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Berechtigtes Interesse an Einsicht in Wohnungsgrundbuch eines anderen Wohnungseigentümers

Oberlandesgericht Bremen – Az.: 3 W 1/20 – Beschluss vom 07.02.2020

Auf die Beschwerde wird der Beschluss des Amtsgerichts Bremen (Grundbuchamt) vom 17.12.2019 aufgehoben.

Das Grundbuchamt wird angewiesen, der Beschwerdeführerin zu Händen ihres bevollmächtigten Rechtsanwalts einen unbeglaubigten Grundbuchauszug für das Grundstück (Wohnungsgrundbuch) Bremen VR Bl. zu erteilen.

Gerichtskosten für die Beschwerdeentscheidung werden nicht erhoben.

Der Wert der Beschwer wird auf bis zu 1.000,– EUR festgesetzt.

Gründe

I.

Unter dem 20.09.2019 beantragte die Beschwerdeführerin über ihren Bevollmächtigten einen unbeglaubigten Grundbuchauszug für das im Tenor genannte Wohnungseigentum. Eigentümer dieses Wohnungseigentums ist Herr Z. Die Beschwerdeführerin ist ebenfalls Eigentümerin einer Wohnung (eines Hauses) dieser Wohnungseigentumsanlage.

Unter dem 23.12.2010 hatten alle Mitglieder der Wohnungseigentümergemeinschaft, bestehend aus insgesamt fünf Miteigentumsanteilen, einen notariellen Vertrag zur Aufhebung der Wohnungseigentümergemeinschaft unterzeichnet (UR-Nr. /2010 des Notars Dr. Y, Bremen). In diesem Vertrag sind sämtliche Miteigentumsanteile mit den Belastungen in Abteilung II und III der jeweiligen Grundbücher aufgeführt.

Der den Vertrag beurkundende Notar, dem auch die Vollziehung obliegt, teilte der Beschwerdeführerin unter dem 08.08.2014 mit, dass zwischen dem Abschluss des Vertrages und dem – nach Vorlage sämtlicher erforderlicher Unterlagen – beim Grundbuchamt gestellten Antrag im Grundbuch des Eigentümers Z, d.h. in dem im Tenor genannten Grundbuch, eine weitere Belastung eingetragen worden sei, die noch nicht beseitigt werden konnte.

Nach Informationen der Beschwerdeführerin soll es sich dabei um eine Bauhandwerkersicherungshypothek handeln. Bis heute sei die Vollziehung des Vertrages deshalb nicht möglich.

Die Beschwerdeführerin ist der Auffassung, sie habe ein berechtigtes Interesse an der Grundbucheinsicht, um zu erfahren, wer Gläubiger dieser Belastung ist, um die Hindernisse zum Vollzug des Vertrages auszuräumen.

Der Urkundsbeamte des Grundbuchamts hat der Beschwerdeführerin unter dem 21.11.2019 mitgeteilt, dass eine Einsicht in das Grundbuch nur mit Vorlage einer Vollmacht des Eigentümers möglich sei. Gegen diese Entscheidung hat die Beschwerdeführerin Rechtsmittel eingelegt. Unter dem 17.12.2019 hat sodann die Rechtspflegerin des Grundbuchamts ebenfalls die Erteilung eines unbeglaubigten Grundbuchauszugs abgelehnt, mit der Begründung, ein berechtigtes Interesse gemäß § 12 Abs.1 S.1 GBO sei nicht dargelegt worden. Jeder Wohnungseigentümer habe einen Auskunftsanspruch gegenüber dem jeweiligen Miteigentümer, dieser sei im Klagewege durchzusetzen und könne – da das Grundbuch nicht öffentlich sei – nicht durch eine Grundbucheinsicht umgangen werden. Das schutzwürdige Interesse des einen Eigentümers sei höher einzuschätzen als die Interessen der übrigen Eigentümer.

Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde. Sie ist der Auffassung, dass ein berechtigtes Interesse gemäß § 12 Abs.1 S.1 GBO gerade vorliege, wenn ohnehin ein Auskunftsanspruch bestehe. Auch verweist sie auf die besondere „Verknüpfung“ zwischen den Wohnungseigentümern durch den Vertrag vom ….2010.

Das Grundbuchamt hat der Beschwerde nicht abgeholfen und dazu ausgeführt, nur weil die Gewährung der Grundbucheinsicht der „einfachere Weg“ sei, könne nicht das schutzwürdige Interesse des betroffenen Eigentümers (Z) vernachlässigt werden.

II.

Die gemäß § 12c Abs.4 S.2 GBO statthafte Beschwerde ist zulässig, insbesondere formgerecht eingelegt und auch begründet. Die Beschwerdeführerin ist auch beschwerdeberechtigt. Mit der Behauptung, die Grundbucheinsicht als Miteigentümerin zur Vollziehung der Auseinandersetzung der Wohnungseigentumsgemeinschaft zu benötigen, erscheint eine Beschwer zumindest möglich.

Gemäß § 12 Abs.1 S.1 GBO ist die Einsicht des Grundbuchs jedem gestattet, der ein berechtigtes Interesse darlegt. Auch die Erteilung eines unbeglaubigten Grundbuchauszuges ist möglich, wenn der Berechtigte ein Einsichtsrecht hat (§ 12 Abs.2 GBO).

