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Anwendbarkeit § 50 ZVG auf nicht valutierte Grundschulden

KG Berlin – Az.: 2 U 125/15 – Urteil vom 24.10.2019

Auf die Berufung der Kläger wird das Urteil der Zivilkammer 2 des Landgerichts vom 13. Juli 2015 – 2 O 420/14 – teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Die Klage und die Widerklage werden abgewiesen.

Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

Die Anschlussberufung der Beklagten wird zurückgewiesen.

Von den Kosten des Rechtsstreits haben die Kläger 19 % und die Beklagten 81 % zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Parteien dürfen die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Gegenseite vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des beizutreibenden Betrages leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

I.

Die Kläger und Widerbeklagten (im Folgenden: Kläger) sowie die Beklagten und Widerkläger (im Folgenden: Beklagten) sind Gesellschafter einer in Liquidation befindlichen Gesellschaft bürgerlichen Rechts (im Folgenden: Alt-GbR). Diese war Eigentümerin des Wohn- und Geschäftshauses in der K…straße # / F…straße # in Berlin-Schöneberg. Durch Zuschlag in der Teilungsversteigerung erwarb die aus den beiden Klägern als alleinige Gesellschafter bestehende GbR (nachfolgend: Ersteher-GbR) das Grundstück für ein Bargebot von 3.180.000,00 €, wobei die im Grundbuch noch enthaltenen Grundpfandrechte in Höhe von insgesamt 1.533.875,64 € als Teil des geringsten Gebots bestehen blieben. Das Amtsgericht Schöneberg hinterlegte den Versteigerungserlös in Höhe von 3.188,166,14 € beim Amtsgericht Tiergarten, nachdem sich die Parteien im Verteilungstermin über die Verteilung des Versteigerungserlöses nicht verständigen konnten.

Bezüglich der beiden hier allein streitigen und in Abt. III unter Nr. 5 (… Lebensversicherung AG, Briefgrundschuld in Höhe von 409.033,50 €) und Nr. 6 (… Volksbank e. G., Grundschuld in Höhe von 204.516,75 €) eingetragenen Grundpfandrechte waren der Alt-GbR bereits vor der Versteigerung die Löschungsbewilligungen und der Grundschuldbrief erteilt worden, wobei sich diese Dokumente im Besitz des Beklagten zu 1. befinden.

Mit ihrer Klage begehren die Kläger als Gesellschafter der Alt-GbR zum einen die Hinterlegung der beiden Löschungsbewilligungen sowie des Grundschuldbriefs für die Alt-GbR bei der Hinterlegungsstelle des Amtsgerichts Tiergarten. Darüber hinaus verfolgen sie mit der Zahlung von Zinsen in Höhe von jeweils 70.750,63 € (insgesamt also 141.501,26 €) einen eigenen Anspruch als Gesellschafter der Alt-GbR.

Die Beklagten machen widerklagend gegen die Kläger als Gesellschafter der Ersteher-GbR die Zahlung von 613.550,25 € nebst Zinsen an die Alt-GbR Zug um Zug gegen Herausgabe der vorgenannten Löschungsbewilligungen und des Grundschuldbriefes geltend.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen und der Widerklage stattgegeben. Es hat hierzu im Wesentlichen Folgendes ausgeführt:

Hinsichtlich der begehrten Hinterlegung der Löschungsbewilligungen und des Grundschuldbriefs fehle es bereits an einer Anspruchsgrundlage. Im Falle einer Verletzung des anzunehmenden gesamthänderischen Mitbesitzes komme eine Hinterlegung nicht in Betracht. Im Übrigen sei von den Klägern aber auch schon das Vorliegen einer verbotenen Eigenmacht im Sinne des § 863 BGB nicht geltend gemacht worden.

Den Klägern stehe auch kein Anspruch auf Zahlung von Zinsen zu. Eine analoge Anwendung des § 288 Abs. 1 S. 1 BGB komme nicht in Betracht, da die Beklagten schon nicht zu der Abgabe einer entsprechenden Freigabeerklärung aufgefordert worden seien. Diesem Vortrag der Beklagten seien die Kläger nicht entgegengetreten, so dass diese Tatsache gemäß § 138 Abs. 3 ZPO als zugestanden gelte. Im Übrigen aber sei eine Freigabeerklärung auch nicht geschuldet, da der Anspruch auf Zahlung des hinterlegten Betrages im Rahmen der Gesamtauseinandersetzung abzuwickeln sei.

Die Widerklage sei zulässig und begründet. Der Anspruch der Beklagten ergebe sich aus einer analogen Anwendung des § 50 Abs. 2 Nr. 1 ZVG. Zweck dieser Vorschrift sei die Erhöhung der Zahlungspflicht des Erstehers mit dem Wegfall eines bei Feststellung des geringsten Gebots noch berücksichtigten Grundpfandrechts. Wenn das Grundstück für eine solche Belastung nicht hafte, unter anderem weil diese aufgrund einer auflösenden Bedingung fortgefallen sei, könne der Vorteil hieraus nicht dem Ersteher zugutekommen. Andernfalls wäre der Ersteher mit dem Eigentumsübergang zu einem geminderten Erwerbspreis bereichert. Es liege hier auch eine planwidrige Regelungslücke vor. Habe ein Grundstücksgläubiger im Zeitpunkt der Versteigerung bereits eine Löschungsbewilligung erteilt, liege diese in der Regel dem Grundstückseigentümer vor, der vor dem Zuschlag für eine Löschung sorge. Tue er dies nicht, werde er die Bewilligung dem Ersteher nur aushändigen, wenn dieser dafür und damit auch als Ausgleich für das niedrigere Bargebot eine Gegenleistung entrichte.

Wegen der tatsächlichen Feststellungen erster Instanz einschließlich der dort von den Parteien gestellten Anträge sowie des Urteilstenors und der Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils wird auf das am 13. Juli 2015 verkündete Urteil der Zivilkammer 2 des Landgerichts Berlin – 2 O 420/14 – Bezug genommen.

