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Auslegung Vollstreckungsunterwerfungserklärung hinsichtlich eines abstrakten Schuldversprechens

LG Bamberg – Az.: 1 O 379/10 – Urteil vom 23.05.2011

1. Es wird festgestellt, dass sich der Rechtsstreit in der Hauptsache erledigt hat.

2. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.

Beschluss

Der Streitwert wird festgesetzt auf 10.000,00 € für die Zeit bis zur Zustellung der Erledigterklärung am 19.04.2011 und auf bis zu 2.500,00 € für die Zeit danach.

Tatbestand

Die Parteien streiten zuletzt noch um die Erledigung der Hauptsache, nachdem die Kläger zunächst nach § 768 ZPO beantragt hatten, die Zwangsvollstreckung durch die Beklagte aus einer mit einer Rechtsnachfolgeklausel nach § 727 ZPO versehenen notariellen Urkunde für unzulässig zu erklären.

Unter dem 16./17.02.1999 schlossen die Kläger als Darlehensnehmer mit der Fa. E. AG als Darlehensgeber einen Darlehensvertrag (Anlage K1) über eine Summe von nominal 1.620.000,00 DM (entspricht 828.292,95 €) zum Erwerb eines Grundstücks. In einer formularmäßig vereinbarten Sicherungsabrede war vereinbart:

„Der Darlehensnehmer hat der Bank an dem Beleihungsobjekt eine sofort vollstreckbare Grundschuld in vereinbarter Höhe zuzüglich 15 % p. a. Zinsen und 10 % einmalige Nebenleistung zu verschaffen sowie durch Schuldversprechen für die Zahlung eines Geldbetrages in Höhe der Grundschuld (Kapital, Zinsen und einmalige Nebenleistung) die persönliche Haftung zu übernehmen und sich darin der sofortigen Zwangsvollstreckung in sein gesamtes Vermögen zu unterwerfen. Das Schuldversprechen begründet für den Darlehensnehmer betragsmäßig keine Erweiterung der Haftung.

Die zu verschaffende Grundschuld und das abzugebende/abzutretende Schuldversprechen dienen der Sicherstellung aller Ansprüche der Bank aus diesem Darlehensverhältnis sowie aus etwaigen anderen – auch künftigen – Darlehensverhältnissen. Die Bank kann die persönliche Haftung unabhängig von der Eintragung und dem Bestand der Grundschuld sowie ohne vorherige Zwangsvollstreckung in das Beleihungsobjekt geltend machen.“

Mit notarielle Urkunde vom 17.02.1999 (Anlage K2) bestellten die Kläger zu Gunsten der Fa. E. AG die versprochene Grundschuld am Beleihungsobjekt, gaben das abstrakte Schuldversprechen ab und unterwarfen sich formularmäßig der sofortigen Zwangsvollstreckung in ihr gesamtes Vermögen (Ziffer 6.).

In der Folgezeit wurde das Darlehen notleiden, von der Fa. E. AG gekündigt und fällig gestellt. Das Beleihungsobjekt wurde verwertet, ohne dass dies zur vollständigen Rückführung der Verbindlichkeiten ausreichte.

Am 07.12.2005 erteilte die Notarin J. in C. der Beklagten hinsichtlich der notariellen Urkunde vom 17.02.1999 (Anlage K2) gemäß § 727 Abs. 1 ZPO eine Rechtsnachfolgeklausel, nachdem die Beklagte eine öffentlich beglaubigte Erklärung über die Abtretung der Rechte aus der Urkunde vorgelegt hatte. Ein Nachweis über die Übernahme der treuhänderischen Bindungen aus der Sicherungsabrede durch die Beklagte lag dagegen nicht vor.

Anschließend betrieb die Beklagte hinsichtlich einer Teilforderung von 10.000,00 € nebst Vollstreckungskosten die Zwangsvollstreckung aus dem abstrakten Schuldanerkenntnis gegen die Kläger.

