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Anspruch eines Pflichtteilsberechtigten auf Grundbucheinsicht

OLG München – Az.: 34 Wx 61/11 – Beschluss vom 23.02.2011

I. Die Beschwerde gegen den Beschluss des Amtsgerichts – Grundbuchamt – Rosenheim vom 10. Januar 2011 wird zurückgewiesen.

II. Der Beschwerdewert wird auf 3.000,00 € festgesetzt.

Gründe

I.

Die Beteiligte führt einen Rechtsstreit über Pflichtteils- und Pflichtteilsergänzungsansprüche gegen die Witwe und Erbin des am 18.7.2005 verstorbenen Theodor O.. Unter dem 9.12.2010 hat sie dem Grundbuchamt dargelegt, die Beklagte habe angegeben, dass der Erblasser ein Grundstück verschenkt habe, und beantragt, ihr einen aktuellen unbeglaubigten Grundbuchauszug sowie, unter bestimmten Voraussetzungen, auch das vorangegangene Grundbuchblatt, eine Fotokopie des der Schenkung des Grundstücks zugrunde liegenden Vertrages, sowie des Vertrages, mit dem der Erblasser seinerseits das Grundstück erworben hat, zu überlassen.

Der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle hat der Beteiligten die Auskunft erteilt, dass das Grundstück zu keiner Zeit dem Erblasser gehört habe, gemäß Überlassungsvertrag vom 10.12.1964 an den Voreigentümer übertragen wurde und der vormalige Eigentümer das Grundstück mit Vertrag vom 16.9.1998 an den jetzigen Eigentümer verkauft habe. Nachdem sich die Beteiligte mit dieser Auskunft nicht zufrieden gegeben hatte, hat der Urkundsbeamte mit Beschluss vom 28.12.2010 die Erteilung weiterer Unterlagen abgelehnt. Über die der Beteiligten erteilten Informationen hinaus sei ein berechtigtes Interesse an der Einsicht des Grundbuchs (§ 12 Abs. 1 GBO) nicht dargetan.

Die Beteiligte hat gegen die Entscheidung Erinnerung eingelegt mit der Begründung, dass zwar möglicherweise die Angaben der Erbin nicht mit dem Grundbuchinhalt übereinstimmten, sich dahinter aber ein anderer Sachverhalt verbergen könne, der gleichwohl eine ergänzungspflichtige Schenkung darstelle. Sie habe außerdem ein berechtigtes Interesse daran, zu erfahren, zu welchem Preis das Anwesen seinerzeit erworben worden sei. Auch hieraus ließen sich möglicherweise Rückschlüsse auf den damaligen Wert des Grundstücks ziehen.

Mit Beschluss vom 10.1.2011 hat die Grundbuchrichterin dahingehend entschieden, dass sie der Erinnerung nicht abhelfe. Es bestehe kein berechtigtes Interesse. Ein anerkennungswürdiges berechtigtes Interesse wirtschaftlicher oder tatsächlicher Natur sei nur dann gegeben, wenn der Antragsteller ein verständiges, durch die Sachlage gerechtfertigtes Interesse darlege. Daran fehle es. Denn das Grundstück habe nicht zum Nachlass gehört. Die Einsicht würde den Interessen des eingetragenen Eigentümers und damit seinem Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung nicht Rechnung tragen.

Hiergegen hat die Beteiligte als sofortige Beschwerde bezeichnetes Rechtsmittel eingelegt, die sie folgendermaßen begründet: Sie habe ein berechtigtes Interesse daran, festzustellen, ob das von der Erbin angegebene Grundstück tatsächlich zum Nachlass gehört habe bzw. eine ergänzungspflichtige Schenkung darstelle. Die Erbin habe angegeben, dass das Grundstück vom Erblasser lebzeitig seinem Sohn geschenkt worden sei. Möglicherweise sei dies nicht ganz richtig und der Erblasser habe dem Sohn nur die finanziellen Mittel zur Verfügung gestellt. Dies aber könne aus dem Kauf- bzw. Überlassungsvertrag hervorgehen, mit dem der jetzige Eigentümer das Grundstück erworben habe.

Das Amtsgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen.

II.