Die Kläger verfolgen sowohl hinsichtlich der Klage als auch der Widerklage das in erster Instanz geltend gemachte Begehren mit der am 20. August 2015 eingelegten und nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 20. Oktober 2015 am 16. Oktober 2015 begründeten Berufung weiter und führen dabei im Kern Folgendes aus:

Der Hinterlegungsanspruch bestehe. Die Ersteher-GbR habe ihnen, den Klägern, den Betrag für die Ablösung der im Antrag zu 1. benannten Grundschulden übergeben; dieses Geld würde nun von den Klägern in ihrer Eigenschaft als Gesellschafter der Alt-GbR für diese verwahrt (Bl. 51 f./II). Anders als das Landgericht angenommen habe, seien die Grundschulden gerade nicht ohne Zahlung an die Alt-GbR gelöscht worden (Bl. 53/II). Den Beklagten sei die Verrechnung des ihnen zustehenden Betrages in Höhe von insgesamt 306.775,12 € gegen Herausgabe der Löschungsbewilligung und des Grundschuldbriefes wiederholt angeboten worden. Selbst wenn den Beklagten ein Zahlungsanspruch zustehen sollte, bestehe er für diese persönlich nur in Höhe von jeweils 25 % aus 613.550,25 €. Der Beklagte zu 1. habe sich die streitgegenständlichen Löschungsbewilligungen und den Grundschuldbrief zwar nicht durch verbotene Eigenmacht verschafft. Vielmehr seien ihm diese Dokumente von dem Notar Riewe zu treuen Händen für die Alt-GbR übergeben worden. Er sei jedoch nicht berechtigt, diese Dokumente alleine unter Ausschluss der Kläger für die Alt-GbR zu verwahren und als Druckmittel im Rahmen der Auseinandersetzung der Alt-GbR zu verwenden. Die Verpflichtung zur Verschaffung des Mitbesitzes könne vorliegend nur durch die Hinterlegung der Dokumente beim Amtsgericht Tiergarten erfüllt werden.

Der Anspruch auf Zahlung der Verzugszinsen bestehe, da sich die Beklagten seit dem 5. September 2013 in Verzug befänden. Entgegen der erstinstanzlichen Behauptung der Beklagten sei die Abgabe der Freigabeerklärung wiederholt gefordert worden. Die Freigabe sei durch den Prozessbevollmächtigten der Beklagten jedoch abgelehnt worden (vgl. Bl. 56/II, Anlage BK 1).

Die Widerklage der Widerklägerin zu 2. sei bereits unzulässig, da diese nicht auf Seiten des Beklagten der Widerklage habe beitreten können. Es liege hier ein Parteibeitritt vor, da die Widerklägerin bis zur Erhebung der Widerklage eine unbeteiligte Dritte gewesen sei. Dass später die Klage hinsichtlich des Klageantrages zu 2. auch auf die Widerklägerin zu 2. erweitert worden sei, könne hieran nichts ändern. Die mit diesem Parteibeitritt verbundene Klageänderung sei wegen der fehlenden Einwilligung der Kläger nur zulässig, wenn diese – was hier nicht erkennbar sei – sachdienlich sei. Es fehle zudem an der Prozessführungsbefugnis der Beklagten. Die Kläger seien zu keinem Zeitpunkt aufgefordert worden, sich an der Klage gegen die Ersteher-GbR zu beteiligen. Im Übrigen aber sei eine etwaige Verweigerung der Kläger auch nicht gesellschaftswidrig, da diese das Geld zur Ablösung der Grundschulden für die Alt-GbR verwahrt und wiederholt die Zahlung an die Alt-GbR angeboten hätten. Die Widerklage sei auch unbegründet. Die hinterlegten Beträge würden ohne Weiteres ausreichen, um den Wert der noch zu löschenden Grundschulden von dem Anteil der Kläger in Abzug zu bringen und die Beklagten entsprechend ihrer Beteiligung vollständig zu befriedigen.

Das Verhalten der Beklagten sei treuwidrig. Diese versuchten, Zahlungen gegen sie, die Kläger, durchzusetzen, obwohl ausreichend liquide Mittel für die Verteilung vorhanden seien. Nach der Versteigerung verfüge die Alt-GbR mit Ausnahme der bei dem Amtsgericht Tiergarten hinterlegten Beträge und des von den Klägern verwahrten Betrages in Höhe von 613.550,25 € über kein weiteres Vermögen, so dass es der Erstellung einer Auseinandersetzungsbilanz schon nicht bedürfe.

Die Kläger seien in Bezug auf die Widerklage auch nicht passivlegitimiert, da die Immobilie unstreitig von der Ersteher-GbR ersteigert worden sei.

Schließlich seien auch die Voraussetzungen des § 50 Abs. 2 Nr. 1 ZVG nicht gegeben. Vorliegend seien nämlich die streitgegenständlichen Grundpfandrechte gerade nicht weggefallen, da der Beklagte nicht im Besitz der Löschungsbewilligung sei. Die Ersteher-GbR habe daher schon keinen Vorteil aus den bereits erteilten Löschungsbewilligungen (Bl. 62/II).

Die Kläger beantragen, unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Berlin vom 13. Juli 2015 – 2 O 420/14 –

1. den Beklagten zu verurteilen, die Löschungsbewilligung der … Versicherung AG vom 14. März 2002, UR-Nr. 782/2002 des Notars … aus Düsseldorf, im Grundbuch des Amtsgerichts von Schöneberg Bl. 16921 unter lfd. Nr. 5 eingetragenen Grundpfandrechts, nebst dazugehörigem Grundschuldbrief Gruppe 2, Nr. 10284592, und die Löschungsbewilligung der … Volksbank e.G. vom 31. März 2004 zum im Grundbuch des Amtsgerichts Schöneberg Bl. … unter lfd. Nr. 6 eingetragenen Grundpfandrechts bei der Hinterlegungsstelle des Amtsgerichts Tiergarten zu hinterlegen,

2. den Beklagten und die Widerklägerin zu 2. als Gesamtschuldner zu verurteilen, an sie, die Kläger, jeweils 70.750,63 € nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz aus 976.780,33 € ab dem 1. Juni 2015 bis zur Freigabe der beim Amtsgericht Tiergarten zu den Aktenzeichen 87 HL 2003/13, 87 HL 2077/13 und 87 HL 3798/13 hinterlegten Beträge zu zahlen,

3. die Widerklage abzuweisen.

Die Beklagten beantragen, die Berufung der Kläger zurückzuweisen.

Die Beklagten verteidigen das angegriffene Urteil und wiederholen und vertiefen ihren erstinstanzlichen Vortrag.

Die Beklagte bestreitet, dass von den Klägern – wie erstmals in der Berufungsinstanz vorgetragen – wiederholt die Abgabe einer Freigabeerklärung für die beim Amtsgericht Tiergarten hinterlegten Beträge gefordert worden sei (vgl. Bl. 82/II, 84 f./II).

Die Beklagten meinen, die Kläger habe mit ihrem Vortrag in der Berufungsbegründung die Widerklageforderung anerkannt. Im Übrigen habe hinsichtlich der 613.550,25 € ohne Zustimmung der Beklagten ein Verwahrungsverhältnis der Kläger für die Alt-GbR nicht begründet werden können. Sie seien insoweit nicht vertretungsberechtigt oder bevollmächtigt gewesen.

