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Auslegung einer Handelsregisteranmeldung

KG Berlin – Az.: 22 W 53/18 – Beschluss vom 05.09.2018

Auf die sofortige Beschwerde der Beteiligten wird der Aussetzungsbeschluss des Amtsgerichts Charlottenburg vom 28. Mai 2018 aufgehoben.

Gründe

I.

Die Beteiligte ist seit dem 3. Dezember 2009 in das Handelsregister des Amtsgerichts Charlottenburg eingetragen. Sie ist durch einen Formwechsel aus der I… AG entstanden. Mit einer notariell beglaubigten und elektronisch eingereichten Anmeldung vom 5. April 2018 (UR-Nr. 142/2018 des Notars B… ) meldete die Geschäftsführerin … R… unter Bezugnahme auf eine Anmeldung vom 16. Februar 2018 an, dass Frau … … nicht mehr Geschäftsführerin ist, weil sie ihr Geschäftsführeramt niedergelegt habe. Die Anmeldung vom 16. Februar 2018 (UR-Nr. W 190/2018 des Notars W… ) betrifft die Bestellung des weiteren Geschäftsführers … K… . Die Anmeldung ist von diesem und der weiteren eingetragenen Geschäftsführerin, … K… …, unterzeichnet worden. Mit Schreiben vom 2. März 2018 erklärte der Notar W… ergänzend, dass die Anmeldung vom 16. Februar 2018 aufschiebend bedingt durch die Abbestellung der Geschäftsführerin K… … sei.

Mit einem Beschluss vom 28. Mai 2018 hat das Amtsgericht das Anmeldeverfahren ausgesetzt bis zur rechtskräftigen Erledigung der vor dem Landgericht Berlin wegen der Wirksamkeit der Gesellschafterbeschlüsse vom 30. Juni 2016 und 13. Februar 2018 geführten Zivilprozesse. Bis zur Entscheidung sei unklar, ob die anmeldende Geschäftsführerin allein vertreten könne.

Gegen diesen Beschluss hat die Beteiligte mit einem Schreiben vom 29. Mai 2018 durch ihren Verfahrensbevollmächtigten und mit Schreiben vom 6. Juni 2018 durch den Notar Rechtsmittel eingelegt. Auf die Beschlüsse vom 30. Juni 2016 und 13. Februar 2018 komme es nicht an. Diese Anmeldung komplettiere nur die Anmeldung der Frau K… … vom 16. Februar 2018. Der Aussetzungsbeschluss sei auch zu beanstanden, weil die Prozesse konkret benannt werden müssten. Auch fehle es am Nachweis der Rechtshängigkeit. Die Klagen könnten auch keinen Erfolg haben, weil die Anfechtungsfrist nicht gewahrt sei. Das Amtsgericht hat dem Rechtsmittel nicht abgeholfen und die Sache dem Senat mit einem Beschluss vom 2. Juli 2018 zur Entscheidung vorgelegt. Im Rahmen der weiteren Begründung des Rechtsmittels hat die Beteiligte weiter geltend gemacht, dass die Amtsniederlegung durch Frau K… … jedenfalls im Rahmen einer Erörterung in einer mündlichen Verhandlung am 8. März 2018 vor der KfH 93 des Landgerichts Berlin zwischen den dortigen Beteiligten unstreitig war. Dies ergäbe sich dann auch aus einer Folgeanmeldung vom 8. März 2018, nach der der Sohn des Herrn K… nunmehr zum Geschäftsführer bestellt sei, und der weiteren Anmeldung vom 19. April 2018 (UR-NR. W 404/2018 des Notars … W…), mit der eine vorsorgliche Wiederbestellung angemeldet wird. Im Übrigen sei das Registergericht und damit auch der Senat an die Gesellschafterbeschlüsse vom 26. Januar und 13. Februar 2018 gebunden, mit denen die Abberufung der Geschäftsführerin K… … aus wichtigem Grund beschlossen worden seien. Dies gelte auch für den Beschluss vom 30. Juni 2016. Dass das Landgericht diesen für nichtig erklärt habe, schade nicht, weil gegen die das Urteil das Landgericht bestätigende Entscheidung des 14. Zivilsenats des Kammergerichts Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt worden sei.

II.

