LG Erfurt – Az.: 3 OH 32/11 – Beschluss vom 08.02.2012
Auf die Beanstandung des Kostenschuldners wird die Kostenrechnung des Kostengläubigers vom 06.05.2011 zur … teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Organbeschlüsse (Geschäftswert 25.000) § 47; 39 I/27; 26 III 168,00 €
Registeranmeldung (Geschäftswert 25.000) § 38 II,7; § 41 a IV 42,00 €
Vertrag (Geschäftswert 900) § 36 II; 39 II; 20 20,00 €
Dokumentenpauschale §§ 136 und 152 Abs. 1 7,50 €
Post- und Telekommunikationsleistungen §§ 137; 152 Abs. 2 5.80 €
Netto-Gesamtsumme 243.30 €
19 % Umsatzsteuer § 151 a 46.23 €
Rechnungsbetrag 289,53 €
Die weitergehende Beanstandung des Kostenschuldners wird zurückgewiesen.
Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei; außergerichtliche Auslagen werden nicht erstattet.
Gründe
I.
Der Notar (Antragsgegner) beurkundete am … den Verkauf und die Abtretung eines GmbH-Geschäftsanteils mit einem Nominalbetrag von 1250 €. Der vereinbarte Kaufpreis betrug 900 €. Darüber hinaus enthält die Urkunde einen Gesellschafterbeschluss über die Abberufung des Veräußerers als bisherigen Geschäftsführer.
Der Notar legt seiner Kostenrechnung vom … über einen Rechnungsbetrag von insgesamt 329,99 € für die Abberufung des Geschäftsführers und die Registeranmeldung einen Geschäftswert von jeweils 25.000 € zu Grunde. Für die Bescheinigung der Gesellschafterlist berechnet er ebenso eine gesonderte Gebühr wie für die Erzeugung einer so genannten XML-Strukturdatei.
Der Antragsteller rügt die Höhe des angesetzten Geschäftswerts und meint, angesichts des Kaufpreises von 900 € sei der Geschäftswert von 25.000 € zu hoch. Bei den weiteren Gebühren für die Registeranmeldung, der Bescheinigung der Gesellschafterliste und der Erstellung einer XML-Strukturdatei handele es sich um gebührenfreie Nebengeschäfte.
Der Notar hat die Entscheidung des Landgerichts beantragt. Die Ländernotarkasse hat in ihrer Stellungnahme bis auf die Gebühr für die Erstellung einer XML-Strukturdatei die Kostenrechnung des Notars für sachlich und rechnerisch richtig befunden. Die Bescheinigung der Gesellschafterliste nach § 40 Abs. 2 Satz 2 GmbH-Gesetz stelle kein gebührenfreies Nebengeschäft dar, anders die Gebühr für die Erzeugung einer XML-Strukturdatei. Die Bezirksrevisorin hat sich der Auffassung der Ländernotarkasse angeschlossen und meint ebenfalls, dass die Bescheinigung der Gesellschafterliste nach § 40 Abs. 2 Satz 2 GmbH-Gesetz kein gebührenfreies Nebengeschäft im Sinne des § 35 KostO sei.
II.
Die gemäß § 156 Abs. 1 KostO beantragte Entscheidung des Landgerichts ist statthaft und hat teilweise Erfolg.
Die in der beanstandeten Kostenrechnung erhobenen Gebühren für die Organbeschlüsse und die Registeranmeldung sind zutreffend nach einem Geschäftswert von jeweils 25.000 € berechnet. Hingegen stellt die notarielle Bescheinigung einer GmbH-Gesellschafterliste ebenso ein gebührenfreies Nebengeschäft dar wie die Erstellung einer so genannten XML Datei im Zuge der elektronischen Registeranmeldung.
Der Geschäftswert für die Organbeschlüsse und die Registeranmeldung beträgt jeweils 25.000 €. Die entsprechenden Rechnungspositionen von 168 € netto und 42 € netto sind sachlich und rechnerisch richtig.
Der Geschäftswert einer Geschäftsführerabberufung im Beschlusswege beträgt bei einer Kapitalgesellschaft 1 Prozent des eingetragenen Grund- oder Stammkapitals, mindestens 25.000 €, weil es sich um einen Beschluss mit unbestimmtem Geldwert handelt, §§ 41 c Abs. 1, 41 a Abs. 4 Nummer 1 KostO. Das Kostenprivileg des § 41 d KostO gilt hier nicht, wird auch nicht geltend gemacht. Die Unternehmergesellschaft wurde nicht gemäß § 2 Abs. 1 a) GmbH-Gesetz in einem vereinfachten Verfahren mit Musterprotokoll gegründet.
Für die Beurkundung der Anmeldung zum Handelsregister, die nicht lediglich eine reine Unterschriftsbeglaubigung darstellt, fällt für den Notar die Hälfte der vollen Gebühr gemäß §§ 38 Abs. 2 Nummer 7, 145 Abs. 1 Satz 1 KostO an. Es handelt sich in diesem Fall nicht um ein gebührenfreies Nebengeschäft gemäß § 35 Kostenordnung.