Zu dem Berufungsantrag zu 2. teilen die Beklagten mit, von ihrer Seite sei mit Schreiben vom 30. Mai 2016 eine Auseinandersetzungsrechnung vorgelegt worden (Anlagenkonvolut B 28), welche die Zustimmung der Kläger gefunden habe. Daraufhin seien die hinterlegten Bestände verteilt worden (Bl. 140/II). Die Widerklageforderung sei von dieser Auseinandersetzungsrechnung allerdings unberührt geblieben.

Erstmals in der Berufungsinstanz beantragen die Beklagten hilfsweise, für den Fall der Aufhebung des Urteils vom 17. Juli 2015, den Widerklageantrag auf den Antrag zu reduzieren, die Kläger als Gesamtschuldner zu verurteilen, an sie, die Widerkläger, zur gesamten Hand 306.775,12 € zzgl. 12 % Zinsen pro Jahr auf 204.501,75 € seit dem 21. Juni 2013 und 15 % Zinsen pro Jahr auf 102.258,730 € seit dem 21. Juni 2013 Zug um Zug gegen Herausgabe

1. a)

der Löschungsbewilligung der … Lebensversicherung AG vom 14. März 2002 (UR.-Nr. 782/2002 des Notars …, Düsseldorf),

1. b)

des Grundschuldbriefs zugunsten der … Lebensversicherung AG vom 6. Januar 1987 (Brief Nr. Gruppe 02 10284592)

– zu 1. a) und 1 b) jeweils zudem in dem bei dem Amtsgericht Schöneberg von Berlin geführten Grundbuch von Schöneberg Blatt … in Abteilung III, lfd. Nr. 5, eingetragenen Grundpfandrecht – sowie

2.

der Löschungsbewilligung der Berliner Volksbank e. G. vom 31. März 2004 (UR.-Nr. 236/2004 des Notars …, Berlin) zu dem im vorgenannten Grundbuch in Abteilung III, lfd. Nr. 6 eingetragenen Grundpfandrecht

zu zahlen.

Die Kläger beantragen, die Anträge aus der Klageerweiterung zurückzuweisen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

II.

Die Berufung der Kläger ist am Maßstab der §§ 511 ff. ZPO zwar zulässig und dabei insbesondere fristgerecht eingelegt und begründet worden.

Die Berufung hat in der Sache aber nur insoweit Erfolg, als sie sich gegen die Widerklage der Beklagten richtet (siehe insoweit unter A. II.).

Im Übrigen ergibt sich aus der Berufungsbegründung weder, dass die angefochtene Entscheidung auf einer Rechtsverletzung (§ 546 ZPO) beruht, noch dass nach § 529 ZPO zugrunde zu legende Tatsachen eine andere Entscheidung rechtfertigen. Nur darauf kann aber gemäß § 513 Abs. 1 ZPO die Berufung gestützt werden. Das Landgericht ist zu Recht und aus den zutreffenden Gründen davon ausgegangen, dass die von den Klägern geltend gemachte Ansprüche nicht bestehen (siehe sogleich unter A. I.). Den Klägern war auf ihren im Termin gestellten Antrag hin auch keine Frist zur Stellungnahme auf den Schriftsatz der Gegenseite vom 21. Oktober 2019 zu gewähren. So enthält dieser Schriftsatz der Beklagten, der sich, was die Klageforderung angeht, in der Bezugnahme auf frühere Stellungnahmen erschöpft, keine neue Aspekte.

Die Anschlussberufung der Beklagten ist am Maßstab der §§ 511 ff. ZPO zwar zulässig und dabei insbesondere fristgerecht eingelegt und begründet worden. Sie ist jedoch unbegründet (vgl. hierzu unter B.).

A. Berufung der Kläger

I. Klage

Das Landgericht hat die Klage der Kläger zu Recht und aus den zutreffenden Gründen abgewiesen. Die Klage ist zwar zulässig, aber unbegründet.

1. Zulässigkeit

Die Klage ist zulässig; die Kläger sind insbesondere auch prozessführungsbefugt und können mit dem Klageantrag zu 1. einen Anspruch der Liquidationsgesellschaft im eigenen Namen geltend machen (actio pro socio). Die Kläger sind Gesellschafter der in Liquidation befindlichen Alt-GbR. Mit dem Klageantrag zu 1. wird auch ein Sozialanspruch, also ein Anspruch der Gesellschaft gegen den Beklagten zu 1. als Gesellschafter der GbR, geltend gemacht.

2. Begründetheit

Die Klage ist jedoch unbegründet. Das Landgericht hat die Anträge der Kläger zu Recht und aus den zutreffenden Gründen abgewiesen. Die Alt-GbR hat gegen den Beklagten zu 1. keinen Anspruch auf Hinterlegung der Löschungsbewilligungen und des Grundpfandbriefes (vgl. unter a). Darüber hinaus steht den Klägern gegen die Beklagten kein Anspruch auf Zahlung von Zinsen in Bezug auf die bei dem Amtsgericht Tiergarten hinterlegten Beträge zu (vgl. unter b).

a) Anspruch a. Hinterlegung von Löschungsbewilligungen und Grundpfandbrief (Klageantrag zu 1.)

Der Klageantrag zu 1., mit der die Kläger einen Anspruch der Alt-GbR gegen den Beklagten zu 1. auf Hinterlegung der Löschungsbewilligungen und des Grundschuldbriefes geltend machen, ist unbegründet. Zwar stellen die Löschungsbewilligungen und der Grundpfandbrief als Urkunden grundsätzlich hinterlegungsfähige Gegenstände im Sinne des § 7 BerlHintG dar. Allerdings fehlt es an einem Anspruch auf Hinterlegung.

aa) Anspruch aus § 372 BGB

Ein Anspruch lässt sich nicht aus § 372 BGB herleiten, da der Anwendungsbereich dieser Regelung auf solche Fälle beschränkt ist, in denen der Schuldner zur Hinterlegung berechtigt ist. Eine Verpflichtung zur Hinterlegung ergibt sich aus dieser Vorschrift indes von vornherein nicht.

bb) Anspruch aus § 713 BGB i. V. m. § 667 BGB

Der Alt-GbR steht auch kein Anspruch auf Hinterlegung der Löschungsbewilligungen und des Grundpfandbriefes aus § 713 BGB i. V. m. § 667 BGB zu.

Die Regelung in § 667 BGB statuiert eine Herausgabepflicht über alles, was der beauftragte Gesellschafter aus einer Geschäftsführung für die Gesellschaft erlangt hat. Gegenstand des Erhaltenen und damit des Herausgabeanspruchs kann dabei jede rechtliche oder tatsächliche Position, also auch Besitz, sein (Berger in: Erman, 15. Aufl. 2017, § 667 BGB, Rn. 6). So können grundsätzlich auch alle in den Besitz eines Gesellschafters erlangten Unterlagen der Gesellschaft an diese herauszugeben sein.