1. Die sofortige Beschwerde der Beteiligten, die sowohl durch Rechtsanwalt P… mit Schreiben vom 29. Mai 2018 und durch den beglaubigenden Notar mit Schreiben vom 6. Juni 2018 eingelegt worden ist, ist nach § 21 Abs. 2 FamFG statthaft und auch im Übrigen zulässig. Die Beschwerdefrist von zwei Wochen nach § 569 Abs. 1 Satz 1 ZPO ist gewahrt. Die Beteiligte ist durch die Aussetzung der Anmeldung nach § 59 Abs. 1 FamFG beschwert, weil die nach ihrer Ansicht notwendige Eintragung, die ihre gesetzliche Vertretung betrifft, derzeit nicht vollzogen wird. Sie kann insoweit für dieses Verfahren auch von der Geschäftsführerin R … allein vertreten werden, weil die Frage des Vorhandenseins eines weiteren Geschäftsführers, die zu einer notwendigen gemeinschaftlichen Vertretung führen würde, eine doppelrelevante Tatsachen darstellt, die für die Frage der Zulässigkeit des Rechtsmittels zunächst im Sinne der Beschwerdeführerin zu entscheiden ist.

2. Die Beschwerde ist auch begründet. Nach § 21 Abs. 1 FamFG kann das Gericht ein Verfahren aus wichtigem Grund aussetzen, wenn die Entscheidung von dem Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses abhängig ist. Nach dem im Registerverfahren geltenden § 381 Satz 1 FamFG ist dabei anders als im Rahmen des § 21 Abs. 1 FamFG nicht erforderlich, dass die Frage des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses bereits Gegenstand eines anhängigen Verfahren ist. Eine Aussetzung kommt aber nur dann in Betracht, wenn das streitige Rechtsverhältnis auch vorgreiflich ist. Diese Voraussetzungen sind hier nicht gegeben.

Aufgrund der Vertretungsregelung der Beteiligten in § 7 der Satzung, nach der die Gesellschaft bei mehreren Geschäftsführern von zwei Geschäftsführern vertreten wird, wäre zwar für die vom Registergericht zu prüfende Frage der Anmeldebefugnis bedeutsam, ob und welche weiteren Geschäftsführer vorhanden sind. Hier fehlt es aber schon an einem Anmeldegrund, der auch nach § 39 Abs. 2 GmbHG nachzuweisen wäre. Die Anmeldung ist aus diesem Grund zurückweisungsreif, weil auch die Beibringung eines solchen Nachweises nicht möglich ist.

a) Die angemeldete Amtsniederlegung ergibt sich entgegen der Auffassung der Beteiligten nicht aus der Anmeldung vom 16. Februar 2018.

Allerdings kann eine Anmeldung auch materiell-rechtliche Willenserklärungen, wie eine Amtsniederlegung enthalten (vgl. BGH, Urteil vom 13. Mai 1985 – II ZR 196/84 -, juris Rdn. 9; Urteil vom 17. September 1984 – II ZR 208/83 -, juris Rdn. 12). Eine solche Erklärung ergibt sich gleichwohl nicht aus dem Anmeldeschreiben vom 16. Februar 2018. Denn eine ausdrückliche Erklärung über eine Amtsniederlegung ist dem Anmeldetext nicht zu entnehmen. Eine Amtsniederlegung ergibt sich auch nicht durch Auslegung. Auch eine Anmeldung ist allerdings der Auslegung zugänglich (vgl. Ebenroth/Boujong/Schaub, HGB, 3. Aufl., § 12 Rdn. 37; Münchener Kommentar zum HGB/ Krafka, 4. Aufl., § 12 Rdn. 8; Röhricht/Westphalen/Ries, HGB, 4. Aufl., § 12 Rdn. 3; Schmidt-Kessel/Leutner/Müther, Handelsregisterrecht, 2010, § 12 HGB Rdn. 13). Bei dieser Auslegung ist aber zu berücksichtigen, dass eine an das Registergericht gerichtete Anmeldung Grundlage einer Eintragung sein soll und damit wegen des Publizitätsgrundsatzes des Registers klar und eindeutig sein muss (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 02. Juli 1997 – 3 Wx 94/97 -, juris Rdn. 14; BayObLG, Beschluss vom 22. Februar 1985 – BReg 3 Z 16/85 -, juris; Beschluß vom 1. Dezember 1977 – BReg. 3 Z 127/77, MittBayNot 1978, 17; Ebenroth/Boujong/Schaub, HGB, 3. Aufl., § 12 Rdn. 37; Röhricht/Westphalen/Ries, HGB, 4. Aufl., § 12 Rdn. 4; Schmidt-Kessel/ Leutner/Müther, Handelsregisterrecht, 2010, § 12 HGB Rdn. 13). Danach kann hier nicht von einer Amtsniederlegung ausgegangen werden. Denn im gesamten Text ist von einer Niederlegung des Geschäftsführeramtes nicht die Rede. Die Geschäftsführerin K… … hat vielmehr die Anmeldung noch selbst unterzeichnet. Hätte sie ihr Amt niedergelegt, wäre sie zu einer Anmeldung nicht mehr befugt gewesen, weil die Anmeldung durch (nur) die Geschäftsführer zu erfolgen hat. Ob die Bestellung eines weiteren Geschäftsführers durch den Gesellschafter K… im Rahmen seines Sonderbestellungsrechts möglich ist oder ob ihm nur das Recht auf Bestellung eines Geschäftsführers zusteht, was nahe liegt, führt nicht zwingend zu der Annahme, dass die zuvor bestellte Geschäftsführerin ihre Organstellung verlieren soll. Dass die Anmeldung keine Erklärung über eine Amtsniederlegung der Frau K… … enthält, wird letztlich auch durch die ergänzende Erklärung des beglaubigenden Notars vom 2. März 2018 bestätigt, ohne dass diese wegen der zeitlichen Abfolge unmittelbar zur Auslegung herangezogen werden könnte. Denn danach steht die Anmeldung vom 16. Februar 2018 unter der aufschiebenden Bedingung der Abberufung der Frau K… … . Aus den genannten Gründen ergibt sich nichts anderes aus den Anmeldungen vom 8. März und 9. April 2018.