Ein berechtigtes Interesse an der Einsicht in das Grundbuch im Sinne von § 12 Abs. 1 GBO ist nach der Rechtsprechung gegeben, wenn ein verständiges, durch die Sachlage gerechtfertigtes Interesse des Antragstellers dargetan wird, das sich im Unterschied zum rechtlichen Interesse nicht auf ein bereits vorhandenes Recht oder konkretes Rechtsverhältnis stützen muss, sondern auch mit einem (beispielsweise) bloß tatsächlichen, insbesondere wirtschaftlichen Interesse begründet werden kann (OLG Oldenburg, Beschluss vom 30. September 2013 – 12 W 261/13 (GB) –, Rn. 2 juris; OLG München, Beschluss vom 14. Juni 2018 – 34 Wx 188/18 –, Rn. 11 juris; Demharter, GBO, 30. Aufl., § 12 Rn. 7 ff.). Dabei genügt andererseits nicht jedes beliebige Interesse, die Verfolgung unbefugter Zwecke oder reiner Neugier muss ausgeschlossen sein (OLG München, Beschluss vom 27.02.2019, 34 Wx 28/19, Rdnr.16 – juris). Vielmehr muss die Kenntnis vom Grundbuchstand bei verständiger Würdigung des Einzelfalls und nach dem gewöhnlichen Verlauf der Dinge für das künftige Handeln des Antragstellers und seine Entschließungen aus sachlichen Gründen erheblich erscheinen ( KG Beschluss vom 20. Januar 2014, 1 W 294/03, Rdnr. 3 – juris). Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass die in ihrem informationellen Selbstbestimmungsrecht betroffenen eingetragenen Berechtigten am Verfahren nach § 12 GBO nicht beteiligt werden. Weder werden sie vor der Gewährung von Grundbucheinsicht angehört noch steht ihnen ein Beschwerderecht gegen die Gewährung von Einsicht zu (BGH Beschluss vom 06. März 1981, V ZB 18/80, Rdnr.7 – juris; OLG München Beschluss vom 14. Juni 2018, 34 Wx 188/18 Rdnr. 11 – juris). Erforderlich ist ein nachvollziehbarer Vortrag von Tatsachen, so dass dem Grundbuchamt daraus die Überzeugung von der Berechtigung des geltend gemachten Interesses verschafft wird, also mehr als die bloße Behauptung von Tatsachen und mehr als ein pauschaler Vortrag (OLG Braunschweig Beschluss vom 12. Juni 2019, 1 W 41/19, Rdnr.14 – juris).

Ein berechtigtes Interesse kann daher etwa vom Pflichtteilsberechtigten geltend gemacht werden zur Prüfung seiner erbrechtlichen Ansprüche für die Einsicht in das Grundbuch eines im Eigentum eines Dritten stehenden Grundstücks (OLG Karlsruhe Beschluss vom 05. September 2013, 11 Wx 57/13, Rdnr. 10 – juris) oder aber auch von einem Miterben, für die Geltendmachung von Ausgleichsansprüchen gegen einen Miterben, für die Einsicht in das Grundbuch eines im Eigentum eines Dritten stehenden Grundstücks, wenn dieses in der Vorzeit dem Erblasser gehörte (OLG Braunschweig a.a.O. Rdnr. 17 ff.).

Ob auch ein einzelner Wohnungseigentümer ein Einsichtsrecht in die Grundbücher der anderen Miteigentümer, insbesondere in die Abteilung III, hat, ist grundsätzlich streitig (bejahend OLG Düsseldorf Beschluss vom 15.10.1986, 3 Wx 340/86 – beck-online, einschränkend OLG München Beschluss vom 11. Dezember 2015, 34 Wx 208/15, Rdnr. 12, dazu Schöner/Stöber, 15. Aufl., Rdnr. 525 Fn 34).

Dieser unterschiedliche Meinungsstand kann hier außer Betracht bleiben, weil die Beschwerdeführerin mit dem Miteigentümer in dessen Grundbuch sie Einsicht begehrt, zusätzlich auf besondere Art und Weise, nämlich durch den Aufhebungsvertrag, verbunden ist. Bereits aus diesem Vertrag ergaben sich die zum Vertragszeitpunkt für jeden Eigentümer eingetragenen Belastungen in der Abteilung III.

Entscheidender ist allerdings die nachvollziehbare Darlegung der Beschwerdeführerin, dass aufgrund einer nachträglich eingetragenen Belastung die Vollziehung des gemeinsamen Vertrages nicht möglich ist. Sie hat daher sowohl ein rechtliches als auch ein wirtschaftliches Interesse zu erfahren, aufgrund welcher Belastung (insbesondere auch ihrer Höhe) die Auseinandersetzung der Gemeinschaft behindert wird. Von der Kenntnis des Grundbuchstandes kann ihr zukünftiges Handeln bestimmt sein, weil sie u.U. mit dem Gläubiger in Verhandlung treten und eine Beschränkung erreichen, bei entsprechenden wirtschaftlichen Gegebenheiten (insbesondere der Forderungshöhe) selbst dessen Befriedigung vornehmen oder – bei unberechtigter Eintragung – die Löschung voranbringen könnte.

Sie kann und muss auch nicht auf den – teureren – Weg der Auskunftsklage gegen den fraglichen Miteigentümer verwiesen werden. Eine Einschränkung des Einsichtsrechts auf Fälle, in denen die benötigte Auskunft nicht anderweitig erlangt werden kann, gibt es nach § 12 GBO nicht (OLG Karlsruhe a.a.O Rdnr. 11, OLG Braunschweig a.a.O. Rdnr. 27). Schutzwürdige Interessen des fraglichen Miteigentümers, der zunächst den Aufhebungsvertrag geschlossen hat, durch dessen – nachträgliche – Grundstücksbelastung jetzt aber dessen Vollziehung gehindert wird, sind nicht ersichtlich, zumal er bereits einmal – nämlich im Vertrag selbst – Auskunft über die damals bestehenden Belastungen gegeben hat.

Die Entscheidung über die Gerichtskosten ergeht nach § 21 GNotKG.

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