Bei der Bescheinigung der Gesellschafterliste gemäß § 40 Abs. 2 Satz 2 GmbH handelt es sich um ein gebührenfreies Nebengeschäft im Sinne des § 35 KostO. Eine gesonderte Gebühr gemäß § 50 Abs. 1 Nummer 1 KostO kann hierfür nicht verlangt werden.
Unter einem Nebengeschäft im Sinne des § 35 KostO fällt, was im Verhältnis zum Hauptgeschäft als eine minderwichtige Tätigkeit erscheint und mit dem Hauptgeschäft derart im Zusammenhang steht, dass es nicht als selbstständiges Geschäft in Erscheinung tritt, sondern nur dazu dient, das Hauptgeschäft vorzubereiten oder zu fördern. Darüber hinaus muss es zum Pflichtenkreis des Notars gehören und von ihm ohne besonderen Auftrag zur sachgemäßen Erledigung des Hauptgeschäft auszuführen sein (Korintenberg/Lappe Kostenordnung 18. Auflage Rn. 4f. zu § 35; OLG Frankfurt a. M. NZG 2007, 919). Umgekehrt gilt dasjenige, was der Notar ohne einen Verstoß gegen seine Amtspflicht ablehnen kann, nicht als Nebengeschäft.
Gemäß § 40 Abs. 2 GmbH-Gesetz hat ein Notar, wenn er an Veränderungen in den Personen der Gesellschafter oder des Umfangs ihrer Beteiligung (§ 40 Abs. 1 GmbH-Gesetz) mitgewirkt hat, unverzüglich nach deren Wirksamwerden ohne Rücksicht auf etwaige später eintretende Unwirksamkeitsgründe die Liste anstelle der Geschäftsführer zu unterschreiben, zum Handelsregister einzureichen und eine Abschrift der geänderten Liste an die Gesellschaft zu übermitteln. Nach § 40 Abs. 2 Satz 2 GmbH-Gesetz muss die Liste mit der Bescheinigung des Notars versehen sein, dass die geänderten Eintragungen den Veränderungen entsprechen, an denen er mitgewirkt hat, und die übrigen Eintragungen mit dem Inhalt der zuletzt im Handelsregister aufgenommenen Liste übereinstimmen.
Im vorliegenden Fall hat der Notar unstreitig an der Veränderung im Sinne des § 40 Abs. 1 GmbH-Gesetz mitgewirkt. Insoweit ist die mit MoMiG neugefasste Notarpflicht zur Einreichung der Gesellschafterliste sowohl notarielle Vollzugstätigkeit anstelle der Geschäftsführer als auch öffentlich-rechtlich Aufgabe kraft Amtsstellung. Nach der Neuregelung hat der Notar die neue Gesellschafterliste selbst zu erstellen und zu unterschreiben. Mit der Formulierung „anstelle der Geschäftsführer“ ist klargestellt, dass den Notar hinsichtlich der Erstellung und Einreichung der Gesellschafterliste eine originäre Amtspflicht trifft. Die Gesellschafterliste ist zusammen mit der Bescheinigung des Notars einzureichen. Vorbild dieser Regelung ist die Satzungsbescheinigung gemäß § 54 Absatz 1 Satz 2 GmbH-Gesetz. (vgl. Baumbach/Hueck GmbH-Gesetz Rn. 49, 57, 63, 66 zu § 40). Diese wird ausdrücklich in § 47 Satz 1 KostO als gebührenfreies Nebengeschäft im Sinne des § 35 KostO qualifiziert. Daraus folgt nicht im Umkehrschluss, dass die aus § 40 Abs. 2 Satz 1 GmbH-Gesetz resultierende Tätigkeit des Notars kein gebührenfreies Nebengeschäft darstellt. Eine klarstellende Norm beinhaltet allein keinen eigenen Regelungsgehalt, sondern weist nur auf ein bereits ohne sie geltenden Grundsatz hin (OLG Stuttgart ZIP 2009, 1784; LG Stuttgart Juristisches Büro 2009, 602). Ebenso wenig verfängt das Argument, eine entsprechende Anwendung des § 47 KostO sei wegen des im Kostenrecht geltenden Analogieverbots ausgeschlossen. Das aus § 1 Satz 1 KostO folgende Analogieverbot greift zulasten des Kostenschuldners, nicht aber zu seinen Gunsten (BGH NJW-RR 2006, 1003; NJW-RR 2007, 1148).
Nach Hasselmann (Hasselmann in NZG 2009, 486) sind Sinn und zusätzlicher Gehalt der Bescheinigung gemäß § 40 Abs. 2 Satz 2 GmbH-Gesetz nicht evident. Der Notar sei bereits nach § 40 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 GmbH-Gesetz (siehe oben) verpflichtet, eine richtige Liste zu erstellen und einzureichen. Daran ändere die Bescheinigung nichts. Eine falsche Liste werde durch die Bescheinigung nicht richtig. Allein die Gesellschafterliste, nicht die Notarbescheinigung sei der Rechtsscheinträger für Zwecke des § 16 GmbH-Gesetz. Folglich löse die Verletzung der Verpflichtung zur Beifügung einer Bescheinigung nicht die Haftung des Notars aus (Hasselmann aaO).
