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Anfechtung eines gemeindlichen Vorkaufsrechts

Ein städtisches Vorkaufsrecht konnte einen Grundstücksverkauf in Hamburg überraschend kippen. Obwohl eine Käuferin dort ein Gewerbeobjekt plante, das ins Viertel zu passen schien, sprang die Stadt ein, kaufte das Areal selbst und drückte den Preis massiv. Welche Macht hat eine Kommune, um geplante Projekte und vereinbarte Kaufpreise zugunsten ihrer eigenen, spezifischen städtebaulichen Ziele zu überstimmen?

Zum vorliegenden Urteil Az.: 351 O 8/22 | Schlüsselerkenntnis | FAQ  | Glossar  | Kontakt

Das Wichtigste in Kürze

  • Gericht: LG Hamburg
  • Datum: 14.02.2025
  • Aktenzeichen: 351 O 8/22
  • Verfahren: Antrag auf gerichtliche Entscheidung
  • Rechtsbereiche: Baurecht, Verwaltungsrecht

Beteiligte Parteien:

  • Kläger: Die Verkäuferin (ehemalige Eigentümerin des Grundstücks) und die ursprüngliche Käuferin. Sie wollten die Ausübung des gemeindlichen Vorkaufsrechts und die Herabsetzung des Kaufpreises durch die Gemeinde rückgängig machen.
  • Beklagte: Die Gemeinde F. u. H. H1. Sie hatte das Vorkaufsrecht für das Grundstück ausgeübt und den Kaufpreis herabgesetzt.

Worum ging es genau?

  • Sachverhalt: Die Gemeinde übte ein Vorkaufsrecht für ein Gewerbegrundstück aus, das die Käuferin für ein „Appartementhotel for business only“ nutzen wollte. Sie setzte den Kaufpreis auf den Verkehrswert herab, da die geplante Nutzung aus ihrer Sicht den spezifischen städtebaulichen Zielen eines Gewerbe- und Industriestandorts entgegenstand.

Welche Rechtsfrage war entscheidend?

  • Kernfrage: Ist die Ausübung eines gemeindlichen Vorkaufsrechts nach § 25 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BauGB durch eine Vorkaufsrechtsverordnung rechtmäßig, insbesondere wenn die von der Käuferseite beabsichtigte Nutzung zwar bauplanungsrechtlich als Gewerbe zulässig ist, aber den von der Gemeinde angestrebten spezifischen städtebaulichen Entwicklungszielen eines Gewerbe- und Industriestandorts entgegensteht, und ist die Herabsetzung des Kaufpreises auf den Verkehrswert zulässig?

Wie hat das Gericht entschieden?

  • Antrag abgelehnt: Der Antrag der Verkäuferin und Käuferin auf gerichtliche Entscheidung wurde abgewiesen. Die Ausübung des Vorkaufsrechts und die Preisreduzierung durch die Gemeinde wurden als rechtmäßig bestätigt.
  • Kernaussagen der Begründung:
    • Vorkaufsrecht rechtmäßig: Die Vorkaufsrechtsverordnung war wirksam, da die Gemeinde ernsthaft städtebauliche Maßnahmen zur Stärkung des Gewerbe- und Industriestandorts beabsichtigte, was dem Allgemeinwohl dient.
    • Geplantes Appartementhotel widerspricht Zielen: Obwohl bauplanungsrechtlich als Gewerbe zulässig, wurde die „wohnähnliche“ Nutzung des Hotels als hinderlich für die angestrebte Entwicklung des Gebiets für störungsintensiveres Gewerbe und Industrie eingestuft.
    • Abwendungsrecht zu Recht abgelehnt: Die Käuferin konnte die spezifischen städtebaulichen Ziele der Gemeinde mit ihrem Bauvorhaben nicht erfüllen, da dieses den Zielen der Entwicklung eines reinen Industriestandorts entgegenstand.
    • Preisherabsetzung auf Verkehrswert zulässig: Der vereinbarte Kaufpreis überstieg den ermittelten Verkehrswert erheblich, weshalb die Gemeinde berechtigt war, den Preis zum Schutz vor überhöhten Preisen auf den Verkehrswert herabzusetzen.
  • Folgen für die Klägerin/den Kläger:
    • Der Verkauf des Grundstücks an die ursprüngliche Käuferin wird nicht wie geplant vollzogen; stattdessen erwirbt die Gemeinde das Grundstück.
    • Der von der Gemeinde zu zahlende Kaufpreis wird auf den Verkehrswert von 830.000 Euro festgesetzt.
    • Die Verkäuferin und die ursprüngliche Käuferin müssen die Gerichtskosten zur Hälfte tragen.

Der Fall vor Gericht


Stellen Sie sich vor, Sie kaufen ein Grundstück – und die Stadt nimmt es Ihnen wieder weg?

Stellen Sie sich folgende Situation vor: Ein Unternehmen kauft ein Grundstück, um darauf ein neues Geschäft zu errichten. Der Kaufvertrag ist unterschrieben, der Preis ist vereinbart. Doch plötzlich meldet sich die Stadt und erklärt: „Wir kaufen dieses Grundstück stattdessen – und zwar zu einem niedrigeren Preis, als Sie vereinbart haben.“ Klingt unglaublich? Genau ein solcher Fall landete vor dem Landgericht Hamburg und zeigt, welche weitreichenden Rechte eine Gemeinde haben kann, um ihre städtebaulichen Ziele durchzusetzen.

Was war genau passiert?

Unterschriebener Kaufvertrag für Hotelbau, Übergabe amtliches Schreiben durch Stadtvertreter.
Städtisches Vorkaufsrecht: Amtliches Schreiben senkt Kaufpreis für Grundstück – Hotelprojekt droht Stopp. | Symbolbild: KI-generiertes Bild

Eine Eigentümerin, nennen wir sie Frau W., verkaufte im Mai 2022 ihr Grundstück in Hamburg für 1.150.000 Euro an eine Käuferin. Auf dem Grundstück stand ein älteres, kleines Wohnhaus. Die Käuferin plante, dieses Haus abzureißen und stattdessen ein modernes Appartementhotel zu bauen. Dieses Hotel sollte sich speziell an Geschäftsreisende, Monteure und Handwerker richten, die für einige Tage oder Wochen in der Stadt arbeiten.

Doch dieses Grundstück lag in einem Gebiet, für das die Stadt Hamburg besondere Pläne hatte. Erstens war es laut dem geltenden Bebauungsplan als „Gewerbegebiet“ ausgewiesen. Ein Bebauungsplan ist quasi ein Gesetz für ein bestimmtes Areal, das vorschreibt, was und wie dort gebaut werden darf – zum Beispiel, ob Wohnhäuser, Fabriken oder Geschäfte erlaubt sind.

