OLG Düsseldorf – Az.: I-3 Wx 93/20 – Beschluss vom 09.04.2021
Die Beschwerde wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
Beschwerdewert: bis zu 60.000 €
Gründe
I.
Der Beteiligte zu 1 hat mit notariellem Kaufvertrag vom 24. Mai 2019 das Grundstück … Straße 13 in … erworben. Das Grundstück besteht aus den Flurstücken 74 und 338 der Flur 60 der Gemarkung .. und ist in Blatt 23242 des Grundbuchs von … eingetragen.
Das Grundstück grenzt auf der einen Seite an die … Straße und reicht auf der anderen Seite in Richtung …bach. Zwischen diesem und dem Grundstück des Klägers verläuft an dessen Ufer das ca. 78 qm große Flurstück 344, teilweise als (nicht angelegter) Weg, teilweise als Böschungs- und Uferfläche. Das (heutige) Flurstück 344 ist katastermäßig abgemarkt und mit einer Flurstücksnummer versehen, nicht aber im Grundbuch gebucht.
Bei den Nachbargrundstücken … Straße 11 bis 21 findet sich eine ähnliche Situation und das Flurstück 344 bildet zusammen mit den Flurstücken 340 bis 345 die Wege-, Böschungs- bzw. Uferfläche.
Ursprünglich trug diese gesamte Fläche entlang des …bachs die Flurstücksnr. 289. Mit der Aufstellung des neuen Liegenschaftskatasters 1958 wurde sie zum Flurstück 70. Mit Grenzniederschrift vom 14. Jan. 2019 haben die Grundstückseigentümer der Grundstücke … Straße 11 bis 21 im Hinblick auf ein förmliches Grundbuchanlegungsverfahren und einen späteren Grunderwerb die (katastermäßige) Zerlegung des Flurstücks 70 beantragt, woraufhin katastermäßig die Flurstücke 340 bis 346 gebildet worden sind.
Der Beteiligte zu 1 hat im notariellen Kaufvertrag vom 24. Mai 2019 eine Aneignungserklärung bzgl. des Flurstücks 344 abgegeben. Er hat geltend gemacht, der Bau- und Liegenschaftsbetrieb NRW habe dem Notar telefonisch angekündigt, gegen Zahlung einer Gebühr auf sein gesetzliches Aneignungsrecht zugunsten des Beteiligten zu 1 zu verzichten, sobald für das Grundstück ein Grundbuchblatt angelegt sei.
Im Hinblick darauf hat der Notar – namens und im Auftrag aller Beteiligten gem. §§ 3, 116ff. GBO – die Anlegung eines Grundbuchblatts für das – herrenlose – Grundstück beantragt.
Der Beteiligte zu 2 hat dazu ausgeführt, ihm obliege nach § 61 LWG NRW iVm § 39 WHG die Gewässerunterhaltungspflicht für den …bach. Dem Aneignungsantrag sollte aus Sicht des Hochwasser- und Gewässerschutzes nicht zugestimmt werden. Gleiches gelte aus Sicht der Grün- und Freiraumentwicklung, Kleingartenwesen und Landschaftspflege. Zudem wären dann auch bestehende Leitungsrechte für eine Gasleitung im Grundbuch nicht geregelt. Wegen der Signalwirkung für die Nachbargrundstücke solle dem Anliegen nicht entsprochen werden.
Das Grundbuchamt hat mit dem angefochtenen Beschluss den Antrag kostenfrei zurückgewiesen. Es liege zwar keine Widmung vor, das Grundstück werde aber von dem Beteiligten zu 2 unterhalten und es handele sich um einen Zugangsweg im Uferbereich des Alten Angerbaches. Das Grundstück sei daher nicht herrenlos, sondern buchungsfrei im Sinne von § 3 Abs. 2 GBO.
Die Beschwerde des Beteiligten zu 1, die Beteiligte zu 2 habe sich mit der dinglichen Rechtslage nicht auseinandergesetzt, hat das Grundbuchamt mit Nichtabhilfebeschluss vom 18. Mai 2020 zurückgewiesen. Im Falle eines Grundbuchanlegungsverfahrens würde die Beteiligte zu 2, die seit Jahrzehnten die Unterhaltung trage, eine solche (Grundbuchanlegung) für sich selbst oder ihre Wirtschaftsbetriebe beantragen.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Grundakte Bezug genommen.
II.
Die Beschwerde ist gem. §§ 71 Abs. 1, 72, 73 Abs. 1 und 2 Satz 1 GBO als unbeschränkte Grundbuchbeschwerde statthaft und nach der vom Amtsgericht ordnungsgemäß erklärten Nichtabhilfe dem Senat zur Entscheidung angefallen, § 75 GBO.