Die Beschwerde ist zulässig (§ 71 Abs. 1 GBO; vgl. Meikel/Nowak GBO 10. Aufl. § 12c Rn. 21), und zwar unbefristet (Demharter GBO 27. Aufl. § 71 Rn. 2). Entgegen der – verfehlten – Tenorierung handelt es bei dem Beschluss der Grundbuchrichterin nicht um eine – nicht isoliert angreifbare – Nichtabhilfeentscheidung, sondern um die nach § 12c Abs. 4 Satz 1 GBO vorgesehene Entscheidung über die vom Urkundsbeamten ausgesprochene Verweigerung von Grundbucheinsicht, deren Änderung beantragt wurde. Dafür spricht nicht nur ihr Inhalt, sondern auch die begleitende Verfügung mit Rechtsmittelbelehrung gemäß § 12c Abs. 4 Satz 2 i.V.m. § 71 GBO.

1. Das Rechtsmittel bleibt im Ergebnis erfolglos.

a) Aus formellen Gründen muss der Beschluss des Amtsgerichts nicht aufgehoben werden. Allerdings entscheidet nach der Rechtsprechung des Senats (vgl. im Einzelnen Beschluss vom 25.1.2011, 34 Wx 160/10; auch OLG Rostock vom 8.2.2010, 3 W 12/10 = BeckRS 2010, 09125) über die Erinnerung gegen Entscheidungen des Urkundsbeamten im Hinblick auf die Vollübertragung der Grundbuchsachen in § 3 Nr.1 Buchst. h RPflG trotz des – gesetzlich nicht angepassten – Wortlauts in § 12c Abs. 4 Satz 1 GBO der Rechtspfleger, nicht der Grundbuchrichter. Indes ist es unschädlich, wenn anstelle des Rechtspflegers der unzuständige Richter das Geschäft wahrnimmt (§ 8 Abs. 1 RPflG). Dies führt auch nicht zu einer Aufhebung in der Rechtsmittelinstanz (vgl. Bassenge/Roth FGG/RPflG 12. Aufl. § 8 RPflG Rn. 2 m.w.N.).

b) Die Beschwerde ist auch in der Sache nicht begründet. Die Beteiligte kann weder Einsicht in das Grundbuch noch eine Abschrift des Vertrages, aufgrund dessen der jetzige Eigentümer an dem Grundstück Eigentum erworben hat, verlangen.

(1) Gemäß § 12 Abs. 1 Satz 1 GBO ist die Einsicht des Grundbuchs jedem gestattet, der ein berechtigtes Interesse darlegt. Einem berechtigten Interesse der Beteiligten ist anhand ihres Tatsachenvorbringens aber bereits dadurch Genüge getan, dass ihr mitgeteilt wurde, das Grundstück habe zu keiner Zeit im Eigentum des Erblassers gestanden, von wem der jetzige Eigentümer das Grundstück käuflich erworben und von wem der Veräußerer das Eigentum erhalten hat. Die Beteiligte hat nicht dargetan, welche weiteren Informationen sie – zum Zweck der Geltendmachung von Pflichtteilsergänzungsansprüchen – dem Grundbuch noch entnehmen möchte.

(2) Gemäß § 12 Abs. 1 Satz 2 GBO ist auch die Einsicht in Urkunden, auf die im Grundbuch zur Ergänzung einer Eintragung Bezug genommen ist, sowie in noch nicht erledigte Eintragungsanträge gestattet. Darüber hinaus erweitert § 46 GBV die Grundbucheinsicht auf den sonstigen Inhalt der Grundakten (vgl. Meikel/Böttcher § 12 Rn. 70). Die Abwägung des berechtigten Interesses am Einblick in die Grundakten mit dem informationellen Selbstbestimmungsrecht der Beteiligten ist besonders sorgfältig vorzunehmen; letzterem kommt erhebliches Gewicht zu (vgl. Meikel/Böttcher § 46 GBV Rn. 2). Gerade bei der „erweiterten“ Grundbucheinsicht sind an das Vorliegen eines berechtigten Interesses durchaus hohe Anforderungen zu stellen. Es darf nämlich nicht aus dem Blickfeld geraten, dass Informationen über den Kaufpreis nicht zum eigentlichen Grundbuchinhalt gehören, auf dessen Publizität die Bestimmung des § 12 Abs. 1 GBO abzielt (vgl. z. B. OLG Dresden Rpfleger 2010, 209). Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass derjenige, der durch eine so weit gehende Akteneinsicht in seinem informationellen Selbstbestimmungsrecht betroffen ist, weder im Vorfeld der Entscheidung anzuhören noch im Nachgang beschwerdeberechtigt ist (vgl. OLG Dresden aaO. m.w.N.). So wurde beispielsweise ein Recht auf Einsicht in den zugrunde liegenden Kaufvertrag für den Grundstücksmakler bejaht, der den Kaufpreis einer von ihm vermittelten Immobilie erfahren möchte, dies freilich nur dann, wenn bereits eine beträchtliche Wahrscheinlichkeit für die behauptete Entstehung eines Provisionsanspruchs besteht (vgl. OLG Stuttgart FGPrax 2010, 324).