Zweitens hatte die Stadt für dieses Gebiet eine sogenannte Vorkaufsrechtsverordnung erlassen. Das ist ein spezielles Recht, das es der Gemeinde erlaubt, bei einem Grundstücksverkauf einzuspringen und selbst zur Käuferin zu werden. Sie tritt dann an die Stelle des ursprünglichen Käufers. Die Stadt begründete diese Verordnung damit, dass sie das Gebiet städtebaulich weiterentwickeln und besser nutzen wolle.

Als die Stadt vom Verkauf erfuhr, teilte sie der Verkäuferin und der Käuferin mit, dass sie von ihrem Vorkaufsrecht Gebrauch machen könnte. Schließlich tat sie es auch: Mit einem offiziellen Bescheid vom 1. September 2022 erklärte die Stadt, dass sie das Grundstück selbst kauft. Und nicht nur das: Sie setzte den Kaufpreis auf 830.000 Euro herab. Diesen Betrag hatte ein offizieller Gutachter als den tatsächlichen Verkehrswert des Grundstücks ermittelt. Der Verkehrswert ist der Preis, der normalerweise auf dem freien Markt für ein solches Grundstück zu erzielen wäre.

Was sprach aus Sicht von Käuferin und Verkäuferin gegen das Vorgehen der Stadt?

Die Verkäuferin und die Käuferin waren mit dieser Entscheidung überhaupt nicht einverstanden und zogen vor Gericht. Ihre Argumente waren vielfältig.

Sie sagten, die Stadt habe ihr Vorkaufsrecht unzulässig ausgeübt. Das geplante Appartementhotel sei doch eindeutig eine gewerbliche Nutzung und würde damit perfekt in das ausgewiesene Gewerbegebiet passen. Es sei sogar eine viel bessere Nutzung als das alte, kleine Wohnhaus. Außerdem habe ein positiver Bauvorbescheid der Baubehörde bereits bestätigt, dass ein solcher Beherbergungsbetrieb dort grundsätzlich zulässig ist. Ein Bauvorbescheid ist eine verbindliche Auskunft der Behörde zu einzelnen Fragen eines Bauprojekts, bevor der eigentliche Bauantrag gestellt wird.

Die Käuferin und Verkäuferin warfen der Stadt vor, ihre Pläne seien viel zu vage. Die Stadt spreche von „städtebaulichen Zielen“, habe aber kein konkretes Projekt für das Grundstück. Das Vorgehen sei daher nichts anderes als eine unzulässige Bodenbevorratung – die Stadt kaufe also Grundstücke auf Vorrat, ohne genau zu wissen, was sie damit machen will.

Außerdem argumentierten sie, dass die Käuferin versucht habe, das Vorkaufsrecht abzuwenden. Das Gesetz sieht vor, dass ein Käufer das Vorkaufsrecht der Gemeinde verhindern kann, wenn er sich verpflichtet, das Grundstück genau so zu nutzen, wie die Gemeinde es plant. Die Käuferin hatte angeboten, das Grundstück entsprechend den Zielen der Stadt gewerblich zu nutzen. Die Stadt lehnte dies jedoch ab.

Schließlich kritisierten sie die Herabsetzung des Kaufpreises. Das Gutachten, auf dem der neue Preis basierte, sei fehlerhaft. Der vereinbarte Preis von 1.150.000 Euro sei keinesfalls überhöht gewesen.

Wie hat die Stadt ihr Vorgehen verteidigt?

Die Stadt sah die Sache völlig anders. Sie erklärte, dass es ihr nicht nur darum gehe, irgendeine gewerbliche Nutzung zuzulassen. Vielmehr verfolge sie ein ganz spezifisches städtebauliches Ziel: Das Gebiet solle zu einem schlagkräftigen Gewerbe- und Industriestandort entwickelt werden, insbesondere für Betriebe, die an anderer Stelle wegen Lärm oder anderer Emissionen stören würden.

Um solche Betriebe ansiedeln zu können, bräuchte die Stadt größere, zusammenhängende Flächen. Das Ziel sei daher die Arrondierung, also das Zusammenlegen kleinerer Grundstücke zu größeren Einheiten. Das geplante Appartementhotel laufe diesem Ziel direkt zuwider. Warum? Ein Hotel, auch wenn es gewerblich ist, hat einen „wohnähnlichen“ Charakter. Seine Gäste haben einen Anspruch auf Ruhe, besonders nachts.

Wenn man nun ein solches Hotel in ein Industriegebiet baue, würde dies die Entwicklungsmöglichkeiten für die Nachbargrundstücke stark einschränken. Ein lauter Produktionsbetrieb könnte sich dort dann möglicherweise nicht mehr ansiedeln, weil er die Hotelgäste stören würde. Das Hotel würde also die gewünschte Entwicklung des gesamten Gebiets blockieren.

Aus diesem Grund, so die Stadt, habe die Käuferin das Vorkaufsrecht auch nicht abwenden können. Denn ihr geplantes Hotel entsprach eben nicht den spezifischen Zielen der Stadt, sondern behinderte diese sogar. Die Preissenkung auf den Verkehrswert sei zudem gesetzlich vorgesehen und diene dem Schutz der Steuerzahler vor überteuerten Grundstücksgeschäften.

Wie hat das Gericht entschieden und warum?

Das Landgericht Hamburg wies die Klage der Verkäuferin und Käuferin vollständig ab und gab der Stadt in allen wesentlichen Punkten recht. Die Entscheidung des Gerichts lässt sich in mehrere Schritte unterteilen.

War die Ausübung des Vorkaufsrechts grundsätzlich erlaubt?

Ja, das Gericht befand die Ausübung des Vorkaufsrechts für rechtmäßig. Die Stadt hatte in mehreren offiziellen Dokumenten, wie einem Gewerbeflächenentwicklungskonzept, ihre städtebaulichen Ziele für das Gebiet klar dargelegt. Dazu gehörten die Verdichtung des Gewerbegebiets und die Sicherung von Flächen für bestimmte, auch störungsintensivere Gewerbearten.

Das Gericht stellte klar, dass eine Gemeinde zum Zeitpunkt der Ausübung ihres Vorkaufsrechts noch keine bis ins letzte Detail ausgearbeitete Planung vorlegen muss. Es genügt, dass sie ernsthafte und nachvollziehbare städtebauliche Absichten verfolgt. Das war hier der Fall.