Dieser Herausgabeanspruch kann vorliegend aber nicht geltend gemacht werden, da sich die Alt-GbR bereits im Besitz der streitgegenständlichen Unterlagen befindet. So ist die tatsächliche Sachherrschaft des zur Geschäftsführung berufenen Gesellschafters, hier: dem Beklagten zu 1., der Alt-GbR als eigener Besitz zuzurechnen. Nach der Anerkennung der Teilrechtsfähigkeit der GbR ist davon auszugehen, dass diese Besitzerin der zum Gesellschaftsvermögen gehörenden Sachen sein kann (vgl. OLG Frankfurt, Urteil vom 19. September 2007 – 4 U 55/07, Rn. 14, zitiert nach juris; Schäfer in: MüKo, 7. Aufl. 2017, § 718 Rn. 35 ff.; Herrler in: Palandt, 78. Aufl. 2019, § 854 Rn. 11 f.). Dabei wird die von den Geschäftsführern ausgeübte tatsächliche Sachherrschaft der GbR als eigener Besitz zugerechnet (vgl. Ring/Grziwotz/Keukenschrijver, 4. Aufl. 2016, § 866 BGB Rn. 13). Maßgebend sind die Willensrichtung der die tatsächliche Gewalt ausübenden Person und die Zugehörigkeit der Sache zum Organisationskreis der Gesellschaft; es kommt weiter darauf an, wie die Obhut tatsächlich ausgeübt wird und was in Bezug darauf zwischen den Gesellschaftern vereinbart ist (vgl. OLG Frankfurt a. M., Urteil vom 19. September 2007 – 4 U 55/07, zitiert nach juris).

Ausgehend von diesen Grundsätzen bestehen vorliegend keine Zweifel daran, dass der Alt-GbR der Besitz des Beklagten zu 1. an den Löschungsbewilligungen und dem Grundpfandbrief zuzurechnen ist. Die Unterlagen gehören unstreitig zum Organisationskreis der Alt-GbR. Der Beklagte zu 1. hat im Laufe des Prozesses immer wieder deutlich gemacht, dass er die Unterlagen für die Alt-GbR besitzt (vgl. etwa Bl. 45/I). Dass der Beklagte zu 1. nicht davon ausgeht, die Sachherrschaft über die Unterlagen für sich selbst auszuüben, das verdeutlicht letztlich auch der Antrag der Widerklage. Der Beklagte zu 1. nutzt die Unterlagen auch nicht gesellschaftswidrig. Soweit die Kläger im Rahmen der Berufung angeführt haben, dass den Beklagten die Verrechnung des ihnen zustehenden Betrages in Höhe von insgesamt 306.775,12 € gegen Herausgabe der Löschungsbewilligung und des Grundschuldbriefes wiederholt angeboten worden sei, verkennen diese bereits, dass den Beklagten selbst ein Anspruch auf Rückgewähr der in das geringste Gebot fallenden Grundschuld schon nicht zusteht. Nur am Rande sei angemerkt, dass die Kläger nunmehr offenbar auch selbst davon ausgehen, dass sich die Löschungsbewilligungen sich – so wie sie selbst vortragen – „bei der Alt-GbR“ befinden (vgl. Bl. 62/II). Insoweit fügt sich auch deren Vortrag ein, wonach der Notar R… dem Beklagten zu 1. die Unterlagen zu treuen Händen für die Alt-GbR übergeben hat.

Da es aber somit schon an einem Herausgabeanspruch fehlt, kann letztlich dahinstehen, ob der Rechtsgedanke des § 432 Abs. 1 S. 2 BGB, wonach jeder Gläubiger einer unteilbaren Leistung verlangen kann, dass der Schuldner die geschuldete Sache für alle Gläubiger hinterlegt, auch für die in Liquidation befindliche GbR, für die ja das Kollektivprinzip gilt (§§ 730, 709 BGB), fruchtbar gemacht werden kann.

cc) Anspruch aus § 734 BGB analog

Der von den Klägern geltend gemachte Anspruch lässt sich auch nicht auf eine analoge Anwendung des § 734 BGB stützen.

Zwar ist anerkannt, dass der Liquidator nach Maßgabe von § 372 BGB zur Hinterlegung befugt ist, wenn die Verteilung des Restvermögens unter den Gesellschaftern umstritten ist (vgl. Schäfer in: MüKo, 7. Aufl. 2017, § 734 BGB Rn. 11). Vorliegend besteht aber schon kein Streit über die Verteilung der Unterlagen, so dass die Frage der Analogiefähigkeit dahinstehen kann. So besteht zwischen den Parteien Einigkeit, dass die Löschungsbewilligungen und der Grundbrief aktuell in dem Besitz der Alt-GbR verbleiben sollen.

dd) Anspruch aus § 861 Abs. 1 BGB i. V. m. § 858 BGB

Schließlich ergibt sich – wie das Landgericht zutreffend ausgeführt hat – auch kein besitzrechtlicher Anspruch der Alt-GbR (§ 861 Abs. 1 BGB i. V. m. § 858 BGB), da sich die Alt-GbR – wie soeben ausgeführt – bereits im Besitz der Unterlagen befindet. Im Übrigen gehen auch die Kläger davon aus, dass sich der Beklagte zu 1. die Unterlagen nicht durch verbotene Eigenmacht verschafft hat.

b) Anspruch auf Zahlung von Zinsen (Klageantrag zu 2.)

Die Klage ist auch hinsichtlich des Klageantrages zu 2. unbegründet. Das Landgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass die Kläger keinen Anspruch gegen die Beklagten auf Zahlung von Zinsen für die Zeit ab dem 6. September 2013 bzw. 9. Januar 2014 bis zu dem Tag der Abgabe der Freigabeerklärung aus einer analogen Anwendung des § 288 Abs. 1 BGB haben.

Zwar hat ein Gläubiger in entsprechender Anwendung von § 288 Abs. 1 S. 1 BGB bei verzögerter Freigabe eines hinterlegten Geldbetrags einen Anspruch auf Verzugszinsen in gesetzlicher Höhe. Dies gilt auch nicht nur für die bis zum 30. April 2000 geltende Fassung des § 288 Abs. 1 S. 1 BGB, sondern auch für die Neufassungen dieser Norm (vgl. BGH, Urteil vom 12. Oktober 2017 – IX ZR 267/16, zitiert nach juris). Zwar wird nicht das hinterlegte Geld selbst geschuldet. Allerdings hängt die Auszahlung des Geldes an den Gläubiger allein von der Freigabeerklärung des Schuldners ab. Die Freigabeforderung hat einen Geldbetrag zum Gegenstand. Folglich ist der Anspruch lediglich der äußeren Form nach nicht auf Zahlung von Geld, sondern auf Einwilligung in die Auszahlung von Geld gerichtet (vgl. BGH, Urteil vom 25. April 2006 – XI ZR 271/05, NJW 2006, 2398).

