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Anforderungen an die Sachaufklärung durch das Grundbuchamt vor Löschung eines Vorkaufsrechts

OLG Nürnberg – Az.: 15 W 1859/17 – Beschluss vom 09.11.2017

Auf die Beschwerde des Beteiligten zu 1) wird die Zwischenverfügung des Amtsgerichts Kelheim vom 01.09.2017, Az. PT-1067-10, aufgehoben.

Gründe

I.

Mit notariellem Kaufvertrag vom 05.01.2006 veräußerten die Beteiligten zu 3) bis 5) als Gesellschafter bürgerlichen Rechts die im Grundbuch des Amtsgerichts Kelheim von X in Band 00 auf Blatt 0000 vorgetragene Immobilie an den Beteiligten zu 1). Dieser wurde am 05.05.2006 als Eigentümer in das Grundbuch eingetragen.

Den Beteiligten zu 3) bis 5) wurde als Gesamtberechtigte in dem Kaufvertrag vom 05.01.2006 ein „subjektiv persönliches Vorkaufsrecht für denjenigen (ersten) Verkaufsfall [eingeräumt], bei welchem dem Verkaufsberechtigten erstmals eine Ausübung des Vorkaufsrechts rechtlich möglich ist“. Dieses Vorkaufsrecht wurde am 05.05.2006 unter der laufenden Nummer 7 in die zweite Abteilung in Band 00 auf Blatt 0000 im Grundbuch des Amtsgerichts Kelheim von X eingetragen.

Mit notariellem Kaufvertrag vom 25.04.2017 veräußerte der Beteiligte zu 1) die Immobilie an den Beteiligten zu 2), wobei folgende Regelung zur Abwicklung der Kaufpreiszahlung vorgesehen wurde:

„a) Der gesamte Kaufpreis ist bis zum 31.07.2017 auf ein (…) Anderkonto des amtierenden Notars zur Hinterlegung einzuzahlen. (…) Dieser Kaufvertrag entfällt/wird unwirksam (auflösende Bedingung), sofern der Kaufpreis nicht bis spätestens 16.08.2017 auf dem Notaranderkonto einbezahlt sein sollte. (…)

b) Hinsichtlich der Verwendung des hinterlegten Betrages erteilen die Vertragspartner dem Notar folgende Weisungen: Mit dem hinterlegten Kaufpreis sind zunächst nicht übernommene grundbuchliche Belastungen, insbesondere Forderungen von Grundpfandrechtsgläubigern abzulösen. Ein danach etwa verbleibender Restbetrag ist dem Verkäufer auszuzahlen. (…)

c) In jedem Fall kann der Notar über den hinterlegten Betrag erst verfügen, sobald die folgenden Auszahlungsvoraussetzungen vorliegen:

(1) zugunsten des Erwerbers ist eine Vormerkung auf vertragsgemäße Übereignung eingetragen

(2) (…)

(3) die Lastenfreistellung gesichert ist. Sicherung der Lastenfreistellung liegt vor, wenn für alle nicht übernommenen Belastungen beim beurkundenden Notar Löschungserklärungen auflagenfrei oder mit Auflagen vorliegen, die durch die Zahlung des Erwerbers erfüllt werden können. (…)

f) Der Kaufpreisanspruch gilt mit Eintritt der Auszahlungsreife als erfüllt.“

Am 10.05.2017 wurde den vorkaufsberechtigten Beteiligten zu 3) bis 5) der Kaufvertrag vom 25.04.2017 ausgehändigt.

Unter Vorlage entsprechender Empfangsbestätigungen beantragte die Urkundsnotarin durch ihren Vertreter mit Schreiben vom 17.08.2017 „namens des Grundstückeigentümers“, das im Grundbuch eingetragene Vorkaufsrecht „im Wege der Grundbuchberichtigung“ zu löschen. Das Schreiben enthält dabei folgende amtliche Feststellung: „Es sind keine Umstände bekannt, wonach das Vorkaufsrecht durch die Vorkaufsberechtigten ausgeübt worden wäre. Eine Zahlung zum Kaufpreis auf das den Vorkaufsberechtigten mitgeteilte Notarkonto ist nicht erfolgt. Auch soweit ein Kaufvertrag etwa durch die Ausübung des Vorkaufsrechts zustande gekommen wäre, wäre auch ein solcher Kaufvertrag durch Eintritt der auflösenden Bedingung (keine Kaufpreiszahlung auf das Notaranderkonto) entfallen/unwirksam geworden.“

Am 01.09.2017 erließ das Grundbuchamt eine Zwischenverfügung. In dieser vertrat es die Auffassung, dass die Unrichtigkeit des Grundbuchs durch die vorgelegten Unterlagen nicht nachgewiesen sei, und forderte den Beschwerdeführer auf, „die Löschungsbewilligung der eingetragenen Berechtigten des Vorkaufsrechts“ bis 01.10.2017 vorzulegen.