Der entscheidende Punkt: Warum war das Hotel trotz gewerblicher Nutzung ein Problem?

Hier traf das Gericht eine sehr wichtige Unterscheidung, die für den Ausgang des Falles zentral war. Es bestätigte zwar, dass das geplante Appartementhotel rechtlich als „Gewerbe“ gilt. Aber – und das ist der Knackpunkt – die allgemeine Zulässigkeit nach dem Bebauungsplan ist nicht dasselbe wie die Vereinbarkeit mit den spezifischen Zielen, die eine Gemeinde mit ihrem Vorkaufsrecht verfolgt.

Um das zu verstehen, hilft ein Alltagsvergleich: Stellen Sie sich vor, Sie organisieren eine Party und geben als Kleiderordnung „festlich“ an. Ein Gast kommt in einer sauberen, gebügelten Jeans und einem schicken Hemd. Das ist zwar nicht falsch, aber wenn Ihr spezifisches Ziel für die Party eine „elegante Abendgala mit Smokings und Abendkleidern“ war, dann passt die Jeans nicht zu diesem speziellen Zweck, obwohl sie grundsätzlich „festlich“ sein mag.

Ähnlich argumentierte das Gericht hier:

  • Das allgemeine Gesetz (der Bebauungsplan) erlaubte „Gewerbe“. Das geplante Hotel fiel darunter.
  • Das spezifische Ziel der Stadt (die Vorkaufsrechtsverordnung) war aber die Schaffung eines robusten Industriestandorts, der auch für laute Betriebe geeignet ist.
  • Ein Hotel mit seinem „wohnähnlichen“ Charakter und dem Ruhebedürfnis seiner Gäste würde die Ansiedlung solcher lauten Betriebe in der Nachbarschaft behindern. Es würde also das spezifische Ziel der Stadtentwicklung konterkarieren.

Das Vorkaufsrecht diente laut Gericht also dazu, eine solche „Fehlentwicklung“ zu verhindern, die das Potenzial des gesamten Gebiets langfristig eingeschränkt hätte.

Durfte die Stadt das Abwendungsangebot der Käuferin ablehnen?

Ja, auch hier folgte das Gericht der Argumentation der Stadt. Ein Käufer kann ein Vorkaufsrecht nur dann abwenden, wenn er garantieren kann, das Grundstück genau nach den Vorstellungen der Gemeinde zu nutzen. Da das Hotelprojekt der Käuferin diesen spezifischen Zielen aber entgegenstand, war sie nicht in der Lage, dieses Versprechen zu geben. Ihr Angebot, „gewerblich“ zu bauen, reichte nicht aus, weil ihre Art der gewerblichen Nutzung die falsche für dieses spezielle Gebiet war.

War die Preissenkung auf den Verkehrswert rechtens?

Auch in diesem Punkt bestätigte das Gericht das Vorgehen der Stadt. Das Gesetz (§ 28 Baugesetzbuch) erlaubt einer Gemeinde ausdrücklich, den Kaufpreis auf den Verkehrswert zu begrenzen, wenn der vereinbarte Preis diesen „in einer dem Rechtsverkehr erkennbaren Weise deutlich übersteigt“. Der festgestellte Verkehrswert lag mit 830.000 Euro rund 38 % unter dem Kaufpreis von 1.150.000 Euro. Diese deutliche Abweichung rechtfertigte die Preiskorrektur. Das Gutachten des offiziellen Gutachterausschusses wurde vom Gericht als eine solide und nachvollziehbare Grundlage für diese Entscheidung anerkannt.



Die Schlüsselerkenntnisse

Das Urteil des Landgerichts Hamburg verdeutlicht, dass kommunale Vorkaufsrechte selbst bei grundsätzlich zulässigen Nutzungen greifen können, wenn diese den spezifischen städtebaulichen Zielen entgegenstehen.

  • Spezifische Ziele übertrumpfen allgemeine Zulässigkeit: Das Urteil bestätigt, dass eine Gemeinde ihr Vorkaufsrecht auch dann rechtmäßig ausüben kann, wenn das geplante Vorhaben dem Bebauungsplan entspricht, aber die konkrete Nutzung die verfolgten städtebaulichen Ziele behindert – hier verhinderte der „wohnähnliche“ Charakter eines Hotels die angestrebte Entwicklung zu einem störungsintensiveren Industriestandort.
  • Konkrete Planungsdetails sind nicht erforderlich: Das Gericht stellte klar, dass eine Kommune zum Zeitpunkt der Vorkaufsrechtsausübung noch keine vollständig ausgearbeitete Planung vorlegen muss, sondern ernsthafte und nachvollziehbare städtebauliche Absichten ausreichen.
  • Preiskorrektur als Schutzinstrument: Eine deutliche Überschreitung des Verkehrswerts um etwa 38 Prozent rechtfertigt die Herabsetzung des Kaufpreises durch die Gemeinde, wodurch Steuerzahler vor überteuerten kommunalen Grundstücksgeschäften geschützt werden.

Die Entscheidung stärkt die Position der Kommunen bei der strategischen Stadtentwicklung und zeigt, dass wirtschaftliche Interessen privater Käufer hinter übergeordneten städtebaulichen Zielsetzungen zurückstehen müssen.

Häufig gestellte Fragen (FAQ)

Wie erfahre ich als Käufer oder Verkäufer, ob für ein Grundstück ein Vorkaufsrecht der Gemeinde besteht?

Wenn Sie ein Grundstück kaufen oder verkaufen möchten, ist es wichtig zu wissen, ob die Gemeinde ein Vorkaufsrecht hat. Dieses Recht ermöglicht es der Gemeinde, in einen bereits geschlossenen Kaufvertrag einzutreten und das Grundstück selbst zu den vereinbarten Konditionen zu erwerben. Das Wissen darüber ist entscheidend für die Planungssicherheit Ihres Vorhabens.

Wo Sie sich informieren können

Die wichtigste Anlaufstelle, um Informationen über ein kommunales Vorkaufsrecht zu erhalten, ist die zuständige Gemeindeverwaltung oder das Bauamt der jeweiligen Stadt oder Gemeinde. Dort können Sie eine offizielle Auskunft einholen oder eine sogenannte Negativbescheinigung (auch Vorkaufsrechtszeugnis oder Negativattest genannt) beantragen. Diese Bescheinigung bestätigt, dass kein Vorkaufsrecht der Gemeinde besteht oder dass sie es nicht ausüben wird. Ohne ein solches Dokument kann ein Notar den Kaufvertrag in der Regel nicht vollziehen, da die Gemeinde erst auf ihr Recht verzichten muss.

