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Amtsermittlungspflicht im Erbscheinsverfahren: Echtheit prüfen ohne Vorschuss?

Ein Erbscheinsstreit forderte die Amtsermittlungspflicht des Gerichts, da die Echtheit eines handschriftlichen Testaments massiv angezweifelt wurde. Das Nachlassgericht stoppte die notwendige Aufklärung und verlangte stattdessen einen Vorschuss von 7.500 Euro.

Zum vorliegenden Urteil Az.: 5 W 39/25 | Schlüsselerkenntnis | FAQ  | Glossar  | Kontakt

Das Wichtigste in Kürze

  • Gericht: Oberlandesgericht Saarbrücken
  • Datum: 17.06.2025
  • Aktenzeichen: 5 W 39/25
  • Verfahren: Beschwerde in einer Nachlasssache
  • Rechtsbereiche: Erbrecht, Verfahrensrecht

  • Das Problem: Ein Sohn bezweifelt die Echtheit des handschriftlichen Testaments seiner verstorbenen Mutter. Das Nachlassgericht wollte die Echtheit durch ein Gutachten prüfen lassen. Es forderte vom Sohn einen Vorschuss für die Kosten des Gutachters. Weil der Sohn diesen Vorschuss nicht zahlte, lehnte das Gericht das Gutachten ab. Es erteilte den Erbschein an die Tochter, ohne das Testament inhaltlich geprüft zu haben.
  • Die Rechtsfrage: Darf ein Gericht die Klärung schwerwiegender Zweifel an einem Testament verweigern, nur weil der Kläger die Kosten für ein notwendiges Gutachten nicht vorschießt?
  • Die Antwort: Nein, diese Vorgehensweise war ein schwerer Verfahrensfehler. Das Gericht muss in Nachlasssachen die wichtigen Fakten von Amts wegen ermitteln. Diese gerichtliche Pflicht zur Aufklärung darf nicht von einer Vorschusszahlung eines Beteiligten abhängen. Das Nachlassgericht muss nun das Gutachten einholen und die Echtheit des Testaments prüfen.
  • Die Bedeutung: Gerichte dürfen die notwendige Beweisaufnahme in einem Erbfall nicht aufgrund fehlender Vorschusszahlungen blockieren. Die Pflicht des Gerichts zur Aufklärung des Sachverhalts hat in diesen Verfahren Vorrang. Die tatsächliche Erbfolge muss durch das Gericht festgestellt werden.

Muss ein Gericht die Echtheit eines Testaments prüfen, auch wenn niemand dafür zahlt?

Ein Sohn zweifelt am letzten Willen seiner verstorbenen Mutter. Er ist überzeugt: Das Testament, das seine Schwester zur Alleinerbin macht, ist eine Fälschung. Das zuständige Nachlassgericht erkennt die Zweifel als berechtigt an und ordnet ein teures Gutachten an. Doch dann stellt es eine Bedingung: Der Sohn soll 7.500 Euro vorschießen. Als er das Geld nicht zahlt, stellt das Gericht seine Ermittlungen ein und will den Erbschein für die Schwester ausstellen. Darf ein Gericht seine Aufklärungspflicht an eine Vorauszahlung knüpfen? In einem Beschluss vom 17. Juni 2025 gab das Oberlandesgericht Saarbrücken eine klare Antwort und stellte die Weichen in einem erbitterten Familienstreit neu (Az.: 5 W 39/25).

Was war der Auslöser des Familienstreits?

Anfechtung der Unterschrift: Die Amtsermittlungspflicht des Gerichts verlangt ein graphologisches Gutachten des handschriftlichen Testaments.
Gericht darf Aufklärungspflicht bei Testamentstreit an Vorauszahlung knüpfen. | Symbolbild: KI

Nach dem Tod ihrer verwitweten Mutter im Oktober 2024 standen sich die beiden einzigen Kinder, ein Sohn und eine Tochter, vor dem Nachlassgericht gegenüber. Bei der Testamentseröffnung kam ein Dokument zum Vorschein, das auf den ersten Blick klare Verhältnisse schuf: Ein handschriftliches Testament, datiert auf den 6. April 2019, setzte die Tochter als alleinige Erbin ein. Der Sohn wurde nicht nur übergangen, sondern ausdrücklich enterbt. Zur Begründung enthielt das Schriftstück schwere Vorwürfe gegen ihn, die bis in die frühen 1990er Jahre zurückreichten.

Die Tochter beantragte umgehend einen Erbschein, der sie als alleinige Eigentümerin des Nachlasses ausweisen sollte. Doch der Sohn legte Widerspruch ein. Er war fest davon überzeugt, dass dieses Testament nicht von seiner Mutter stammte. Seine Argumente waren detailliert:

  • Die Unterschrift sei gefälscht.
  • Das Datum wirke nachträglich und in anderer Farbe hinzugefügt.
  • Das Testament enthalte Rechtschreibfehler, die seine Mutter nie gemacht hätte – so sei ihr eigener Vorname („Margareta“) fälschlicherweise mit „th“ („Margaretha“) geschrieben worden.
  • Der Inhalt des Testaments zeige Detailwissen über Familienkonflikte, das in dieser Form nur die Schwester haben könne.