Sie hat im Ergebnis keinen Erfolg. Sofern das Flurstück 344 ein buchungsfreies sein sollte, ist die Beschwerde zulässig, aber unbegründet. Sofern es sich nicht um ein buchungsfreies Grundstück handeln sollte, ist die Beschwerde bereits unzulässig.
Die Anlegung eines Grundbuchblattes nach § 3 Abs. 2 GBO kommt nicht in Betracht.
Nach § 3 Abs. 2 GBO erhalten sog. buchungsfreie Grundstücke auf Antrag des Eigentümers oder eines Berechtigten ein Grundbuchblatt. Buchungsfrei sind die in § 3 Abs. 2 GBO genannten Grundstücke, weil die dort genannten institutionellen Eigentümer mit ihren Grundstücken in der Regel nicht am Rechtsverkehr teilnehmen (vgl. Holzer, in BeckOK GBO, Hügel, Stand 1. Febr. 2021, § 3 Rdnr. 19). Bei solchermaßen buchungsfreien Grundstücken legt das Grundbuchamt später ein Grundbuchblatt an, dies jedoch nur auf Antrag des Eigentümers oder eines sonst dinglich Berechtigten. Dabei hat der Antragsteller darzutun, dass er zu einer der nach § 123 GBO als Eigentümer einzutragenden Personengruppen gehört, und Tatsachen nachzuweisen, die sein Eigentum zumindest wahrscheinlich machen (vgl. OLG Rostock, FGPrax 2019, 12).
Unterstellt, das Flurstück 344 sei ein buchungsfreies im Sinne von § 3 Abs. 2 GBO (was das Grundbuchamt angenommen, der Beteiligte zu 1 aber bezweifelt hat), fehlt es jedenfalls an der Antragsberechtigung des Beteiligten zu 1, der zweifelsfrei weder Eigentümer noch dinglich Berechtigter dieses Flurstücks ist.
Ist das Flurstück 344 nicht buchungsfrei gem. § 3 Abs. 2 GBO, ist die Beschwerde unzulässig.
In diesem Fall richtet sich die Anlegung eines Grundbuchblattes nach §§ 116 ff. GBO (vgl. dazu z.B. Senat, NJW-RR 2020, 788 und BeckRS 1997, 00990). Das Verfahren ist von Amts wegen durchzuführen, wenn das Grundstück dem Buchungszwang unterliegt und das Grundbuchamt z.B. durch eine Mitteilung des Liegenschaftskatasters Kenntnis von seiner Existenz erlangt (Keller, in Keller/Munzig, KEHE, Grundbuchrecht, 8. Aufl., § 116, 1;Schöner/Stöber, Grundbuchrecht, 16. Aufl., Rdnr. 1007). Gegen alle im Anlegungsverfahren ergangenen ablehnenden Entscheidungen des Grundbuchamtes ist die unbeschränkte Beschwerde statthaft (Holzer, a.a.O., § 125, Rdnr. 4; Keller, a.a.O., § 125, Rdnr. 4).
Die Zulässigkeit der Beschwerde hängt weiter davon ab, dass der Beschwerdeführer im Einzelfall auch beschwerdeberechtigt ist (BayObLGZ 1980, 185). Die Beschwerdeberechtigung ist in der GBO nicht besonders geregelt, nach herrschender Meinung findet § 59 FamFG in Grundbuchsachen keine Anwendung. Andererseits kommt eine Popularbeschwerde ebenso wie in den übrigen Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit auch in Grundbuchsachen nicht in Betracht (Keller, a.a.O., § 71, Rdnr. 61). Dabei ist beschwerdeberechtigt, wer durch die Entscheidung in seiner Rechtsstellung mittelbar oder unmittelbar beeinträchtigt ist, also ein rechtlich geschütztes Interesse an der Beseitigung der Entscheidung hat (ders., a.a.O., Rdnr. 62).
Hier fehlt es an einer Beschwerdebefugnis des Beteiligten zu 1. Denn es kann nicht festgestellt werden, dass die Ablehnung der Anlegung eines Grundbuchblattes für das Flurstück 344 den Beteiligten zu 1 in seinem rechtlich geschützten Interesse beeinträchtigt.
Ein solches ergibt sich nicht aus seinem Vortrag, der Bau- und Liegenschaftsbetrieb NRW habe dem Notar telefonisch angekündigt, gegen Zahlung einer Gebühr des Beteiligten zu 1 auf sein gesetzliches Aneignungsrecht zu verzichten. Alleine durch eine solche Ankündigung, die unzweifelhaft nicht die Qualität eines öffentlich-rechtlichen Vertrages hat, erwächst dem Beteiligten zu 1 keine im Sinne der Beschwerdebefugnis geschätzte Rechtsposition.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 84 FamFG; die Festsetzung des Beschwerdewertes beruht auf §§ 61, 36 GNotKG und entspricht dem geschätzten Wert des Flurstücks 344 (78 qm x 730 € = 56.940 €).
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Rechtsbeschwerde liegen nicht vor.