beliebige Interesse. Vielmehr muss die Kenntnis vom Grundbuchstand bei verständiger Würdigung des Einzelfalls und nach dem gewöhnlichen Verlauf der Dinge für das künftige Handeln des Antragstellers und seine Entschließungen aus sachlichen Gründen erheblich erscheinen (vgl. BayObLG Rpfleger 1998, 338; KG NJW-RR 2004, 1316/1317). Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass die in ihrem informationellen Selbstbestimmungsrecht betroffenen eingetragenen Berechtigten am Verfahren nach § 12 GBO nicht beteiligt werden. Weder werden sie vor der Gewährung von Grundbucheinsicht angehört noch steht ihnen ein Beschwerderecht gegen die Gewährung von Einsicht zu (BGHZ 80, 126/128 f).

Die Darlegung eines berechtigten Interesses erfordert mithin einen nachvollziehbaren Vortrag von Tatsachen in der Weise, dass dem Grundbuchamt daraus ein überzeugender Anhalt für die Berechtigung des geltend gemachten Interesses verschafft wird, denn es hat in jedem Einzelfall genau zu prüfen, ob durch die Einsichtnahme schutzwürdige Interessen der Eingetragenen oder ihrer Rechtsnachfolger verletzt werden können, und darf Unbefugten keinen Einblick in deren Rechts- und Vermögensverhältnisse gewähren (BayObLG Rpfleger 1999, 216/217; KG NJW-RR 2004, 1316/1317; Hügel/Wilsch § 12 Rn. 7). Eine nicht tatsachengestützte Versicherung des eigenen positiven Prüfungsergebnisses durch den Einsichtsbegehrenden kann die gerichtliche Prüfung nicht ersetzen (Senat vom 20.4.2016, 34 Wx 407/15 = NJW-RR 2016, 806). Im Einzelfall können darüber hinaus eine Glaubhaftmachung des Interesses oder ein Nachweis verlangt werden (Demharter § 12 Rn. 13; Böhringer DNotZ 2014, 16/18), etwa durch Vorlage von Verträgen oder Urkunden (OLG Oldenburg RPfleger 2014, 131; Schreiner RPfleger 1980, 51/52).

b) Die Behauptung eines Treuhandvertrags mit Herrn S. genügt in dieser Allgemeinheit schon nicht zur Darlegung eines berechtigten Interesses an der Grundbucheinsicht; denn der Beteiligte geht auf den Inhalt der behaupteten Treuhandvereinbarung nicht ein und beschreibt diesen nicht einmal ansatzweise. Somit werden das Grundbuchamt und an dessen Stelle der Senat in der Beschwerdeinstanz durch den Vortrag des Beteiligten nicht in die Lage versetzt, eigenständig nachzuvollziehen, ob dem Beteiligten Ansprüche aus einer Verletzung vertraglicher Pflichten zustehen können, insbesondere wegen einer vom Beteiligten vermuteten Weiterveräußerung durch den angeblichen Treuhänder, oder ob die aus einer Grundbucheinsicht zu gewinnenden Erkenntnisse für das weitere Vorgehen des Antragstellers erheblich sein können. Es fehlt an jeglichem Tatsachenvortrag dazu, welchen wechselseitigen Verpflichtungen sich die Parteien des angeblichen Treuhandvertrages unterworfen haben und inwiefern deshalb der Grundbuchinhalt zum Nachweis einer Pflichtverletzung taugen oder für das weitere rechtlich erhebliche Handeln des Antragstellers von Bedeutung sein kann. Die bloße Behauptung von Ansprüchen und schlagwortartige Formulierungen – wie hier – genügen aber nicht zur Darlegung eines berechtigten Interesses (Demharter § 12 Rn. 13; Hügel/Wilsch § 12 Rn. 7).

Zudem hat bereits das Grundbuchamt mit Recht eine Vorlegung des Treuhandvertrags zur Glaubhaftmachung der behaupteten treuhänderischen Stellung des S. als Grundeigentümer verlangt. Denn gegen die objektive Richtigkeit des subjektiv gefärbten und zudem streckenweise nicht nachvollziehbaren Vorbringens des Antragstellers – etwa zur Ausbezahlung des Treuhänders durch Überlassen eines Schuldanerkenntnisses – bestehen begründete Bedenken. Die anstelle des angeforderten Vertrags eingereichte Kopie einer eidesstattlichen Versicherung, in der S. als Treuhänder bezeichnet wird, genügt nicht. Glaubhaftmachung erfordert eine erhebliche, überwiegende Wahrscheinlichkeit für die glaubhaft zu machende Tatsache (BGHZ 156, 139/142; Senat vom 20.11.2012, 34 Wx 364/12 = Rpfleger 2013, 324; Zöller/Greger ZPO 32. Aufl. § 294 Rn. 6). Dabei hängt es von den Umständen des Einzelfalles ab, welches Maß an Sicherheit für die Feststellung behaupteter Tatsachen zu fordern ist. Hier ist die eidesstattliche Versicherung – auch in Zusammenschau mit den übrigen Unterlagen – nicht geeignet, eine überwiegende Wahrscheinlichkeit für die behauptete Treuhänderstellung des S. und darüber hinaus für die nicht einmal substantiiert dargelegte Möglichkeit einer Pflichtverletzung des angeblichen Treuhänders zu begründen. Ob die Vorlage des behaupteten Treuhandvertrags in Kopie zur Glaubhaftmachung oder zum Nachweis für ein berechtigtes Interesse geeignet und ausreichend wäre, kann zwar ohne Kenntnis von dessen Inhalt nicht beurteilt werden. Für die Entscheidung kann diese Frage aber auch dahinstehen.

III.

Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst (vgl. §§ 22, 25 Abs. 1 GNotKG).

Den nach § 79 Abs. 1 GNotKG festzusetzenden Geschäftswert hat der Senat mangels genügender Anhaltspunkte zur Bemessung des wirtschaftlichen Interesses mit dem Regelwert bestimmt, § 36 Abs. 3 GNotKG.

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Rechtsbeschwerde (§ 78 Abs. 2 GBO) liegen nicht vor.

 

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