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Aufgebotsverfahren –  Kraftloserklärung Grundschuldbrief

OLG Köln – Beschluss vom 15.02.2017 – Az.: I-2 Wx 19/17

Auf die Beschwerde der Beteiligten zu 1) vom 09.01.2017 wird der am 19.12.2016 erlassene Beschluss des Rechtspflegers des Amtsgerichts Köln vom 16.12.2016, 378 II 154/15, aufgehoben und der Antrag des Beteiligten zu 2) vom 30.11.2016 auf Aufhebung des Ausschließungsbeschlusses vom 10.02.2016 zurückgewiesen.

Von der Erhebung von Gerichtskosten für das Beschwerdeverfahren wird abgesehen. Eine Kostenerstattung findet nicht statt.

Gründe

I.

Die Beteiligte zu 1) war Eigentümerin des im Grundbuch des Amtsgerichts L eingetragenen Grundbesitzes. Die im Rubrum bezeichnete Grundschuld ist am 26.02.1999 auf den Namen der Beteiligten zu 1) eingetragen worden.

Am 05.10.2015 hat die Beteiligte zu 1) zur Niederschrift des Amtsgerichts L Aufgebot und Kraftloserklärung des Grundschuldbriefes der im Rubrum bezeichneten Eigentümergrundschuld sowie Erlass eines Ausschließungsbeschlusses beantragt (Bl. 1 d. A.). Zur Begründung hat sie ausgeführt, dass sie nicht wisse, ob sie jemals diesen Grundschuldbrief erhalten habe und wenn ja, wo er sich befinden könnte. Ihres Wissens nach sei die Urkunde weder abgetreten, noch ge- oder verpfändet noch einem anderen übergeben worden.

Durch am 08.12.2015 erlassenen Beschluss vom 18.11.2015 hat das Amtsgericht den Grundschuldbrief antragsgemäß aufgeboten (Bl. 18, 24 d. A.). Das Aufgebot ist an der Gerichtstafel und im Bundesanzeiger bekannt gemacht worden. Durch am 10.02.2016 erlassenen Ausschließungsbeschluss vom 05.02.2016 hat das Amtsgericht den Grundschuldbrief der im Rubrum bezeichneten Eigentümergrundschuld für kraftlos erklärt (Bl. 25 d. A.). Der Beschluss ist am 29.03.2016 öffentlich zugestellt worden.

Am 19.05.2016 ist die im Rubrum bezeichnete Grundschuld im Grundbuch gelöscht worden.

Mit Schreiben vom 22.11.2016 hat der Beteiligte zu 2) das Amtsgericht um Erläuterung gebeten, warum die Grundschuld gelöscht worden ist, und u.a. Kopien des Grundschuldbriefes und einer Abtretungserklärung der Beteiligten zu 1) vom 10.07.1998 bezüglich der im Rubrum bezeichneten Eigentümergrundschuld an den Beteiligten zu 2) vorgelegt (Bl. 36 ff. d. A.).

Am 30.11.2016 hat der Beteiligte zu 2) zur Niederschrift des Amtsgerichts die Aufhebung des am 10.02.2016 erlassenen Beschlusses vom 05.02.2016 gem. § 48 FamFG beantragt (Bl. 47 f. d. A.). Zur Begründung hat er vorgetragen, dass ihm die Grundschuld von der Beteiligten zu 1) am 10.07.1998 abgetreten und der Grundschuldbrief übergeben worden sei. Ihm stehe noch eine Restforderung in Höhe von 50.000,00 € gegen die Beteiligte zu 1) zu. Noch im Februar 2016 sei die Beteiligte zu 1) zur Rückzahlung aufgefordert worden.

Mit anwaltlichem Schriftsatz vom 05.12.2016, auf dessen Inhalt Bezug genommen wird, hat der Beteiligte zu 2) Beschwerde gegen den am 10.02.2016 erlassenen Ausschließungsbeschluss eingelegt und Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt (Bl. 54 ff. d. A.).

Am 08.12.2016 ist als Rechtsnachfolger der Beteiligten zu 1) ein neuer Eigentümer des im Grundbuch des Amtsgerichts L eingetragenen Grundbesitzes eingetragen worden.

Durch am 19.12.2016 erlassenen Beschluss vom 16.12.2016 hat das Amtsgericht den am 10.02.2016 erlassenen Ausschließungsbeschluss gem. § 48 Abs. 1 FamFG aufgehoben, weil die tatsächliche Sachlage von der zum Zeitpunkt des Erlasses des Beschlusses am 10.02.2016 angenommenen Sachlage abweiche (Bl. 129 f. d. A.).

Gegen diesen der Beteiligten zu 1) am 22.12.2016 zugestellten Beschluss hat diese mit am 09.01.2017 beim Amtsgericht L eingegangenen Schriftsatz vom selben Tag Beschwerde eingelegt (Bl. 137 ff. d. A.). Bezüglich der Einzelheiten ihres Vorbringens wird auf den Inhalt des Schriftsatzes vom 09.01.2017 Bezug genommen.

Durch Beschluss vom 25.01.2017 hat das Amtsgericht der Beschwerde nicht abgeholfen und die Sache dem Oberlandesgericht Köln zur Entscheidung vorgelegt (Bl. 145 d. A.).

II.

Die Beschwerde ist gem. § 58 Abs. 1 FamFG statthaft (vgl. Schulte-Bunert/Weinreich/Oberheim, FamFG, 5. Aufl. 2016, § 48 Rn. 28) und auch im Übrigen zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt worden (§§ 63 Abs. 1, Abs. 3 S. 1, 64 Abs. 1, Abs. 2 FamFG).