b) Die Beteiligte kann sich schließlich auch nicht darauf berufen, dass die Amtsniederlegung der Frau K… … unstreitig sei. Unabhängig von der Frage, ob dies der Fall ist, ist der Beendigungsgrund nach § 39 Abs. 2 GmbHG durch eine schriftlich niedergelegte Erklärung oder eine andere Beweisurkunde nachzuweisen. An einer solchen Erklärung fehlt es. Von dieser Voraussetzung kann auch nicht abgewichen werden (vgl. OLG Frankfurt, Beschluss vom 19. März 2015, 20 W 327/14, juris Rdn. 30; Palandt/Ellenberger, BGB, 77. Aufl., § 67 Rdn. 1). Denn die Nachweiserfordernisse dienen der Rechtssicherheit. Durch sie soll sichergestellt werden, dass nur zutreffende Tatsachen in das Register eingetragen werden. Insoweit kommen auch keine weiteren Ermittlungen von Amts wegen in Betracht. Soweit sich die Beteiligte im Beschwerdeverfahren auf weitere Abberufungsbeschlüsse berufen will, sind diese nicht Gegenstand der Anmeldung vom 5. April 2018. Soweit die Beteiligte schließlich mit dem Schreiben vom 21. August 2018 geltend macht, Frau K… sei niemals Geschäftsführerin gewesen, weil sie dem Gesellschafter … K… umfassende Vollmacht erteilt habe, unterfällt dies grundsätzlich keinem Anmeldetatbestand, sondern könnte allenfalls nach § 395 FamFG zur Einleitung eines Amtslöschungsverfahrens führen. Die vertretene Auffassung dürfte aber auch unrichtig sein, weil die Bestellung zur Geschäftsführerin wegen der gesellschaftsvertraglichen Regelungen tatsächlich gewollt war (vgl. dazu BGH, Beschluss vom 04. April 2007 – III ZR 197/06 -, juris Rdn. 4; Palandt/Ellenberger, BGB, 77. Aufl., § 117 Rdn. 5), so dass mehr für eine Unwirksamkeit der erteilten Vollmacht spricht (vgl. dazu BGH, Urteil vom 18. Juli 2002 – III ZR 124/01 -, juris Rdn. 6; BGH, Urteil vom 18. Oktober 1976 – II ZR 9/75 -, juris; Baumbach/Hueck/Zöllner/Noack, GmbHG, 21. Aufl., § 35 Rdn. 76).

c) Nach alldem kommt es nicht mehr darauf an, ob die vor dem Landgericht anhängigen Rechtsstreitigkeiten im Aussetzungsbeschluss zu bezeichnen waren, was allerdings jedenfalls zu Klarstellung nicht geschadet hätte.

3. Eine Kostenentscheidung ist nicht zu treffen. Eine Verpflichtung zur Tragung von Gerichtskosten ergibt sich nicht, eine Kostenerstattung kommt nicht in Betracht. Gründe, die Rechtsbeschwerde zuzulassen, sind nicht ersichtlich.

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