Die Kläger sind der Ansicht, die Rechtsnachfolgeklausel sei zu Unrecht erteilt worden, weil die Beklagte nicht nachgewiesen habe, in die treuhänderischen Bindungen aus der Sicherungsabrede eingetreten zu sein. Dies sei nach einem Urteil des Bundesgerichtshofs vom 30.03.2010 (BGHZ 185, 133) jedoch Voraussetzung dafür, dass die Vollstreckungsunterwerfung auch zu Gunsten der Beklagten als Rechtsnachfolgerin hinsichtlich des abstrakten Schuldversprechens wirken könne. Denn eine Auslegung der formularmäßigen Vollstreckungsunterwerfungserklärung nach den schutzwürdigen beiderseitigen Interessen ergebe, dass diese nur für den Fall gelten solle, dass ein Erwerber der Sicherungsrechte auch die treuhänderische Bindung aus der Sicherungsabrede übernehme.

Die Kläger haben daher ursprünglich beantragt:

Die Zwangsvollstreckung wegen einer Teilforderung in Höhe von 10.000,00 € zuzüglich Kosten aus der notariellen Urkunde der Notarin J., C. vom 17.12.1999, URNr. 264-1999 AJ mit der Vollstreckungsklausel vom 07.12.2005 wird für unzulässig erklärt.

Mit Schriftsatz vom 04.10.2010 hat die Beklagte eine öffentlich beglaubigte Erklärung (Anlage B2) vorgelegt, nach welcher die Beklagte gegenüber den Klägern in die treuhänderische Bindung aus der Sicherungsabrede eingetreten sei.

Die Kläger haben daraufhin den Rechtsstreit für erledigt erklärt.

Die Beklagte hat sich der Erledigungserklärung nicht angeschlossen.

Sie ist der Auffassung, die Rechtsnachfolgeklausel sei von vorneherein zu Recht erteilt worden. Das Urteil im BGHZ 185, 133 entfalte keine Rückwirkung. Zudem beziehe sich dieses auf eine Grundschuldbestellung, wohingegen der Schuldner im – streitgegenständlichen – Fall eines abstrakten Schuldversprechens wegen des Ausschlusses eines gutgläubigen lastenfreien Erwerbs (§ 404 BGB) den Schutz dieser Rechtsprechung nicht bedürfe.

Die Parteien haben ihre Einwilligung zur Entscheidung im schriftlichen Verfahren erteilt, woraufhin das Gericht mit Beschluss vom 15.04.2011 (Bl. 51 f. d. A.) den 29.04.2011 als Termin bestimmt hat, bis zu dem Schriftsätze eingereicht werden konnten.

Entscheidungsgründe

Die durch die einseitig gebliebene Erledigterklärung der Kläger zulässig in eine Feststellungsklage geänderte Klage (vgl. BGH NJW 1994, 2364 juris Tz. 11 m.w.N.) ist zulässig und begründet.

I. Im Zeitpunkt der Zustellung der ursprünglichen Klauselgegenklage nach § 768 ZPO am 09.09.2010 war diese zulässig und begründet. Die Begründetheit entfiel erst nach Eintritt der Rechtshängigkeit durch die Übermittlung des Schreibens als Anlage B2 vorgelegten Schreibens der Beklagten vom 14.09.2010 an die Kläger, wodurch eine Erledigung der Hauptsache eingetreten ist.

1. Nach der Rechtsprechung des BGH (BGHZ 185, 133) muss im Klauselerteilungsverfahren bei der Titelumschreibung nach § 727 Abs. 1 ZPO die zuständige Stelle von Amts wegen prüfen, ob auch hinsichtlich der Vollstreckungsunterwerfung die behauptete Rechtsnachfolge eingetreten ist (BGH aaO Tz. 40). Ergibt eine Auslegung der Vollstreckungsunterwerfungserklärung, dass diese nur für treuhänderisch gesicherte Forderungen geltend soll (so BGH aaO Tz. 34 ff. für Ansprüche aus einer Sicherungsgrundschuld), muss auch die Übernahme der treuhänderischen Bindung durch den neuen Gläubiger in der Form des § 727 Abs. 1 ZPO nachgewiesen werden.