Gegen eine gesteigerte Beachtung des Schutzbedürfnisses von Beteiligten wird angeführt, dass es weitgehend bei ihnen liege, Daten von Grundakten fern zu halten, die sie nicht durch etwaige Grundbucheinsicht Dritten zugänglich machen wollten (vgl. Meikel/ Böttcher § 47 GBV; Demharter FGPrax 2001, 52/53). Dem ist aber entgegen zu halten, dass die Urkunden über das einer Eintragungsbewilligung zugrunde liegende Rechtsgeschäft weitgehend bereits beim Grundbuchamt aufbewahrt werden. Zwar könnten die Berechtigten – wie auch hier der Grundstückseigentümer – die Urkunden jederzeit zurückverlangen. Soweit sie gemäß § 10 Abs. 1 GBO aufzubewahrende Erklärungen enthalten, müssten diese Erklärungen lediglich in beglaubigter Abschrift dem Grundbuchamt zur Verfügung stehen (§ 10 Abs. 1 Satz 2 GBO). Daraus, dass der Berechtigte von dieser Möglichkeit keinen Gebrauch gemacht hat, ergibt sich aber noch nicht, dass er mit einer Einsichtnahme durch Dritte rechnet und dass er deswegen nicht schutzbedürftig wäre. Vielfach wird der eingetragene Eigentümer auf die Vorlagepraxis des Notars keinen Einfluss nehmen und als Laie auch praktisch nicht nehmen können.

(3) Diese Maßstäbe angelegt kann die Beteiligte eine Einsicht in die der Eigentumsumschreibung zugrunde liegenden schuldrechtlichen Verträge, die sich „zufällig“, unabhängig vom Publizitätszweck des Grundbuchs, beim Grundbuchamt befinden, hier nicht verlangen. Es fehlen genügende Anhaltspunkte, dass der Grundstückseigentümer gleichzeitig Empfänger einer Schenkung des Erblassers ist, die in irgendeinem Zusammenhang mit dem maßgeblichen Grundbuchblatt steht. Die Erklärung der Erbin erwies sich insofern schon als unzutreffend, als – wie der Beteiligten auch bereits mitgeteilt – eine Übertragung des Grundbesitzes vom Erblasser auf den jetzigen Eigentümer nicht stattgefunden hat. Aus dieser Mitteilung ergibt sich auch, dass der jetzige Eigentümer das Grundstück vom Voreigentümer gekauft hat. Dass sich aus dem Kaufvertrag Hinweise auf eine Schenkung des Erblassers – etwa des für den Erwerb notwendigen Kaufpreises – ergeben könnten, stellt eine bloße, nicht einmal besonders wahrscheinliche Spekulation dar. Erfahrungsgemäß enthalten Kaufverträge, weil für die Vertragsbeziehung unerheblich, keine Angaben zur Herkunft des aufgewandten Kapitals. Aus einem bloßen Verdacht lässt sich regelmäßig ein berechtigtes Interesse nicht herleiten (vgl. BayObLG DNotZ 1999, 739). Auf der anderen Seite stehen der Beteiligten Auskunftsansprüche gegen die Erbin aus § 2314 Abs. 1 BGB zu, unter Umständen auch gegen den vom Erblasser Beschenkten (vgl. Palandt/Weidlich BGB 70. Aufl. § 2314 Rn. 5). Ein Interesse der Beteiligten an der Überlassung einer Abschrift des Kaufvertrages überwiegt in diesem Falle nicht das informationelle Selbstbestimmungsrecht der Beteiligten des Erwerbsgeschäfts.

2. Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst.

3. Der Geschäftswert bestimmt sich nach § 131 Abs. 1 Nr. 1, § 31 Abs. 1 Satz 1 i. V. m. § 30 Abs. 2 Satz 1 KostO.

III.

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Rechtsbeschwerde (§ 78 Abs. 2 GBO) liegen nicht vor.

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