Ein Anspruch der Kläger besteht indes nicht, da es vorliegend an dem erforderlichen Verzug der Beklagten mit der Abgabe der Freigabeerklärung fehlt. Der Schuldner gerät in Verzug, wenn er zu einem Zeitpunkt nicht erfüllt, in dem die Forderung wirksam und fällig ist, angemahnt und noch möglich ist und er die Verzögerung zu vertreten hat (vgl. Lorenz in: BeckOK, 51. Ed., 1. August 2019, § 286 BGB Rn. 4). Die Kläger haben insoweit erstmals im Rahmen der Berufungsinstanz pauschal vorgetragen (vgl. Bl. 190 ff./I, 56/II), die Beklagten wiederholt zur Abgabe der Freigabeerklärung aufgefordert zu haben. Dieser neue Vortrag konnte jedoch nicht berücksichtigt werden. Zwar hat das Berufungsgericht nach § 529 Abs. 1 Nr. 2 ZPO seiner Entscheidung auch neue, erst in der Berufungsinstanz vorgetragene Tatsachen zugrunde zu legen, soweit deren Berücksichtigung zulässig ist. Letzteres ist vorliegend aber gerade nicht der Fall. Der Vortrag ist auch nicht unstreitig. Vielmehr sind die Beklagten dem im Rahmen der Berufungserwiderung entgegengetreten (vgl. Bl. 82/II, 84 f./II). Gründe, wonach das Vorbringen ausnahmsweise gemäß § 531 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 bis 3 ZPO zuzulassen wäre, sind weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.

Selbst wenn aber zu Gunsten der Kläger unterstellt wird, dass sie die Beklagten im Oktober 2013 zur Abgabe der Freigabeerklärung aufgefordert haben, dann scheitert der Anspruch auch an der Fälligkeit. Mangels vertraglicher Regelung findet die Auseinandersetzung der GbR nach den Regelungen der §§ 732 ff. BGB statt (§ 731 BGB). Die Überschussverteilung nach § 734 BGB wird nach einer von allen Gesellschaftern festgestellten Schlussabrechnung (Auseinandersetzungsbilanz) rechnerisch ermittelt (vgl. Schöne in: BeckOK, 51. Ed., 1. August 2019, § 734 BGB Rn. 2). Erst durch die einvernehmliche Feststellung der Schlussabrechnung durch die Gesellschafter werden die maßgeblichen Zahlen bindend (vgl. Schöne in: BeckOK, 51. Ed., 1. August 2019, § 734 BGB Rn. 2). Vorliegend lag jedoch für den hier maßgeblichen Zeitraum eine Auseinandersetzungsbilanz unstreitig noch nicht vor. Soweit die Kläger meinen, dass die Gesellschafter auch ohne Auseinandersetzungsbilanz Ausgleichsansprüche gegeneinander geltend machen können, kann dem nicht gefolgt werden. Die von den Klägern in Bezug genommene Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (Urteil vom 21. November 2005 – II ZR 17/04) lässt sich schon deshalb nicht übertragen, da es dort um eine GbR ging, bei der ein Gesellschaftsvermögen nicht vorhanden war.

II. Widerklage

Die Berufung der Kläger hat Erfolg, soweit sie sich gegen die Verurteilung aus der Widerklage richtet. Anders als das Landgericht angenommen hat, steht der Alt-GbR kein Anspruch gegen die Kläger als Gesellschafter der Ersteher-GbR auf Zahlung von 613.550,25 € Zug um Zug gegen Herausgabe der Löschungsbewilligungen und des Grundschuldbriefes zu.

1. Zulässigkeit

Die Widerklage ist zwar zulässig.

a) Keine isolierte Drittwiderklage

Anders als die Kläger meinen, handelt es sich vorliegend nicht um einen Fall der isolierten Drittwiderklage. Die Beklagten haben ihre Widerklage gerade nicht gegen die Ersteher-GbR, sondern gegen die Kläger als die beiden einzigen Gesellschafter der Ersteher-GbR gerichtet. Dies ergibt sich aus dem Rubrum der Klageschrift sowie dem Tenor des Klageantrags ebenso wie aus der Begründung der Widerklage. So heißt es dort: „Die im Rahmen des gerichtlichen Verfahrens durch Zahlung an das Gericht zu erfüllenden Verpflichtungen haben die Kläger vollständig erfüllt, namentlich den bar zu zahlenden Teil des geringsten Gebots (3.180.000,00 €) zzgl. Zinsen und Kosten beglichen….“ (Bl. 70/I). „…Die außerhalb des Versteigerungsverfahrens zu begleichenden Ansprüche haben die Kläger dagegen bisher nur teilweise beglichen…“ (Bl. 71/I). „Nicht beglichen haben die Kläger jedoch ihre Verpflichtungen gegenüber den Alteigentümern auf den beiden übrigen bestehen gebliebenen Rechten. Diese sind Gegenstand der Widerklage….“ (Bl. 72/I). Weiter heißt es erstinstanzlich (Bl. 194/I): „Die mit der Widerklage verfolgten Forderungen sind Verbindlichkeiten der Gesellschaft der Widerbeklagten, die nach dem Zuschlagsbeschluss (Anlage K 1) das Eigentum an dem verfahrensgegenständlichen Grundstück erworben hat.“ Weiter führen die Beklagten aus, dass die Gesellschafter für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft persönlich und gesamtschuldnerisch haften.