Die Beschwerde hat auch in der Sache Erfolg. Die Voraussetzungen einer Aufhebung des Ausschließungsbeschlusses vom 10.02.2016 gem. § 48 Abs. 1 FamFG liegen nicht vor.

Es ist bereits zweifelhaft, ob sich im vorliegenden Fall die Sach- und Rechtslage nachträglich im Sinne von § 48 Abs. 1 FamFG, d.h. nach Erlass des Ausschließungsbeschlusses am 10.02.2016 geändert hat. Denn der Grundschuldbrief ist weder abhanden gekommen oder vernichtet worden (§ 1162 BGB). Er befand sich zunächst im Besitz der Beteiligten zu 1) und später im Besitz des Beteiligten zu 2). Die Beteiligte zu 1) hatte vor Erlass des Beschlusses lediglich behauptet, sie wisse nicht, wo sich der Grundschuldbrief befinde; nach Erlass des Beschlusses ist dann der Verbleib des Grundschuldbriefes durch den Beteiligten zu 2) aufgeklärt worden. Ob aber Tatsachen eine Änderung gem. § 48 Abs. 1 FamFG rechtfertigen können, die bereits vor Erlass des Beschlusses vorlagen, dem Gericht und den Beteiligten aber erst später bekannt wurden, ist fraglich, insbesondere dann, wenn auch ein rechtsmissbräuchliches Verschweigen wesentlicher Umstände in Betracht kommt (vgl. Keidel/Engelhardt, FamFG, 19. Aufl. 2017, § 48 Rn. 14; Schulte-Bunert/Weinreich/Oberheim, FamFG, 5. Aufl. 2016, § 48 Rn. 15). Dies kann hier aber offen bleiben.

Denn eine Aufhebung des Ausschließungsbeschlusses gem. § 48 Abs. 1 FamFG muss hier schon deshalb ausscheiden, weil ein Ausschließungsbeschluss gem. §§ 439, 478 FamFG, 1162 BGB keine Entscheidung mit Dauerwirkung ist. Eine Entscheidung mit Dauerwirkung liegt vor, wenn ihre Rechtsfolgen nicht zu einem bestimmten Zeitpunkt, sondern während eines bestimmten Zeitraums eintreten (Keidel/Engelhardt, FamFG, 19. Aufl. 2017, § 48 Rn. 14). Dauerwirkungen in diesem Sinne ergeben sich z.B. bei Vormundschaften und Pflegschaften, bei der elterlichen Gewalt, bei der Testamentsvollstreckung oder der Zuweisung einer Ehewohnung (Schulte-Bunert/Weinreich/Oberheim, FamFG, 5. Aufl. 2016, § 48 Rn. 10; Keidel/Engelhardt, FamFG, 19. Aufl. 2017, § 48 Rn. 6). Die Rechtsfolgen eines Ausschließungsbeschlusses in einem Aufgebotsverfahren treten dagegen zu einem bestimmten Zeitpunkt ein. Dementsprechend wird in § 439 Abs. 4 S. 2 FamFG auch nur auf das Wiederaufnahmeverfahren gem. § 48 Abs. 2 FamFG verwiesen, nicht aber auf eine Aufhebung von Endentscheidungen mit Dauerwirkung im Sinne von § 48 Abs. 1 FamFG (vgl. auch Keidel/Zimmermann, FamFG, 19. Aufl. 2017, § 439 Rn. 10; Schulte-Bunert/Weinreich/Schick, FamFG, 5. Aufl. 2016, § 439 Rn. 14-16). Hierfür spricht im Übrigen auch, dass das Aufgebotsverfahren bis zum Jahre 2009 in der ZPO geregelt war, die eine Wiederaufnahme nur im Sinne von § 48 Abs. 2 FamFG vorsah. Dafür, dass der Gesetzgeber mit der Einfügung des Aufgebotsverfahrens in das FamFG im Jahre 2009 beabsichtigt haben könnte, auch nachträgliche Änderungen eines Ausschließungsbeschlusses gem. § 48 Abs. 1 FamFG zuzulassen, ist kein Anhaltspunkt ersichtlich. § 439 Abs. 4 S. 2 FamFG spricht vielmehr dagegen.

Eine Aufhebung des Ausschließungsbeschlusses gem. § 48 Abs. 1 FamFG scheidet daher aus. Allerdings hat das Amtsgericht bislang weder über die Abhilfe der eingelegten (vorrangigen) Beschwerde des Beteiligten zu 2) entschieden noch über eine etwaige (subsidiäre) Wiederaufnahme gem. § 48 Abs. 2 FamFG. Insoweit wird auch zu berücksichtigen sein, dass die Grundschuld im Grundbuch zwischenzeitlich gelöscht und das Eigentum am Grundstück umgeschrieben worden ist.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 81 Abs. 1 S. 1, 2 FamFG.

Die Rechtsbeschwerde ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen nicht vorliegen (§ 70 Abs. 2 FamFG).

IV.

Auch wenn es im vorliegenden Beschwerdeverfahren nicht darauf ankommt, weist der Senat darauf hin, dass der in der Akte befindliche unterschriebene und am 19.12.2016 erlassene Originalbeschluss (Bl. 129 d. A.) nicht mit der an die Beteiligten versandten Abschrift dieses Beschlusses (Bl. 132 d. A.) übereinstimmt. Die fehlende Übereinstimmung betrifft zwar offenbar „nur“ die Bezeichnung „Berichtigungsbeschluss“ statt „Beschluss“, ist aber – auch für weitere Verfahren – in keinem Fall zu akzeptieren. Schließlich handelt es sich um einen Beurkundungsvorgang.

 

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