Das Grundbuch gibt Ihnen keinen direkten Aufschluss über gesetzliche Vorkaufsrechte der Gemeinde. Im Grundbuch sind lediglich private oder vertraglich vereinbarte Vorkaufsrechte eingetragen, die beispielsweise zwischen Privatpersonen oder Unternehmen bestehen können. Gesetzliche Vorkaufsrechte der Gemeinde, die sich aus dem Baugesetzbuch (BauGB) oder anderen spezialgesetzlichen Regelungen ergeben, sind dort hingegen nicht vermerkt.

Arten von Vorkaufsrechten der Gemeinde

Gemeindliche Vorkaufsrechte entstehen in der Regel nicht durch eine Eintragung im Grundbuch, sondern direkt aus dem Gesetz oder aufgrund von Satzungen, die auf gesetzlichen Grundlagen beruhen.

  • Gesetzliche Vorkaufsrechte nach dem Baugesetzbuch (BauGB): Diese Rechte stehen der Gemeinde zu, um wichtige städtebauliche Ziele zu erreichen. Beispiele hierfür sind Grundstücke in förmlich festgelegten Sanierungsgebieten, Entwicklungsbereichen, Gebieten mit einem Bebauungsplan, der öffentliche Zwecke festsetzt, oder auch im Bereich des sozialen Wohnungsbaus. Für Sie als Käufer oder Verkäufer bedeutet das, dass das Grundstück allein aufgrund seiner Lage oder seiner Eigenschaften einem gesetzlichen Vorkaufsrecht unterliegen kann.
  • Vorkaufsrechte aufgrund besonderer Satzungen: Aufbauend auf den gesetzlichen Grundlagen des BauGB können Gemeinden auch durch lokale Satzungen (zum Beispiel Milieuschutzsatzungen zum Erhalt der Zusammensetzung der Wohnbevölkerung) in bestimmten Gebieten Vorkaufsrechte begründen. Auch diese Rechte sind nicht im Grundbuch vermerkt, sondern ergeben sich aus der jeweiligen Satzung der Gemeinde.

Warum diese Information so wichtig ist

Das Wissen um ein Vorkaufsrecht der Gemeinde ist von grundlegender Bedeutung für die Planungssicherheit sowohl für Käufer als auch für Verkäufer. Für Sie als Käufer bedeutet ein bestehendes Vorkaufsrecht, dass Ihr geplanter Erwerb des Grundstücks möglicherweise nicht zustande kommt, da die Gemeinde in den Vertrag eintritt. Dies kann Ihre Bau- oder Projektpläne erheblich beeinträchtigen oder sogar stoppen. Für Sie als Verkäufer kann die Ausübung des Vorkaufsrechts durch die Gemeinde den Verkaufsprozess verzögern, obwohl der Kaufpreis und die sonstigen Bedingungen unverändert bleiben. Es ist daher ratsam, diese Prüfung zu einem der ersten Schritte bei jedem Grundstücksgeschäft zu machen, um unerwartete Entwicklungen zu vermeiden. Das Auskunftsverfahren bei der Gemeinde sorgt für die notwendige Klarheit und Transparenz, bevor ein Notar den Kaufvertrag beurkundet.


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Welche konkreten städtebaulichen Ziele können eine Gemeinde dazu berechtigen, ihr Vorkaufsrecht auszuüben?

Wenn eine Gemeinde ihr Vorkaufsrecht ausübt, greift sie in einen privaten Grundstücksverkauf ein. Dies ist kein willkürlicher Vorgang, sondern rechtlich streng geregelt und muss einem konkreten städtebaulichen Ziel dienen. Die Gemeinde handelt hier im öffentlichen Interesse, um die geordnete Entwicklung ihrer Stadt oder Gemeinde zu sichern. Die gesetzliche Grundlage hierfür findet sich hauptsächlich im Baugesetzbuch (BauGB), insbesondere in den Paragraphen 24 und 25.

Warum Gemeinden eingreifen: Das öffentliche Interesse im Städtebau

Das Vorkaufsrecht ermöglicht es Gemeinden, Grundstücke zu erwerben, die für die Umsetzung wichtiger städtebaulicher Maßnahmen benötigt werden. Dies stellt einen Ausgleich zwischen dem privaten Eigentumsrecht und den übergeordneten Bedürfnissen der Gemeinschaft dar. Die Kommune muss dabei nachweisen, dass der Kauf des Grundstücks einem bestimmten, im Baugesetzbuch festgelegten Zweck dient. Es geht nicht darum, den Kaufpreis zu drücken oder Spekulation zu betreiben, sondern darum, die Stadtentwicklung aktiv zu gestalten.

Typische städtebauliche Ziele für das Vorkaufsrecht

Eine Gemeinde kann ihr Vorkaufsrecht ausüben, wenn das Grundstück für eines der folgenden typischen städtebaulichen Ziele benötigt wird:

  • Schaffung oder Sicherung von Infrastruktur: Dies umfasst den Bau oder die Erweiterung von Verkehrswegen (Straßen, Wege, Plätze), öffentlichen Einrichtungen (Schulen, Kindergärten, Bibliotheken, Sportstätten) oder die Versorgungsinfrastruktur (Kanalisation, Wasserleitungen). Stellen Sie sich vor, eine Gemeinde plant eine neue Umgehungsstraße, die über ein privat verkauftes Grundstück verlaufen soll.
  • Entwicklung von Wohn- oder Gewerbegebieten: Wenn die Gemeinde neue Flächen für dringend benötigten Wohnraum oder zur Ansiedlung von Gewerbebetrieben (und damit zur Schaffung von Arbeitsplätzen) schaffen möchte. Das Vorkaufsrecht kann genutzt werden, um Baulücken zu schließen oder größere zusammenhängende Flächen zu entwickeln.
  • Sicherung von Grünflächen, Umweltschutz oder Landschaftspflege: Dies beinhaltet die Anlage von öffentlichen Parks, Spielplätzen, die Sicherung von Natur- und Landschaftsschutzgebieten oder Maßnahmen zum Hochwasserschutz. Ein Beispiel wäre der Erwerb eines Grundstücks, um dort einen dringend benötigten Quartierspark zu realisieren.
  • Erhaltung des Stadtbildes, Denkmalschutz oder Sanierung: Wenn ein Grundstück in einem Gebiet liegt, das historisch bedeutsam ist oder dessen Erscheinungsbild schützenswert ist. Auch die Sanierung von Problembereichen oder heruntergekommenen Stadtteilen kann ein Ziel sein, um die Lebensqualität zu verbessern.
  • Vorbereitung für die Umsetzung eines Bebauungsplans: Wenn für ein Gebiet ein Bebauungsplan (ein rechtsverbindlicher Bauplan für ein bestimmtes Gebiet) beschlossen wurde oder in Planung ist, kann die Gemeinde Grundstücke erwerben, um die dort festgesetzten Nutzungen (z.B. die Schaffung einer bestimmten Gebäudestruktur oder die Sicherung von Freiflächen) zu ermöglichen.