Die Widerklage ist auch zulässig, soweit sie von der zunächst nicht am Prozess beteiligten Beklagten zu 2. erhoben wurde. Zwar war diese Klage zunächst unzulässig, da die Beklagte zu 2. im Zeitpunkt der Erhebung der Widerklage noch nicht Partei des Rechtsstreits gewesen ist (vgl. Schultzky in: Zöller, 32. Aufl. 2018, § 33 ZPO Rn. 29 m. w. N.). Maßgeblich ist jedoch – wovon auch das Landgericht zutreffend ausgegangen ist – der Zeitpunkt des Schlusses der letzten mündlichen Verhandlung. Zu diesem Zeitpunkt aber hatten die Kläger ihre Klage bereits erweitert und nunmehr auch auf die Beklagte zu 2. erstreckt.

b) Prozessführungsbefugnis

Den Beklagten steht auch ausnahmsweise das Recht zu, eine der Alt-GbR zustehende Forderung gegen Dritte, nämlich gegen die Gesellschafter der Ersteher-GbR, im eigenen Namen gelten zu machen. Nach § 709 Abs. 1 BGB und § 730 Abs. 2 S. 2 BGB können die Gesellschafter die Geschäfte der Gesellschaft nur gemeinschaftlich führen, mithin auch nur gemeinschaftlich die Forderung einklagen. In besonders gelagerten Konstellationen kann aber die Prozessführungsbefugnis einzelner Gesellschafter bejaht werden, wenn der klagende Gesellschafter ein berechtigtes Interesse an der Geltendmachung der Forderung im eigenen Namen hat, eine Klage im Namen der Gesellschaft aus gesellschaftswidrigen Gründen unterblieben ist und der verklagte Gesellschaftsschuldner an dem gesellschaftswidrigen Verhalten des die Gesellschaftsklage ablehnenden Mitgesellschafters beteiligt ist (BGH, Urteil vom 19. Juni 2008 – III ZR 46/06, NJW-RR 2008, 1484 ff.). Bei Beteiligung des Dritten am gesellschaftswidrigen Verhalten kann der klagende Gesellschafter auch nicht auf den umständlichen Weg verwiesen werden, zunächst die anderen Gesellschafter auf Mitwirkung an der Geltendmachung der Forderung zu verklagen, da es sich hierbei um einen unnötigen Umweg handeln würde (Bergmann in: jurisPK, 8. Aufl. 2017, § 709 BGB, Rn. 28). Es kann insoweit auf die zutreffenden Ausführungen des Landgerichts Bezug genommen werden, die durch das Berufungsvorbringen nicht entkräftet werden. Dass die Kläger einer Aufforderung zur Klageerhebung gegen die Ersteher-GbR nachgekommen wären, behaupten diese schon selbst nicht. Im Hinblick auf die besondere Fallkonstellation, bei der die Kläger sowohl Gesellschafter der Alt-GbR als auch Gesellschafter der Ersteher-GbR sind und des daraus resultierenden Interessenkonflikts, konnte von einer vorherigen Aufforderung der Kläger zur Klageerhebung gegen die Ersteher-GbR ausnahmsweise auch abgesehen werden. Insoweit ist auch zu berücksichtigen, dass es den Parteien über Jahre nicht gelungen ist, sich über den Austausch der Leistungen zu verständigen.

2. Kein Anerkenntnis der Widerklageforderung

Die Kläger haben die mit der Widerklage geltend gemachte Forderung – anders als die Beklagten meinen – nicht bereits anerkannt.

Das prozessuale Anerkenntnis nach § 307 ZPO ist die vom Beklagten oder vom widerbeklagten Kläger gegenüber dem Gericht abgegebene einseitige Erklärung, dass der vom Kläger geltend gemachte Anspruch ganz oder zum Teil besteht (vgl. BGH, Urteil vom 20. November 1980 – VII ZR 49/80). Dabei muss ein Anerkenntnis nicht ausdrücklich erfolgen, sondern kann auch konkludent abgegeben werden. Allerdings muss der Wille, den vom Kläger erhobenen Anspruch für begründet zu erklären und sich diesem Anspruch zu unterwerfen, eindeutig erkennbar werden. Dies ist hier nicht der Fall. Ein Beklagter, der wie hier weiterhin die Abweisung der Widerklage beantragt und lediglich vorträgt, die Klageforderung bereits erfüllt zu haben, erkennt die Forderung gerade nicht an (vgl. zu einer ähnlichen Konstellation BGH, Urteil vom 20. November 1980 – VII ZR 49/80). Mit dem Abweisungsantrag Antrag begehren die hiesigen Kläger nämlich ausdrücklich weiteren Rechtsschutz gegen den Klageanspruch (vgl. hierzu BGH, Urteil vom 20. November 1980 – VII ZR 49/80).

3. Begründetheit der Widerklage

Die Widerklage ist jedoch unbegründet. Die Kläger sind zwar passivlegitimiert. Allerdings fehlt es vorliegend an dem geltenden gemachten Zahlungsanspruch der Alt-GbR.

a) Passivlegitimation der Kläger

Die Kläger sind passivlegitimiert. Vorliegend ist das Eigentum an dem Wohn- und Geschäftshaus in der K…straße …/ F…straße # in Berlin-Schöneberg zwar auf die Ersteher-GbR übergegangen. Damit ist also die Ersteher-GbR selbst materiell Rechtsinhaberin geworden. Allerdings haften auch die Kläger als einzige Gesellschafter der Ersteher-GbR erstrangig, so dass sie auch sofort und ohne Umwege über das Gesamthandsvermögen in Anspruch genommen werden können (vgl. BGH, Urteil vom 27. September 1999 – II ZR 371/98).

b) Anspruch aus § 50 ZVG bzw. analog § 50 ZVG

Der Alt-GbR steht gegen die Widerbeklagten weder aus § 50 Abs. 1 ZVG noch aus der analogen Anwendung dieser Norm ein Zahlungsanspruch zu.

aa) § 50 ZVG

Die Voraussetzungen des § 50 ZVG liegen nicht vor. Die beiden streitgegenständlichen Grundschulden sind als Belastung des Grundbesitzes auch soweit keine persönlichen Forderungen mehr zugrunde liegen, nach dem Zuschlag bestehen geblieben und belasten die Ersteher-GbR als jetzigen Alleineigentümer ebenso, wie sie zuvor die vormalige Eigentümerin, also die Alt-GbR, belastet haben. Der in der Grundschuld verkörperte Wert gebührt, solange und soweit der Sicherungszweck nicht entfallen ist, weiterhin dem Grundschuldgläubiger (vgl. BGH, Urteil vom 25. September 1986 – IX ZR 206/85; OLG Jena, Urteil vom 15. Mai 2018 – 5 W 45/18). Etwas anderes gälte nur, wenn ein Fall des § 50 Abs. 1 ZVG vorläge, die in das geringste Gebot aufgenommenen Grundschulden also „nicht bestanden“ hätten. Das ist aber nicht schon der Fall, wenn eine Grundschuld nicht valutiert ist; denn das Grundpfandrecht besteht unter diesen Umständen als Grundstückslast weiter (vgl. BGH, Urteil vom 9. Februar 1989 – IX ZR 145/87; OLG Jena, Urteil vom 15. Mai 2018 – 5 W 45/18).

bb) § 50 ZVG analog

Ein Zahlungsanspruch der Alt-GbR ergibt sich auch nicht aus einer analogen Anwendung des § 50 ZVG.