Dagegen wandte sich die Urkundsnotarin mit Schreiben vom 05.09.2017. Sie vertritt die Auffassung, dass der Nachweis der Unrichtigkeit des Grundbuchs durch die vorgelegten Empfangsbestätigungen einerseits und die amtliche Feststellung vom 17.08.2017 anderseits in der erforderlichen Form nachgewiesen sei. Nach Ausübung des Vorkaufsrechts hätte der Kaufpreis nach Maßgabe der Vereinbarungen im Kaufvertrag auf das Notaranderkonto einbezahlt werden müssen, und zwar bis zum Ablauf des 16.08.2017.

Am 29.09.2017 entschied das Grundbuchamt, der Beschwerde nicht abzuhelfen.

II.

1. Die nach §§ 71 Abs. 1, 73 GBO statthafte Beschwerde ist zulässig. Sie hat – allerdings lediglich aus formellen Gründen – auch in der Sache Erfolg.

Das Grundbuchamt vertritt die Auffassung, dass der Antragsteller die Löschung des Vorkaufsrechts nur unter veränderten Voraussetzungen (Bewilligung nach § 19 GBO statt des Nachweises der Unrichtigkeit nach § 22 Abs. 1 Satz 1 GBO) zu erlangen vermag. Ausgehend davon hätte das Grundbuchamt keine Zwischenverfügung erlassen dürfen, sondern hätte – gegebenenfalls nach Erteilung eines rechtlichen Hinweises und erneuter Fristsetzung – den Löschungsantrag zurückweisen müssen.

Grundlegende Voraussetzung für den Erlass einer Zwischenverfügung ist das Vorhandensein eines mit rückwirkender Kraft behebbaren Eintragungshindernisses. Daran fehlt es, wenn – wie hier – die erforderlichen Eintragungsbewilligungen der unmittelbar Betroffenen von vornherein nicht vorlagen. Es kann nicht Gegenstand einer Zwischenverfügung sein, einem Antragsteller die Vorlage einer noch gar nicht abgegebenen Eintragungsbewilligung aufzuerlegen (zur Löschung eines Vorkaufsrechts: OLG Rostock, Beschluss vom 08.10.2014 – 3 W 51/14, juris Rn. 10; im Übrigen: Thüringer OLG, Beschluss vom 28.07.2014 – 3 W 287/14, juris Rn. 1; Demharter, GBO, 31. Aufl., § 18 Rn. 12; Böttcher in: Meikel, GBO, 11. Aufl., § 18 Rn. 36; Zimmer in: Lemke, Immobilienrecht, 2. Aufl., § 18 GBO Rn. 17; Volmer in: Keller/Munzig, Grundbuchrecht, 7. Aufl., § 18 Rn. 26). Dabei macht es keinen Unterschied, ob die Eintragungsbewilligung eine Rechtsänderung oder eine Grundbuchberichtigung herbeiführen soll (BayObLG, Beschluss vom 21.07.2004 – 2Z BR 134/04, juris Rn. 13; a. A.: OLG Zweibrücken, Beschluss vom 03.07.2013 – 3 W 32/13, juris Rn. 8; OLG Hamm, Beschluss vom 15.03.2007 – 15 W 404/06, juris Rn. 14; a. A. im Ergebnis wohl auch: OLG München, Beschluss vom 25.09.2015 – 34 Wx 121/15; wie hier aber u. a.: OLG München, Beschluss vom 26.09.2012 – 34 Wx 30/12, juris Rn. 15; Beschluss vom 18.11.2011 – 34 Wx 425/11, juris Rn. 11). Auch bei einer Grundbuchunrichtigkeit kann dem Zeitpunkt der Antragstellung gemäß § 892 Abs. 2 BGB wesentliche Bedeutung zukommen. Unabhängig davon ist eine Zwischenverfügung ohne rangwahrende Wirkung im Hinblick auf ihren Sinn und Zweck dem Grundbuchverfahrensrecht fremd (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 13.06.2013 – 3 Wx 100/13, juris Rn. 13; Zimmer in: Lemke, Immobilienrecht, 2. Aufl., § 18 GBO Rn. 16).