Mit diesen Erläuterungen zum Zweck der Bescheinigung gemäß § 40 Abs. 2 Satz 2 GmbH-Gesetz wird nochmals deutlich, dass diese Amtspflicht des Notars als Nebengeschäft gemäß § 35 KostO anzusehen ist und keine gesonderte Gebühr gemäß § 50 Abs. 1 Nummer 1 KostO begründet (OLG Stuttgart aaO.; ebenso OLG Brandenburg MDR 2011, 200).
Von der Kostenrechnung des Notars vom 06.05.2011 sind daher 10 € netto abzusetzen.
Für die Erstellung einer Strukturdatei (XML-Datei) kann eine Gebühr nach § 147 Abs. 2 Kostenordnung nicht verlangt werden. Bei dieser Tätigkeit handelt es sich um einen Nebengeschäft im Sinne der §§ 147 Abs. 3, 35 KostO.
In der obergerichtlichen Rechtsprechung ist einhellige Auffassung, dass die Erstellung einer XML-Strukturdatei ein gebührenfreies Nebengeschäft zur elektronischen Handelsregisteranmeldung ist (OLGR Hamm 2009, 362-363; OLG Stuttgart Justiz 2010, 205-206). Die hierzu gehörte der Ländernotarkasse hat sich zwischenzeitlich der obergerichtlichen Rechtsprechung angeschlossen und in ihrer Stellungnahme empfohlen, die vom Notar in Ansatz gebrachte Gebühr zu streichen.
§ 147 Abs. 2 KostO setzt voraus, dass die Kostenordnung für die betreffende Notartätigkeit keine Gebühr bestimmt und auch keine Regelung enthält, aus der sich ergibt, dass dem Notar für diese Tätigkeit keine gesonderte Gebühr erwachsen soll (BGH NJW 2006, 3428; NJW 2007, 3212). Demnach kann eine Gebühr nicht für Nebengeschäfte im Sinne der §§ 147 Abs. 3 und Abs. 4 KostO in Verbindung mit 35 KostO verlangt werden.
Auf die oben zu § 35 KostO zitierte Definition wird verwiesen. Der rechtliche Vollzug des beurkundeten Vorgangs selbst gehört selbstverständlich zu dem Tätigkeitsbereich, in dem der Notar nach den §§ 147 Abs. 3, 35 KostO keine gesonderte Vergütung verlangen kann.
Vorliegend hat der Notar die Anmeldung der eintragungspflichtigen Tatsache des Erwerbs eines Geschäftsanteils gemäß § 53 Beurkundungsgesetz beim Handelsregister elektronisch in öffentlich beglaubigter Form einzureichen, § 12 Abs. 1 HGB. Das Papierdokument ist in ein elektronisches Dokument umzuwandeln und zu übermitteln. Die Erstellung der XML-Datei stellt den Vollzug der nach § 12 HGB geforderten Anmeldung sicher, hat aber daneben keine eigenständige Bedeutung. Die Erstellung der Datei ist integraler Bestandteil des elektronisch ausgestalteten Vollzugvorgangs und macht ohne denselben keinen Sinn (OLG Hamm aaO.; OLG Stuttgart aaO.). Dabei wird nicht übersehen, dass mit der Erzeugung der Datei ein gewisser Aufwand verbunden ist. Allerdings ist der Aufwand einer Tätigkeit kein tragfähiges Argument für das Entstehen einer Gebühr (BGH NJW 2005, 3218). Ebenso wenig verfängt das Argument, der Notar sei auch nicht zur Erstellung der Datei verpflichtet und deshalb könne er eine gesonderte Gebühr abrechnen (Otto Juristisches Büro 2007, 120, 123). Dieses Argument ist für die Beurteilung, ob ein so genanntes Nebengeschäft vorliegt, ohne Bedeutung. Denn § 147 Abs. 3 KostO setzt nicht voraus, dass es sich um ein pflichtgebundenes Geschäft des Notars handelt (BGH NJW 2006, 3428).
Von der Kostenrechnung des Notars vom … sind daher 24 € netto abzusetzen.
Unter Berücksichtigung der oben erörterten und sachlich wie rechnerisch richtigen Rechnungspositionen von netto 168 € (Organbeschlüsse), netto 42 € (Registeranmeldung) und den nicht angefochtenen Rechnungsposten für den Vertrag von netto 20 €, der Dokumentenpauschale von netto 7,50 € und für Post- und Telekommunikationsleistungen von netto 5,80 € vermindert sich die Kostenrechnung in Höhe von brutto 329,99 € um einen Betrag von 40,46 € (10 € und 24 € netto) auf einen Betrag von 289,53 € brutto. Die angefochtene Kostenrechnung war daher wie aus dem Tenor ersichtlich abzuändern und neu zu fassen.
Die Nebenentscheidungen beruhen auf § 156 Abs. 6 Kostenordnung.