Nach einer älteren Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kommt eine analoge Anwendung des § 50 Abs. 1 S. 1 ZVG auf Grundschulden, die im geringsten Gebot berücksichtigt sind und bestehen bleiben, nicht in Betracht (BGH, Urteil vom 23. März 1993 – XI ZR 167/92). Demnach steht einer entsprechenden Anwendung auf nicht valutierte Grundschulden entgegen, dass § 50 ZVG eine Zuzahlungspflicht zugunsten nachrangiger Gläubiger begründet, der Rückgewähranspruch aber dem Sicherungsgeber und nicht den nachrangigen Gläubigern zugutekommen soll. Dass der Bundesgerichtshof in der Zwischenzeit von dieser Rechtsprechung abgerückt wäre, ist nicht erkennbar (vgl. BGH, Beschluss vom 9. Mai 2007 – IV ZR 182/06; dort offen gelassen).

Für eine analoge Anwendung der Vorschrift fehlt es vorliegend jedenfalls an der erforderlichen planwidrigen Regelungslücke. Der Bundesgerichtshof hat in der Vergangenheit bereits den Verfahrensweg für den Fall aufgezeigt, in dem ein Grundstück mit einer nicht valutierten Grundschuld im Wege der Teilungsversteigerung versteigert wird (vgl. etwa BGH, Urteile vom 9. Februar 1989 – IX ZR 145/87 und 20. Oktober 2010 – XII ZR 11/08). Dem folgend steht der Alt-GbR eine Möglichkeit zur Befriedigung zu, indem sie zunächst von den Sicherungsnehmern die Übertragung der nicht mehr valutierten Grundschuld auf sich verlangt. Aus dieser Grundschuld kann sich die Alt-GbR sodann von der Ersteher-GbR als Grundstückseigentümerin befriedigen.

Diesem Lösungsweg steht auch nicht entgegen, dass der Alt-GbR selbst bereits Löschungsbewilligungen vorliegen. Allein durch die Übergabe der Löschungsbewilligungen an die Alt-GbR vor Durchführung der Teilungsversteigerung war die Rückgewährpflicht der Sicherungsnehmerin aus der Sicherungsabrede noch nicht erfüllt. Zur Erfüllung wäre nämlich neben der Leistungshandlung, d. h. der Überreichung der Löschungsbewilligungen und des Grundpfandbriefes, auch der Leistungserfolg erforderlich, der erst mit Eintragung im Grundbuch eintritt (vgl. OLG Hamm, Urteil vom 19. August 1998 – 33 U 13/98). Aufgrund der Sicherungsabreden sind die Banken verpflichtet, den vertraglichen Sicherungsgebern nach Erlöschen des Sicherungszwecks die Sicherungen zurückzugeben und zwar in einer Weise, die es den Sicherungsgebern ermöglicht, den Wert der Sicherungen zu realisieren (OLG Jena, Urteil vom 15. Mai 2018 – 5 W 45/18). Durch Erteilung von Löschungsbewilligungen wird die Erfüllung der entsprechenden Verbindlichkeit der Kreditinstitute lediglich eingeleitet; stellt sich heraus, dass die Löschung der Grundschuld im Einzelfall – so wie hier – kein geeignetes Mittel ist, den Sicherungsgebern den Wert der Sicherungen zurückzuerstatten, dann besteht die Verpflichtung der Kreditinstitute, dies in anderer geeigneter Weise (konkret: durch Rückabtretung) zu bewerkstelligen, fort (OLG Jena, Urteil vom 15. Mai 2018 – 5 W 45/18). Die bloße Entgegennahme von Löschungsbewilligungen durch die Beteiligten stellt auch keine stillschweigende Abrede dar, den Wert der Grundschulden (nur) durch Löschung und nicht in anderer Weise zu realisieren (OLG Jena, Urteil vom 15. Mai 2018 – 5 W 45/18).

Nach dem Eigentumswechsel an dem Grundstück war der Anspruch der ursprünglichen Eigentümerin, nämlich der Alt-GbR, aus der Sicherungsabrede nur noch durch Übertragung der Grundschulden an die Sicherungsgeberin zu erfüllen (vgl. hierzu BGH, Urteil vom 9. Februar 1989 – IX ZR 145/87), da jede andere Form der Rückgewähr allein der Ersteher-GbR als Alleineigentümerin des Grundstücks zugutekäme (BGH, Urteil vom 9. Februar 1989 – IX ZR 145/87; OLG Jena, Urteil vom 15. Mai 2018 – 5 W 45/18). Trotz des Eigentumsübergangs an dem Grundstück auf die Ersteher-GbR steht also der Rückgewähranspruch nach wie vor der Versteigerung weiterhin der Alt-GbR zu und kann von dieser auch realisiert werden.

Schließlich ist zu berücksichtigen, dass eine analoge Anwendung des § 50 ZVG auch dem System der Grundschuldsicherung widersprechen würde (vgl. hierzu BGH, Urteil vom 20. Oktober 2010 – XII ZR 11/08). Dieses System stellt nämlich sicher, dass es dem Grundstückseigentümer überlassen bleibt, in welcher Weise er den Anspruch des Grundschuldgläubigers befriedigt (BGH, Urteil vom 20. Oktober 2010 – XII ZR 11/08). Es ist daher nicht zulässig, diesem zwangsweise eine Ablösung in Geld aufzuerlegen und damit zugleich dem Inhaber der Grundschuld den Vollstreckungszugriff auf das gesamte sonstige Vermögen des Grundstückseigentümers zu eröffnen; andernfalls würden die Interessen des Grundstückeigentümers grundlegend benachteiligt (BGH, Urteil vom 20. Oktober 2010 – XII ZR 11/08).

c) Anspruch aus Bereicherungsrecht (§ 812 BGB)

Den Widerklägern steht ein Zahlungsanspruch auch nicht aus § 812 Abs. 1 S. 1 BGB zu.

Die Ersteher-GbR hat auf Kosten der Alt-GbR schon nichts erlangt, da das ersteigerte Grundstück weiterhin mit der Grundschuld belastet ist.

d) Schadensersatzanspruch wegen Verletzung gesellschaftsrechtlicher Treuepflicht

Auch ein Schadensersatzanspruch aus Verletzung der gesellschaftsrechtlichen Treuepflicht (Verhinderung der Löschung der Grundschuld im Grundbuch durch den Kläger zu 1.) kommt nicht in Betracht.

Die Beklagte macht den Zahlungsanspruch gegen die Gesellschafter der Ersteher-GbR geltend. In dieser Funktion allerdings obliegt den Gesellschaftern keine gesellschaftsrechtliche Treuepflicht gegenüber der Alt-GbR. Jedenfalls aber fehlt es angesichts des bestehenden Rückgewähranspruchs der Alt-GbR schon an einem Schaden.