Anforderungen an die Zieldefinition

Die genannten städtebaulichen Ziele müssen konkret, klar definiert und nachvollziehbar sein. Es genügt nicht eine vage Absichtserklärung. Die Gemeinde muss darlegen können, welche konkrete Maßnahme sie auf dem Grundstück plant und wie diese Maßnahme einem der genannten städtebaulichen Zwecke dient. Es ist jedoch nicht erforderlich, dass die Planungen bereits bis ins letzte Detail ausgearbeitet sind. Eine ernsthafte Absicht, die durch entsprechende Planungen untermauert wird, genügt in der Regel. Das bedeutet praktisch, dass die Gemeinde ihre Entscheidung nicht einfach aus dem Bauch heraus treffen kann, sondern eine solide Begründung haben muss, die auch einer rechtlichen Überprüfung standhält.


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Was bedeutet das Abwendungsrecht genau, und unter welchen Umständen kann ich als Käufer ein Vorkaufsrecht der Gemeinde erfolgreich abwenden?

Das Abwendungsrecht ist eine zentrale Möglichkeit für Käufer, den Erwerb eines Grundstücks zu sichern, wenn eine Gemeinde ihr gesetzliches Vorkaufsrecht ausüben möchte. Es bedeutet, dass Sie als Käufer das Grundstück doch erwerben können, wenn Sie sich verbindlich dazu verpflichten, das Grundstück genau für den Zweck zu nutzen, den die Gemeinde mit ihrem Vorkaufsrecht eigentlich erreichen will.

Bedeutung des Abwendungsrechts

Gemeinden haben in bestimmten Fällen, geregelt im Baugesetzbuch (BauGB), ein Vorkaufsrecht für Grundstücke. Dies dient dazu, wichtige städtebauliche Ziele zu sichern, beispielsweise die Schaffung von bezahlbarem Wohnraum, die Entwicklung von Infrastruktur oder den Erhalt von Grünflächen. Wenn eine Gemeinde ihr Vorkaufsrecht ausübt, tritt sie anstelle des ursprünglichen Käufers in den Kaufvertrag ein.

Genau hier setzt das Abwendungsrecht an, das in § 27 des Baugesetzbuches (BauGB) geregelt ist. Es ist Ihre Chance, die Ausübung des Vorkaufsrechts abzuwenden. Dies geschieht, indem Sie der Gemeinde innerhalb einer bestimmten Frist eine sogenannte Abwendungserklärung zukommen lassen. In dieser Erklärung verpflichten Sie sich, das Grundstück so zu nutzen oder zu bebauen, dass der ursprüngliche Zweck, den die Gemeinde mit ihrem Vorkaufsrecht erreichen wollte, erfüllt wird.

Voraussetzungen für eine erfolgreiche Abwendung

Eine erfolgreiche Abwendung des Vorkaufsrechts gelingt nur unter sehr spezifischen Bedingungen:

  • Verbindliche Verpflichtung: Sie müssen sich rechtsverbindlich verpflichten, das Grundstück so zu nutzen oder zu bebauen, wie es den konkreten städtebaulichen Zielen der Gemeinde entspricht. Diese Verpflichtung muss schriftlich erfolgen und oft durch eine Sicherung, etwa eine Grundschuld oder eine Bürgschaft, untermauert werden.
  • Präzise Übereinstimmung mit den Zielen: Der entscheidende Punkt ist, dass Ihre geplante Nutzung des Grundstücks exakt den spezifischen und konkret dargelegten städtebaulichen Zielen der Gemeinde entsprechen muss. Es reicht nicht aus, wenn Ihre Pläne nur „ungefähr“ oder „im Rahmen“ der Gemeindevorstellungen liegen. Die Gemeinde prüft sehr genau, ob Ihre Zusage die von ihr angestrebten Zwecke vollständig und ohne Abstriche erfüllt.
  • Konkrete städtebauliche Ziele: Die Gemeinde muss ihre städtebaulichen Ziele, die sie mit dem Vorkaufsrecht verfolgt, klar und konkret benennen. Dies können zum Beispiel detaillierte Vorgaben zur Art der Bebauung (z.B. nur Wohngebäude, keine Gewerbeflächen), zur Geschossigkeit, zur Nutzung (z.B. Sozialwohnungen anstatt Luxuswohnungen) oder zur Schaffung öffentlicher Flächen sein.

Wenn Ihre eigenen Vorstellungen, wie Sie das Grundstück nutzen möchten, nicht haargenau mit diesen kommunalen Zielen übereinstimmen, wird es schwierig, das Vorkaufsrecht erfolgreich abzuwenden. Selbst wenn Ihre Pläne scheinbar „im Rahmen“ sind, aber nicht die spezifischen Ziele treffen, kann die Abwendung scheitern. Für Sie als Käufer bedeutet das, dass Sie sehr genau prüfen müssen, welche Ziele die Gemeinde mit ihrem Vorkaufsrecht verfolgt. Eine Abwendung ist nur dann denkbar, wenn Sie bereit und in der Lage sind, Ihr Bauvorhaben oder Ihre Nutzungsidee vollständig an diesen kommunalen Vorgaben auszurichten.

Die Frist für die Abgabe der Abwendungserklärung beträgt zwei Monate ab Bekanntgabe des Vorkaufsrechts durch die Gemeinde. Wird die Abwendung erfolgreich erklärt und die Bedingungen erfüllt, verliert die Gemeinde ihr Vorkaufsrecht, und der Kaufvertrag kann wie ursprünglich geplant vollzogen werden.


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Unter welchen Voraussetzungen darf die Gemeinde den vereinbarten Kaufpreis bei Ausübung des Vorkaufsrechts herabsetzen und wie wird der „Verkehrswert“ ermittelt?

Die Gemeinde kann den Kaufpreis eines Grundstücks bei Ausübung ihres Vorkaufsrechts unter bestimmten, im Baugesetzbuch (§ 28 Abs. 3 BauGB) festgelegten Bedingungen herabsetzen. Dies ist eine Ausnahme vom Grundsatz der Vertragsfreiheit und soll verhindern, dass überhöhte Preise im Bereich des gemeindlichen Vorkaufsrechts durchgesetzt werden.