2. Gegenstand eines Rechtsmittelverfahrens gegen eine Zwischenverfügung ist nur das in ihr angenommene Eintragungshindernis; über den Eintragungsantrag selbst ist vom Beschwerdegericht dagegen nicht zu entscheiden (BayObLG, Beschluss vom 29.08.1989 – BReg 2 Z 92/89, juris Rn. 19). Für die weitere Behandlung des Berichtigungsantrags weist der Senat allerdings auf das Folgende hin:

Ein Sachverhalt, in dem eine Löschung wegen – nachgewiesener – Grundbuchunrichtigkeit (§ 22 Abs. 1 GBO) erfolgen könnte, ist nicht ersichtlich. An den Nachweis einer Grundbuchunrichtigkeit sind strenge Anforderungen zu stellen; ein gewisser Grad von Wahrscheinlichkeit genügt nicht (BayObLG, Beschluss vom 14.12.1995 – 2 Z BR 127/95, juris Rn 15). Die Antragsteller müssen – in der Form des § 29 GBO – lückenlos ausräumen, was der begehrten berichtigenden Eintragung, hier also der begehrten Löschung des eingetragenen Vorkaufsrechts, entgegenstehen könnte.

Dem genügt die amtliche Feststellung vom 17.08.2017 nicht. Insbesondere besteht die – keinesfalls ganz entfernt liegende und auch nicht nur theoretische – Möglichkeit, dass die Vorkaufsberechtigten den Kaufpreis unmittelbar an den Beschwerdeführer geleistet haben. Es mag sein, dass bei einer Ausübung des Vorkaufsrechts im Hinblick auf § 464 Abs. 2 BGB einerseits der Beschwerdeführer lediglich Zahlung auf das Notaranderkonto hätte fordern können und anderseits die Vorkaufsberechtigten verpflichtet gewesen wären, den Kaufpreis termingerecht auf das Anderkonto einzubezahlen (wobei sich die Frage stellen würde, ob der im Vertrag genannte Termin bei einer Ausübung des Vorkaufsrechts anzupassen wäre, weil ein selbständiger, neuer Kaufvertrag begründet wird, dessen Inhalt sich lediglich nach den Bedingungen des Ausgangsvertrags bestimmt). Grundsätzlich gilt aber: Zahlt der Käufer vereinbarungswidrig statt auf das Anderkonto eines Notars direkt an den Verkäufer, so tritt damit Erfüllung ein, sofern eine anderweitige Zahlungsweise nicht zumindest konkludent ausgeschlossen wurde (Hertel in: Eylmann/Vaasen, BNotO/BeurkG, § 23 BNotO Rn. 23; Winkler, BeurkG, 18. Aufl., § 54b Rn. 15). Für einen Ausschluss des § 362 BGB gibt es aber im vorliegenden Fall – und zwar gerade angesichts der vereinbarten auflösenden Bedingung – keine Anhaltspunkte. Denn einerseits dient die vereinbarte Abwicklung über das Anderkonto dem Schutz und damit dem Interesse des Käufers. Anderseits gibt eine Direktzahlung dem Verkäufer nichts anderes als dasjenige, was ihm zusteht – nur eher als geschuldet. In einer solchen Situation bei einer (termingerechten) Leistung vom Eintritt der auflösenden Bedingung auszugehen, weil die vereinbarte Abwicklung der Kaufpreiszahlung über ein Notaranderkonto nicht eingehalten wurde, liefe den Interessen beider Parteien zuwider.

3. Die Kostenfolge der zulässigen und begründeten Beschwerde ergibt sich aus dem Gesetz (§ 22 Abs. 1, § 25 Abs. 1 GNotKG). Für eine Kostenerstattungsanordnung zugunsten des Beschwerdeführers auf der Grundlage von §§ 81 ff. FamFG bestand kein Anlass. Die Staatskasse kommt in Grundbuchsachen grundsätzlich nicht als Beteiligte in Betracht, der bei erfolgreicher Beschwerde die außergerichtlichen Kosten der Beschwerdeführer auferlegt werden könnten (Demharter, GBO, 30. Aufl., § 77 Rn. 33). Und die Vorkaufsberechtigten haben sich am Beschwerdeverfahren nicht beteiligt.

Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen, weil die gesetzlichen Voraussetzungen dafür (§ 78 Abs. 2 GBO) nicht vorliegen.

 

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