B. Anschlussberufung der Beklagten

Soweit die Beklagten ihren Antrag mit Schriftsatz vom 27 September 2019 durch einen Hilfsantrag erweitert haben, ist in dieser Klageerweiterung eine Anschlussberufung im Sinne des § 524 ZPO zu erblicken. Die Anschlussberufung der Beklagten ist zulässig. Sie hat jedoch in der Sache keinen Erfolg.

Nach § 524 Abs. 1 S. 2 ZPO erfolgt die Anschließung durch Einreichung der Berufungsanschlussschrift. Dieses Erfordernis haben die Beklagten mit Schriftsatz vom 27. September 2019 erfüllt. Die ausdrückliche Erklärung, es werde Anschlussberufung eingelegt, war insoweit nicht erforderlich (BGH, Urteil vom zweiten 20. Januar 2015 – I ZR 127/13, NJW 2015, 1608, 1609).

Die Beklagten haben auf die Frist für die Einlegung der Anschlussberufung eingehalten. Gemäß § 524 Abs. 2 S. 2 ZPO kann sich der Berufungsbeklagte der Berufung des Gegners zwar grundsätzlich nur bis zum Ablauf der Frist zur Berufungserwiderung anschließen. Die vom Senat mit Verfügung vom 20. Oktober 2015 gesetzte und mit Verfügung vom 21. Januar 2016 noch einmal bis zum 22. Februar 2016 verlängerte Frist war zwar im Zeitpunkt der Einreichung der Anschlussschrift bereits abgelaufen. Die Anschließung war jedoch gleichwohl rechtzeitig, weil die Beklagten seinerzeit nicht ordnungsgemäß belehrt worden sind (§§ 524 Abs. 3 S. 2, 521 Abs. 2 S. 2, 277 Abs. 2 ZPO). So wurde zwar auf die Verspätungsvorschriften hingewiesen. Dagegen fehlte jedoch die Belehrung über die Verpflichtung, sich durch einen Rechtsanwalt vertreten zu lassen (§ 277 Abs. 2 ZPO). Diese Belehrung ist auch im Rahmen des § 521 Abs. 2 ZPO zwingend erforderlich (vgl. zum Ganzen BGH, Urteil vom 22. Januar 2015 – I ZR 127/13, NJW 2015,1608, 1609). Insoweit ist in der Rechtsbrechung des Bundesgerichtshofs anerkannt, dass bei einem Verstoß gegen die Belehrungspflicht nach § 277 Abs. 2 ZPO eine Anwendung der Präklusionsvorschriften nicht in Betracht kommt (BGH, Urteil vom 22. Januar 2015 – I ZR 127/13, NJW 2015, 1608, 1009). Entsprechendes gilt für die Frage der Rechtzeitigkeit der Anschlussberufung, wenn die erforderliche Belehrung nach §§ 521 Abs. 2 S. 2, 277 Abs. 2 ZPO unterblieben ist (BGH, Urteil vom 22. Januar 2015 – I ZR 127/13, NJW 2015, 1608, 1609).

Die mit dem Hilfsantrag verbundene Klageänderung ist auch gemäß § 533 ZPO zulässig. Eine Klageänderung erfordert gemäß § 533 Nr. 1 ZPO die Einwilligung des Gegners oder – ersatzweise – eine vom Berufungsgericht zu bejahende Sachdienlichkeit. Vorliegend ist schon die Einwilligung der Kläger zu vermuten, nachdem diese der Erweiterung der Widerklage in dem Termin am 24. Oktober 2019 auch nach dem ausdrücklich erteilten Hinweis des Senats nicht widersprochen haben. So kann die Einlegung ausdrücklich und konkludent erklärt werden, wobei die rügelose Einlassung auf die geänderte Klage eine Einwilligung vermuten lässt (§ 267 Abs. 1 ZPO analog). Im Übrigen aber war die Klageänderung auch sachdienlich im Sinne des § 533 Nr. 1 Alt. 2 ZPO; die Beklagten haben insoweit insbesondere keinen völlig neuen Streitstoff in den Rechtsstreit eingeführt (vgl. hierzu BGH, Urteil vom 27. September 2006 – VIII ZR 19/04, NJW 2007, 2414). Schließlich wird die Klageänderung ausschließlich auf Tatsachen gestützt, die der Senat seiner Verhandlung und Entscheidung über die Berufung ohnehin nach § 529 ZPO zugrunde zu legen hatte (§ 533 Nr. 2 ZPO).

Der mit der Klageerweiterung geltend gemachte Anspruch ist jedoch unbegründet. Den Beklagten steht ebenfalls kein Anspruch auf Zahlung von 306.775,12 € nebst Zinsen an sich selbst zu. Der Geltendmachung dieses Anspruchs steht bereits die gesellschaftsrechtliche Durchsetzungssperre entgegen. Anders als die Beklagten meinen, ist die Alt-GbR jedenfalls bereits deshalb noch nicht vollständig abgewickelt, da ihr zumindest ein Anspruch auf Übertragung der Grundschuld auf sich selbst zusteht. Im Übrigen fehlt es aber auch an einer Anspruchsgrundlage für den geltend gemachten Zahlungsanspruch. Wegen der Einzelheiten wird auf die vorstehenden Ausführungen zum Anspruch der Alt-GbR Bezug genommen.

C. Nebenentscheidungen

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Ein Grund, die Revision zuzulassen, war nicht gegeben, da die Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung hat noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert (§ 543 Abs. 2 S. 1 ZPO). Die für die Entscheidung maßgeblichen Rechtsfragen sind hinreichend geklärt. Soweit eine entsprechende Anwendung des § 50 ZVG in der Vergangenheit durch das OLG Hamm bejaht wurde (vgl. OLG Hamm, Urteil vom 28. März 2002 – 27 U 184/01), ist der dortige Sachverhalt mit dem hiesigen nicht vergleichbar. In der Entscheidung des OLG Hamm hatte der Ersteher nach seiner Eintragung als neuer Eigentümer unter Vorlage von Löschungsbewilligungen die Löschung der im Zeitpunkt des Zuschlags zwar noch eingetragenen, aber nicht mehr valutierenden Grundschulden bereits bewirkt. Die Frage, ob in diesem besonderen Fall, in dem der Rückgewähranspruch des früheren Eigentümers bereits erfüllt wurde, eine planwidrige Regelungslücke anzunehmen wäre, ist nicht Gegenstand der hiesigen Entscheidung. Im Übrigen beruht die hiesige Entscheidung auf den besonderen Umständen des Falls.

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