Wann darf die Gemeinde den Kaufpreis herabsetzen?

Eine Herabsetzung des vereinbarten Kaufpreises ist nur zulässig, wenn der ursprünglich vereinbarte Preis den Verkehrswert des Grundstücks deutlich übersteigt. Das bedeutet, eine geringfügige Abweichung berechtigt die Gemeinde noch nicht zu einer Preisanpassung. Es muss ein erheblicher Unterschied zwischen dem tatsächlich vereinbarten Kaufpreis und dem objektiven Marktwert bestehen.

Stellen Sie sich vor, Sie verkaufen ein Grundstück. Die Gemeinde hat ein Vorkaufsrecht. Wenn der von Ihnen und dem Käufer vereinbarte Preis weit über dem liegt, was vergleichbare Grundstücke unter normalen Umständen kosten würden, darf die Gemeinde das Vorkaufsrecht zwar ausüben, aber den Kaufpreis auf den angemessenen Verkehrswert herabsetzen. Für Sie als Verkäufer bedeutet das, dass der Erlös geringer ausfallen kann als ursprünglich geplant. Ziel dieser Regelung ist es, die öffentlichen Interessen zu schützen und spekulative Preise bei Grundstücken, die für die Stadtentwicklung wichtig sind, zu vermeiden.

Wie wird der „Verkehrswert“ ermittelt?

Der Verkehrswert, oft auch als Marktwert bezeichnet, ist der Preis, der zu einem bestimmten Zeitpunkt auf dem freien Markt unter normalen Geschäftsbedingungen für ein Grundstück zu erzielen wäre. Dabei werden alle Merkmale des Grundstücks, wie seine Lage, Größe, Bebauung, Nutzungsmöglichkeiten sowie der allgemeine Zustand des Immobilienmarktes berücksichtigt. Es geht also nicht um den höchsten oder niedrigsten möglichen Preis, sondern um einen realistischen Durchschnittswert.

Die Ermittlung des Verkehrswerts erfolgt in der Regel durch unabhängige, qualifizierte Sachverständige. Häufig wird dafür der Gutachterausschuss für Grundstückswerte herangezogen, der bei den Bauämtern oder Katasterämtern angesiedelt ist. Diese Ausschüsse bestehen aus unabhängigen Experten wie Architekten, Ingenieuren, Maklern und Finanzfachleuten.

Zur Ermittlung des Verkehrswerts nutzen diese Gutachter anerkannte Verfahren. Dazu gehören:

  • Vergleichswertverfahren: Hierbei wird der Wert aus den Kaufpreisen von tatsächlich verkauften, vergleichbaren Grundstücken abgeleitet. Wenn Ihr Grundstück zum Beispiel in einem Wohngebiet liegt, schauen die Gutachter, für wie viel ähnliche Grundstücke in der Nachbarschaft verkauft wurden.
  • Ertragswertverfahren: Dieses Verfahren kommt oft bei vermieteten Immobilien zum Einsatz. Hier wird der Wert auf Basis der zukünftigen Erträge (Mieteinnahmen) und der Restnutzungsdauer der Gebäude berechnet.
  • Sachwertverfahren: Hierbei werden die Kosten für die Wiederherstellung der baulichen Anlagen (Neubaukosten abzüglich Alterswertminderung) sowie der Bodenwert addiert.

Das Ergebnis ist ein objektiv ermittelter Wert, der als Grundlage für die Preisanpassung durch die Gemeinde dient. Dieser Wert hat auch für private Grundstücksgeschäfte große Bedeutung, da er oft die Basis für die Festsetzung von Beleihungswerten durch Banken, für Steuerfragen oder für eine faire Preisbildung bei Kauf und Verkauf darstellt. Er schafft Transparenz und Vergleichbarkeit auf dem Immobilienmarkt.


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Welche Möglichkeiten habe ich als betroffener Eigentümer oder Käufer, gegen die Ausübung eines gemeindlichen Vorkaufsrechts vorzugehen?

Wenn eine Gemeinde ihr Vorkaufsrecht für ein Grundstück ausübt, erhalten die betroffenen Eigentümer oder Käufer einen amtlichen Bescheid. Dieser Bescheid ist ein sogenannter Verwaltungsakt, gegen den bestimmte rechtliche Schritte zur Verfügung stehen, um die Entscheidung prüfen und gegebenenfalls anfechten zu lassen.

Rechtliche Schritte gegen die Ausübung des Vorkaufsrechts

Die primären rechtlichen Wege, um gegen die Ausübung eines gemeindlichen Vorkaufsrechts vorzugehen, sind im deutschen Verwaltungsrecht verankert:

  • Widerspruch: Nach Erhalt des Bescheids über die Ausübung des Vorkaufsrechts haben Sie in vielen Bundesländern die Möglichkeit, zunächst Widerspruch gegen diesen Bescheid einzulegen. Dies muss innerhalb einer bestimmten Frist, meist innerhalb eines Monats nach Zustellung des Bescheids, schriftlich bei der Gemeinde oder der zuständigen Behörde erfolgen. Der Widerspruch leitet ein internes Überprüfungsverfahren bei der Behörde ein. Sollte der Widerspruch keinen Erfolg haben, erhalten Sie einen Widerspruchsbescheid. Es ist wichtig zu wissen, dass in einigen Bundesländern das Widerspruchsverfahren vor der Klage abgeschafft wurde oder nur in bestimmten Fällen vorgesehen ist. Prüfen Sie daher genau, ob ein Widerspruch in Ihrem Fall notwendig oder möglich ist.
  • Klage vor dem Verwaltungsgericht: Wenn kein Widerspruch erforderlich ist oder der Widerspruch erfolglos bleibt, kann gegen die Ausübung des Vorkaufsrechts Klage vor dem zuständigen Verwaltungsgericht erhoben werden. Auch hierfür gelten strikte Fristen, in der Regel ein Monat nach Bekanntgabe des Bescheids oder des Widerspruchsbescheids. Mit einer sogenannten Anfechtungsklage wird das Gericht gebeten, die Rechtmäßigkeit der Vorkaufsrechtsausübung zu überprüfen und den Bescheid der Gemeinde aufzuheben.

