OLG Düsseldorf – Az.: I-3 Wx 153/15 – Beschluss vom 10.08.2016
Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
Das Amtsgericht wird angewiesen, den Antrag der Beteiligten auf Kraftloserklärung des im Beschlusseingang bezeichneten Grundschuldbriefes nicht aus den im aufgehobenen Beschluss genannten Gründen zurückzuweisen.
Beschwerdewert: bis 7.000 EUR
Gründe
I.
Die Beteiligte ist Eigentümerin des im Beschlusseingang genannten Grundbesitzes.
Im Grundbuch ist die näher bezeichnete Briefgrundschuld in Höhe von 136.500 DM zugunsten der Stadt-Sparkasse A … (heute: Sparkasse B … ) eingetragen aufgrund Bewilligung vom 10. Nov. 1972. Mithaft besteht in A … Blatt 12130.
Der Grundschuldbrief wurde am 15. Dez. 1972 an die Gläubigerin übersandt.
Mit notariell beurkundeter Erklärung vom 15. Jan. 2015 versicherte die Beteiligte an Eides statt, die Gläubigerin habe den Grundpfandrechtsbrief sowie die in grundbuchmäßiger Form erteilte Löschungsbewilligung übersandt. Die Ersatzlöschungsbewilligung vom 15. Okt. 2014 liege ihr vor. Den Grundpfandrechtsbrief habe sie jedoch nicht mehr auffinden können. Er befinde sich auch nicht bei ihren Unterlagen. Durch das Grundpfandrecht sei keine Forderung mehr gesichert. Auch sei es weder ge- noch verpfändet, noch abgetreten.
Es werde die Einleitung eines Aufgebotsverfahrens zum Zwecke der Kraftloserklärung des Grundpfandrechtsbriefes beantragt.
Das Amtsgericht bat um Mitteilung der näheren – auch zeitlichen – Umstände des Verlustes und der zur Auffindung unternommenen Maßnahmen sowie um Mitteilung, ob die Beteiligte je in den Besitz des Briefes gekommen oder ob er bei der Gläubigerin verloren gegangen sei.
Die Beteiligte wies darauf hin, dass nach ihrer eidesstattlichen Versicherung die Gläubigerin den Brief und die Löschungsbewilligung übersandt habe, der Brief also nicht bei der Gläubigerin verloren gegangen sei. Der Zeitraum des Verlustes könne auf den Zeitraum vom 12. Juli 1994 bis zum 15. Jan. 2015 eingegrenzt werden, weil davon auszugehen sei, dass die Gläubigerin den Brief nicht vor Erteilung der ursprünglichen Löschungsbewilligung übersandt habe.
Das Amtsgericht erwiderte, aus der eidesstattlichen Versicherung der Beteiligten ergebe sich lediglich, dass die Gläubigerin den Brief und die Löschungsbewilligung übersandt habe, nicht hingegen wann und an wen. Ebensowenig sei ersichtlich, aus welchen Gründen der Brief nicht mehr auffindbar bzw. wo er verloren gegangen sei. Die Praxis zeige, dass abhanden gekommene Schriftstücke oft auf nicht mehr nachvollziehbaren Wegen an die in den Schriftstücken (genannten) Berechtigten gelangt seien. Das Gericht müsse von Amts wegen ermitteln, ob und dass der Brief tatsächlich unauffindbar sei. Zu diesem Zweck werde eine aktuelle Erklärung der eingetragenen Gläubigerin für unerlässlich erachtet, dass sie nicht mehr im Besitz des Briefes sei und auch keine weiteren Angaben zum Verbleib machen könne. Primär antragsberechtigt sei die eingetragene Gläubigerin. Die Tatsache, dass das Darlehen zurückgezahlt wurde, sei ohne die Erklärung der Gläubigerin nicht schlüssig. Es werde um eine privatschriftliche Erklärung der Gläubigerin bzgl. des Verlustes des Briefes gebeten.
Die Beteiligte bat um eine rechtsmittelfähige Entscheidung. Ihr sei unverständlich, auf welcher Rechtsgrundlage das Amtsgericht eine Erklärung der eingetragenen Gläubigerin verlange.
Daraufhin hat das Amtsgericht mit dem angefochtenen Beschluss den Antrag der Beteiligten zurückgewiesen. Im Rahmen der Pflicht zur Amtsermittlung stehe es außer Frage zu verlangen, eine Erklärung des eingetragenen Grundpfandrechtsgläubigers vorzulegen. Aus dem gleichen Grund werde in aller Regel auch vom Gericht durch Einsichtnahme in die Grundakte geprüft, ob der Brief dort hingelangt sei.