2. Einer bei der Bestellung einer Sicherungsgrundschuld erfolgten Vollstreckungsunterwerfung kann nach der maßgeblichen objektivierten, typischen Interessenlage nicht entnommen werden, dass sich diese auch auf eine isolierte Grundschuld erstrecken soll (BGH aaO Tz. 35). Hieran hätte der Sicherungsnehmer, der verpflichtet ist, die treuhänderische Bindung an einen Zessionar weiterzugeben, auch kein schutzwürdiges Interesse (BGH aaO Tz. 38).

Dieselben Erwägungen müssen auch für ein sicherungsweise abgegebenes abstraktes Schuldversprechen gelten, auch wenn der Schuldner in diesem Fall durch § 404 BGB umfangreicher geschützt wird als der Schuldner von Grundschuldansprüchen über §§ 1192 Abs. 1, 1157, 892 BGB. Die vom BGH (aaO Tz. 36) insoweit angeführten Nachteile bestehen im Falle eines abstrakten Schuldversprechens zwar jedenfalls nicht in demselben Umfang wie bei der Einräumung einer Grundschuld (vgl. OLG Dresden, Beschluss vom 28.09.2010, Anlage B3, Seite 10, unter Bezugsnahme auf das Rechtsgutachten des DNotI, DNotI-Report 2010, 93). Der BGH hat diese Nachteile aber auch lediglich als verstärkendes Argument („zudem“) angeführt, ohne dass es auf diese bei der Auslegung entscheidungserheblich ankommen sollte. Auch die Vollstreckungsunterwerfung hinsichtlich eines abstrakten Schuldversprechens ist daher nach der anzuwendenden „kundenfreundlichsten“ Auslegung (§ 305c Abs. 2 BGB, vgl. BGH aaO Tz. 35) so zu verstehen sein, dass nur ein treuhänderisch gebundenes Schuldversprechen tituliert sein soll. Auch wenn der Schuldner in diesem Fall besser gegen eine isolierte Abtretung geschützt ist, besteht kein Grund zur Annahme, dass er sich auch insoweit der Zwangsvollstreckung unterwerfen wollte oder die Bank hieran auch nur ein schützwürdiges Interesse haben sollte. Die Tatsache, das die Rechtsordnung den Schuldner vor einem von beiden Vertragsparteien nicht (redlicherweise) erwünschten Ergebnis schützt, kann nicht zur Begründung eines solchen aus beidseitiger Sicht unsinnigen Unterwerfungswillen herangezogen werden.

3. Im Gegensatz zur Ansicht der Beklagten (und dem Einzelrichter des OLG Dresden im Beschluss vom 28.09.2010, Anlage B3, Seite 11) wirkt das Urteil in BGHZ 185, 133 durchaus insofern auf die Klauselerteilung im Jahr 2005 zurück, als der BGH in der Entscheidung lediglich festgestellt hat, wie eine entsprechende Unterwerfungserklärung richtigerweise auszulegen ist (und auch schon immer war). Auf eine „in den letzten Jahren“ veränderte Praxis der Banken, treuhänderisch gebundene Sicherheiten an Finanzinvestoren abzutreten, stellt der BGH zwar im Rahmen der Wirksamkeitsprüfung der Unterwerfungserklärung ab (BGH aaO Tz. 28 ff.) und kommt dabei zu dem Ergebnis, dass die Unterwerfung unabhängig von insoweit geänderten tatsächlichen Verhältnissen nicht nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB unwirksam ist (BGH aaO Tz. 31). Bei der Ermittlung der – nach § 305c Abs. 2 BGB gebotenen – „kundenfreundlichsten“ Auslegung stellt der BGH dagegen gerade nicht auf insoweit geänderte tatsächliche Verhältnisse ab (BGH aaO Tz. 34 ff.). Es ist auch nicht ersichtlich, wieso die maßgebliche typische Interessenlage für die Reichweite der Unterwerfungserklärung sich dadurch ändern sollte, dass Banken die Sicherheiten tatsächlich häufiger abtreten. Wird die treuhänderische Bindung übernommen, soll die Unterwerfungserklärung fortgelten, wird die Bindung nicht übernommen, soll die Unterwerfung nicht gelten. Diese beidseitige Interessenlage ist unabhängig davon, wie oft die Forderungen in der Praxis abgetreten werden.