Typische Gründe, um die Ausübung des Vorkaufsrechts anzufechten

Die Gemeinde darf ihr Vorkaufsrecht nicht willkürlich ausüben, sondern muss bestimmte gesetzliche Voraussetzungen erfüllen. Wenn diese Voraussetzungen nicht gegeben sind, bestehen gute Gründe, die Entscheidung anzufechten. Zu den häufigsten Anfechtungsgründen gehören:

  • Fehlende städtebauliche Begründung: Das Vorkaufsrecht darf nur ausgeübt werden, wenn dies durch das Wohl der Allgemeinheit gerechtfertigt ist, insbesondere wenn das Grundstück für bestimmte städtebauliche Zwecke benötigt wird. Beispiele hierfür sind die Schaffung von Grünflächen, der Bau von Schulen oder Straßen oder die Entwicklung von Wohngebieten im Rahmen eines Bebauungsplans. Eine fehlende oder nicht ausreichend dargelegte städtebauliche Begründung ist ein häufiger Angriffspunkt. Die Gemeinde muss konkret aufzeigen, für welchen Zweck das Grundstück benötigt wird und wie dies einem wichtigen Allgemeinwohlinteresse dient.
  • Fehlerhafte Ermittlung des Verkehrswertes: Die Gemeinde muss bei der Ausübung des Vorkaufsrechts den nach dem Vertrag zu zahlenden Kaufpreis entrichten, der dem tatsächlichen Verkehrswert des Grundstücks entspricht. Falls die Gemeinde den Verkehrswert fehlerhaft ermittelt hat oder der Kaufpreis im Vertrag deutlich unter dem Verkehrswert liegt, kann dies ein Anfechtungsgrund sein. Das Gesetz soll verhindern, dass die Gemeinde einen zu geringen Preis zahlt und somit der Verkäufer benachteiligt wird.
  • Verstoß gegen das Abwendungsrecht: Das sogenannte Abwendungsrecht ist ein wichtiges Instrument für Käufer oder Eigentümer. Nach § 27 des Baugesetzbuchs (BauGB) haben Sie unter bestimmten Voraussetzungen die Möglichkeit, die Ausübung des Vorkaufsrechts durch die Gemeinde abzuwenden. Dies geschieht, indem Sie sich gegenüber der Gemeinde verpflichten, selbst die städtebaulichen Ziele und Zwecke zu verwirklichen, die die Gemeinde mit dem Vorkaufsrecht erreichen wollte. Wenn Sie dieses Angebot fristgerecht und rechtswirksam abgeben und die Gemeinde das Vorkaufsrecht dennoch ausübt, kann dies einen Verstoß gegen Ihr Abwendungsrecht darstellen und die Ausübung des Vorkaufsrechts rechtswidrig machen.

Bedeutung der Prüfung des Bescheids und der Fristen

Ein sorgfältiges Lesen des Bescheids, den Sie von der Gemeinde erhalten, ist von großer Bedeutung. Dort sind die Begründung der Gemeinde für die Ausübung des Vorkaufsrechts sowie die genaue Belehrung über die zur Verfügung stehenden Rechtsmittel und die einzuhaltenden Fristen aufgeführt. Die Einhaltung der Fristen ist absolut entscheidend, da ein verpasster Termin den Verlust der Möglichkeit bedeuten kann, die Entscheidung gerichtlich überprüfen zu lassen.


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Hinweis: Bitte beachten Sie, dass die Beantwortung der FAQ Fragen keine individuelle Rechtsberatung darstellt und ersetzen kann. Alle Angaben im gesamten Artikel sind ohne Gewähr. Haben Sie einen ähnlichen Fall und konkrete Fragen oder Anliegen? Zögern Sie nicht, uns zu kontaktieren. Wir klären Ihre individuelle Situation und die aktuelle Rechtslage.


Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt

Abwendungsrecht

Das Abwendungsrecht ist eine wichtige Möglichkeit für den ursprünglichen Käufer eines Grundstücks, die Ausübung des gemeindlichen Vorkaufsrechts zu verhindern. Es erlaubt dem Käufer, das Grundstück doch noch zu erwerben, wenn er sich verbindlich dazu verpflichtet, das Grundstück genau für den Zweck zu nutzen, den die Gemeinde mit ihrem Vorkaufsrecht erreichen will. Die geplante Nutzung muss also den konkreten städtebaulichen Zielen der Gemeinde präzise entsprechen. Diese Verpflichtung muss innerhalb einer Frist gegenüber der Gemeinde erklärt werden.

Beispiel: Eine Gemeinde möchte ein Grundstück kaufen, um dort Sozialwohnungen zu bauen. Der ursprüngliche Käufer kann das Vorkaufsrecht abwenden, indem er sich selbst rechtsverbindlich verpflichtet, auf dem Grundstück ebenfalls Sozialwohnungen zu errichten.

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Bauvorbescheid

Ein Bauvorbescheid ist eine verbindliche und rechtlich bindende Auskunft der Baubehörde zu einzelnen, wichtigen Fragen eines geplanten Bauvorhabens. Er gibt dem Bauherrn frühzeitig Planungssicherheit darüber, ob ein bestimmtes Bauprojekt an einem spezifischen Standort grundsätzlich zulässig ist, bevor der vollständige und aufwendige Bauantrag gestellt wird. So kann der Bauherr prüfen lassen, ob die Art der Nutzung oder die Größe des Gebäudes prinzipiell den öffentlich-rechtlichen Vorschriften entspricht.

Beispiel: Ein Bauherr möchte wissen, ob auf seinem Grundstück ein Mehrfamilienhaus mit vier Stockwerken erlaubt ist, bevor er teure Baupläne anfertigen lässt. Er beantragt einen Bauvorbescheid für diese konkrete Frage.

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Bebauungsplan

Der Bebauungsplan ist ein wichtiges Instrument der kommunalen Bauleitplanung. Er ist eine rechtlich verbindliche Planung der Gemeinde, die festlegt, wie Grundstücke in einem bestimmten Gebiet genutzt und bebaut werden dürfen. Er schreibt detailliert vor, welche Art von Gebäuden (z.B. Wohnhäuser, Geschäfte, Industrie) erlaubt ist, wie hoch sie sein dürfen und wo genau sie stehen müssen. Er dient der geordneten städtebaulichen Entwicklung.

Beispiel: Ein Bebauungsplan kann vorschreiben, dass in einem bestimmten Wohngebiet nur Einfamilienhäuser mit maximal zwei Stockwerken gebaut werden dürfen und ein Teil der Fläche als Grünzug erhalten bleiben muss.