Mit ihrer Beschwerde macht die Beteiligte geltend, sie sei ihrer Mitwirkungspflicht umfassend nachgekommen und habe durch ihre eigene eidesstattliche Versicherung glaubhaft gemacht, dass der Brief bei ihr selbst verloren gegangen sei.
Die Vermutung, die Gläubigerin könne den Brief zurückerlangt haben, liege neben der Sache, sei rein hypothetisch und höchst unwahrscheinlich, zumal angesichts der Ersatzlöschungsbewilligung.
Zudem sei sie – die Beteiligte – im Rahmen ihrer Mitwirkungspflicht nur verpflichtet, ihre Berechtigung und den Verlust der Urkunde glaubhaft zu machen, nicht hingegen, eidesstattliche Versicherungen anderer Personen beizubringen.
Das Amtsgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen und sie dem Senat zur Entscheidung vorgelegt hat
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.
II.
Die gem. § 58 Abs. 1 FamFG statthafte und auch im übrigen zulässige Beschwerde der Beteiligten hat in der Sache Erfolg.
Die Beteiligte ist gem. § 467 Abs. 2 FamFG antragsberechtigt. Als Eigentümerin, der die Gläubigerin der Grundschuld eine Löschungsbewilligung erteilt hat, ist sie jedenfalls in gewillkürter Prozessstandschaft berechtigt, das Aufgebot zur Kraftloserklärung des Grundschuldbriefes zu beantragen. In der Überlassung der Löschungsbewilligung durch den Grundschuldgläubiger liegt das Einverständnis, mit der Grundschuld nach Belieben zu verfahren, erforderlichenfalls auch das Aufgebotsverfahren zu betreiben (Senat, FGPrax 2013, 134 m.N.).
Die Beteiligte hat ihren Antrag den Anforderungen des § 468 FamFG entsprechend und ordnungsgemäß begründet, insbesondere den Verlust des Grundschuldbriefes glaubhaft gemacht, § 31 FamFG, und die Wahrheit ihrer diesbezüglichen Angaben an Eides statt versichert, § 468 Nr. 2 und 3 FamFG.
Ein Verlust der Urkunde ist gegeben, wenn die Urkunde vernichtet oder abhanden gekommen ist. Abhanden gekommen ist eine Urkunde, wenn der Inhaber den Besitz daran so verloren hat, dass er nicht mehr auf sie zugreifen bzw. sie nicht mehr erlangen kann (vgl. KG MDR 2015, 326).
Hier befand sich der Grundschuldbrief nach den an Eides statt versicherten Angaben der Beteiligten zuletzt in ihrer Hand. Sie hat erklärt, dass die Gläubigerin ihr den Brief mit der Löschungsbewilligung übersandt hat und dass sie ihn nicht mehr in Besitz hat und ihn auch nicht hat auffinden können.
Damit hat sie glaubhaft gemacht, dass sie den Besitz am Brief so verloren hat, dass sie nicht mehr auf ihn zugreifen bzw. ihn nicht mehr erlangen kann.
Eine Erklärung des eingetragenen Grundschuldgläubigers, dass – auch – er nicht im Besitz des Grundschuldbriefes ist und nicht über weitere Erkenntnisse verfügt, kann das Amtsgericht von der Beteiligten nicht verlangen.
Der Senat hält es für fraglich, dass es in der Praxis tatsächlich so ist, dass abhandengekommene Grundschuldbriefe oft an die in ihnen genannten Berechtigten gelangen, wie es das Amtsgericht meint. Daher dürfte die vorstehende Erklärung des eingetragenen Grundschuldgläubigers regelmäßig nicht erforderlich sein.
Das mag jedoch letztlich dahinstehen.
Denn hier ist eine solche Erklärung bereits nicht angezeigt, weil – wie die Beteiligte mit Recht betont – die eingetragene Gläubigerin wohl kaum eine Ersatzlöschungsbewilligung erteilt hätte, wenn sie (noch oder wieder) im Besitz des Grundschuldbriefes gewesen wäre.
Daher kann auch die weitere Frage dahinstehen, ob die Vorlage einer solchen Erklärung, wenn sie denn für erforderlich gehalten wird, von dem Antragsteller verlangt werden kann oder ob sie nicht – wofür mehr sprechen dürfte – das Amtsgericht selbst im Wege der Amtsermittlung einzuholen hätte.
Eine Kostenentscheidung ist bei Aufhebung und Zurückverweisung nicht veranlasst.
Den Gegenstandswert veranschlagt der Senat mit ca. 10% des Nennbetrags der Grundschuld.