4. Die Notarin hätte somit bei der Klauselerteilung prüfen müssen, ob die Übernahme der treuhänderischen Bindung aus dem Sicherungsvertrag durch den Rechtsnachfolger in der Form des § 727 Abs. 1 ZPO nachgewiesen war. Da dies nicht der Fall war, wurde die Klausel zu Unrecht erteilt, was vom Schuldner mit der Klage nach § 768 ZPO geltend gemacht werden konnte (vgl. BGH aaO Tz. 39).

5. Durch Zugang der Anlage B2 bei den Klägern hat sich der Rechtsstreit in der Hauptsache erledigt. Eine zu Unrecht erteilte Klausel kann nachträglich geheilt werden. Eine bereits anhängige Klage nach § 768 ZPO ist daher abzuweisen, wenn die Klausel nachträglich gerechtfertig wird (vgl. Stein/Jonas-Münzberg, ZPO, 22. Aufl., § 768 Rn. 8 m.w.N.). Die Rechtsnachfolge am Schuldversprechen nebst Zwangsvollstreckungsunterwerfung als solche wurde bereits durch die Abtretungserklärung vom 07.02.2005 (Anlage zu Bl. 1 ff.) nachgewiesen, auch wenn sich hieraus nicht der (von der Beklagten vorgetragene) Zwischenerwerb der Firma D. ergibt. Für den Nachweis der Übernahme der Bindung aus dem Sicherungsvertrag reicht die Erklärung vom 14.09.2010 (Anlage B2) aus, in welcher die Beklagte die Einhaltung der Bindungen aus dem Sicherungsvertrag verbindlich erklärt. Insbesondere ergibt sich dabei hinreichend klar, dass die Bindung zu Gunsten der Kläger gelten soll, da ausdrücklich auf die „Pflichten gegenüber den Schuldnern“ Bezug genommen wird, hierfür nur die Kläger in Betracht kommen und die Erklärung an die Kläger gerichtet ist. Ohne Bedeutung dürfte ist dabei, ob auch die D. als Zwischenerwerber die Bindungen übernommen hat, sofern nur die aktuelle Rechtsnachfolger insoweit gebunden ist.

II. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 91 ZPO, die zur vorläufigen Vollstreckbarkeit aus § 709 ZPO.

III. Der Streitwert berechnet sich bei der einseitigen, vollständigen Erledigung im Regelfall nach den bis zur Erledigung angefallenen Kosten (BGH NJW-RR 1996, 1210 juris Tz. 5 m.w.N.). Diese belaufen sich auf ca. 2.200,00 €, wobei veranschlagt wird, dass bis zur Erledigungserklärung auf beiden Seiten jeweils 1,3-Verfahrensgebühren – auf Klägerseite zuzüglich einer 0,3-Erhöhung nach VV Nr. 1008 RVG – angefallen sind, die Beklagte zum Vorsteuerabzug berechtigt ist und darüber hinaus 3,0 Gerichtsgebühren fällig geworden sind. Dagegen sind die nach VV Nr. 3104 Abs. 1 Nr. 1 RVG anfallenden Terminsgebühren nicht vor der Erledigung entstanden. Die Festsetzung erfolgt daher auf „bis zu 2.500,00 €“, was die relevante Gebührenschwelle darstellt.

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