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Verkehrswert

Der Verkehrswert, oft auch Marktwert genannt, ist der Preis, der zu einem bestimmten Zeitpunkt auf dem freien Markt für ein Grundstück oder eine Immobilie erzielt werden könnte. Er berücksichtigt alle wertbestimmenden Merkmale wie Lage, Größe, Zustand und Nutzungsmöglichkeiten und wird von unabhängigen Sachverständigen objektiv ermittelt. Die Ermittlung erfolgt nach anerkannten Verfahren, um einen realistischen Durchschnittswert zu erhalten. Im Kontext des gemeindlichen Vorkaufsrechts darf die Gemeinde den Kaufpreis auf diesen Wert herabsetzen, wenn der vereinbarte Preis deutlich darüber liegt.

Beispiel: Eine Villa in guter Lage, die für 2 Millionen Euro angeboten wird, könnte einen Verkehrswert von nur 1,5 Millionen Euro haben, wenn vergleichbare Objekte in der Gegend zu diesem Preis gehandelt werden und keine besonderen Merkmale den höheren Preis rechtfertigen.

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Vorkaufsrecht (der Gemeinde)

Das Vorkaufsrecht der Gemeinde ist ein gesetzliches Recht, das es einer Stadt oder Gemeinde ermöglicht, bei einem Grundstücksverkauf in den Kaufvertrag einzutreten. Sie kann das Grundstück dann selbst zu den ursprünglich vereinbarten Konditionen (oder dem Verkehrswert, wenn der Preis überhöht war) erwerben und tritt damit an die Stelle des ursprünglichen Käufers. Dieses Recht dient der Umsetzung wichtiger städtebaulicher Ziele, wie der Schaffung von Infrastruktur oder der Entwicklung bestimmter Gebiete. Es ist im Baugesetzbuch geregelt und ist nicht im Grundbuch eingetragen.

Beispiel: Eine Gemeinde plant eine neue Schule und übt ihr Vorkaufsrecht für ein passendes Grundstück aus, das gerade von einem privaten Investor gekauft werden sollte, um dort ein Einkaufszentrum zu errichten.

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Wichtige Rechtsgrundlagen


  • § 24 Baugesetzbuch (BauGB) – Besonderes Vorkaufsrecht der Gemeinde: Das besondere Vorkaufsrecht der Gemeinde ermöglicht es Städten und Gemeinden, bei einem Grundstücksverkauf in bestimmten Gebieten oder bei bestimmten Vorhaben anstelle des ursprünglichen Käufers selbst das Grundstück zu erwerben. Dies darf die Gemeinde jedoch nur tun, wenn der Erwerb dem Wohl der Allgemeinheit dient und städtebauliche Ziele damit verwirklicht werden sollen. Es ist ein wichtiges Instrument der Stadtentwicklung, um die Kontrolle über wichtige Flächen zu behalten und Fehlentwicklungen zu verhindern.

    → Bedeutung im vorliegenden Fall: Die Stadt Hamburg machte von diesem Recht Gebrauch, um das Grundstück zu erwerben, da sie es für ihre spezifischen städtebaulichen Ziele der Entwicklung eines Industrie- und Gewerbestandorts benötigte.

  • Bebauungsplan (BauGB): Ein Bebauungsplan ist ein verbindlicher Bauleitplan, der als Satzung von der Gemeinde erlassen wird. Er regelt detailliert, wie Grundstücke in einem bestimmten Geltungsbereich bebaut und genutzt werden dürfen, zum Beispiel ob dort Wohnungen, Geschäfte oder Industrieanlagen erlaubt sind und wie hoch oder dicht gebaut werden darf. Er dient der geordneten städtebaulichen Entwicklung und ist für jedermann rechtlich bindend.

    → Bedeutung im vorliegenden Fall: Das betroffene Grundstück lag in einem Gebiet, das laut Bebauungsplan als Gewerbegebiet ausgewiesen war, was die Diskussion über die grundsätzliche Zulässigkeit des geplanten Hotels entfachte, bevor die spezifischen Ziele der Stadt hinzukamen.

  • § 27 Baugesetzbuch (BauGB) – Abwendung des Vorkaufsrechts: Dieser Paragraph gibt dem ursprünglichen Käufer die Möglichkeit, das Vorkaufsrecht der Gemeinde abzuwenden. Dies ist möglich, wenn der Käufer sich vertraglich verpflichtet, das Grundstück so zu nutzen oder zu bebauen, dass es den städtebaulichen Zielen der Gemeinde entspricht, für die das Vorkaufsrecht ausgeübt wurde. Ziel ist es, den Eingriff in die Vertragsfreiheit zu minimieren, wenn das gewünschte Ergebnis auch ohne den Eigentümerwechsel erreicht werden kann.

    → Bedeutung im vorliegenden Fall: Die Käuferin versuchte, das Vorkaufsrecht abzuwenden, indem sie anbot, das Grundstück gewerblich zu nutzen; das Gericht sah dies jedoch als nicht ausreichend an, da ihre konkrete Planung den spezifischen Zielen der Stadt entgegenstand.

  • § 28 Baugesetzbuch (BauGB) – Kaufpreis und Ablösung: Dieser Paragraph regelt den Kaufpreis, wenn eine Gemeinde ihr Vorkaufsrecht ausübt. Er besagt, dass die Gemeinde den vereinbarten Kaufpreis zahlen muss, es sei denn, dieser übersteigt den Verkehrswert des Grundstücks in einer erkennbar deutlichen Weise. In diesem Fall kann die Gemeinde den Kaufpreis auf den Verkehrswert herabsetzen, um die öffentlichen Kassen zu schützen und spekulative Preistreiberei zu verhindern.

    → Bedeutung im vorliegenden Fall: Die Stadt reduzierte den vereinbarten Kaufpreis auf den von einem Gutachter ermittelten Verkehrswert, da der ursprüngliche Preis diesen deutlich überstieg, was das Gericht als rechtmäßig bestätigte.

  • Verkehrswert (§ 194 Baugesetzbuch – BauGB): Der Verkehrswert, oft auch als Marktwert bezeichnet, ist der Preis, der zu einem bestimmten Zeitpunkt im gewöhnlichen Geschäftsverkehr für ein Grundstück oder eine Immobilie zu erzielen wäre. Er wird nach den am Markt herrschenden Bedingungen und unter Berücksichtigung aller wertbeeinflussenden Merkmale des Objekts ermittelt, wie Lage, Zustand, Größe und Nutzungsmöglichkeiten. Grundlage für die Ermittlung sind amtliche Gutachten.

    → Bedeutung im vorliegenden Fall: Der vom Gutachterausschuss ermittelte Verkehrswert von 830.000 Euro diente der Stadt als Begründung und Grundlage für die Herabsetzung des Kaufpreises nach Ausübung des Vorkaufsrechts.


Das vorliegende Urteil


LG Hamburg – Az.: 351 O 8/22 – Urteil vom 14.02.2025


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