Zusätzlich brachte der Sohn vor, seine Mutter habe an Alzheimer gelitten und sei vergesslich gewesen, weshalb ihre Testierfähigkeit infrage stehe. Er äußerte den Verdacht, seine Schwester habe die Mutter unter Druck gesetzt oder das Dokument selbst verfasst.

Das Amtsgericht Merzig hielt diese Einwände für gravierend genug, um der Sache nachzugehen. Es ordnete an, ein graphologisches Sachverständigengutachten zur Echtheit der Handschrift einzuholen und behielt sich vorsorglich auch ein psychiatrisches Gutachten zur Testierfähigkeit vor. Den entscheidenden Haken formulierte das Gericht jedoch im selben Beschluss: Die Beauftragung der Gutachter sollte erst erfolgen, wenn der Sohn einen Auslagenvorschuss von 7.500 Euro eingezahlt hätte. Als die gesetzte Frist ohne Zahlung verstrich, zog das Gericht einen Schlussstrich: Ohne Vorschuss kein Gutachten. Da die Echtheit des Testaments somit nicht widerlegt sei, gelte die gesetzliche Vermutung für seine Gültigkeit. Folgerichtig stellte es fest, dass alle Tatsachen für die Erteilung des von der Tochter beantragten Erbscheins vorlägen. Gegen diesen Beschluss legte der Sohn Beschwerde beim Oberlandesgericht ein.

Welche Rolle spielt die gerichtliche Aufklärungspflicht im Erbrecht?

Das Herzstück des Konflikts liegt in einem fundamentalen Prinzip des deutschen Familien- und Erbrechtsverfahrens: dem Amtsermittlungsgrundsatz. Nach § 26 des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FamFG) ist das Gericht verpflichtet, den Sachverhalt von Amts wegen aufzuklären.

Das bedeutet: Anders als in einem typischen Zivilprozess, in dem jede Partei ihre eigenen Beweise vorlegen muss, hat das Nachlassgericht eine aktive Ermittlungsrolle. Es muss selbstständig alle Tatsachen ermitteln, die für seine Entscheidung relevant sind. Wenn also, wie in diesem Fall, substantielle Zweifel an der Echtheit eines Testaments aufkommen, darf das Gericht nicht einfach die Achseln zucken. Es muss diesen Zweifeln nachgehen und die notwendigen Beweise erheben – zum Beispiel durch die Einholung eines Sachverständigengutachtens.

Das Amtsgericht Merzig stützte sein Vorgehen hingegen auf eine kostenrechtliche Regelung, den § 14 des Gerichts- und Notarkostengesetzes (GNotKG). Diese Norm erlaubt es Gerichten grundsätzlich, die Durchführung einer Handlung, die hohe Kosten verursacht, von der Zahlung eines Vorschusses abhängig zu machen. Die entscheidende Frage für das Oberlandesgericht war daher: Darf eine Vorschrift aus dem Kostenrecht eine zentrale Verfahrenspflicht wie die Amtsermittlung aushebeln?

Warum war die Forderung des Vorschusses ein entscheidender Verfahrensfehler?

Das Oberlandesgericht Saarbrücken hob die Entscheidung des Amtsgerichts auf und verwies den Fall zur erneuten Verhandlung und Beweisaufnahme zurück. Die Begründung der Richter ist eine klare Verteidigung des Amtsermittlungsgrundsatzes und macht deutlich, warum das Vorgehen der Vorinstanz rechtswidrig war.

Die Amtsermittlungspflicht wiegt schwerer als das Kostenrecht

Das OLG stellte klar, dass die Pflicht zur Sachverhaltsaufklärung nach § 26 FamFG ein zentrales Element des Verfahrens ist. Diese Pflicht dient nicht nur den Interessen der Beteiligten, sondern auch dem öffentlichen Interesse an einer materiell richtigen Entscheidung. Ein Gericht darf diese übergeordnete Aufgabe nicht vom Verhalten oder der Zahlungsfähigkeit eines Beteiligten abhängig machen. Die Anwendung der Kostenvorschrift (§ 14 GNotKG) zur Rechtfertigung der Untätigkeit sei ein Verfahrensfehler, der „das Wesen des Amtsverfahrens“ verletze. Die Richter machten deutlich: Das Gericht muss die notwendigen Ermittlungen durchführen. Die Frage, wer am Ende die Kosten dafür trägt, wird erst am Schluss des Verfahrens nach § 81 FamFG entschieden.

Warum die Argumente des Sohnes eine Prüfung unumgänglich machten

Das Gericht betonte, dass der Sohn nicht nur pauschale Behauptungen aufgestellt hatte. Seine Einwände zu Unterschrift, Rechtschreibung und Inhalt waren „konkrete Anhaltspunkte“, die ernsthafte Zweifel an der Urheberschaft der Erblasserin begründeten. Angesichts dieser substantiellen Zweifel war das Amtsgericht nicht nur berechtigt, sondern verpflichtet, ein graphologisches Gutachten einzuholen. Indem es dies unterließ, verlagerte es die Beweislast unzulässigerweise auf den Sohn und verweigerte die ihm von Gesetzes wegen zustehende Aufklärung.

Die falsche Anwendung der Echtheitsvermutung

Das Amtsgericht hatte seine Entscheidung damit begründet, dass mangels Gutachten die Vermutung der Echtheit des Testaments nicht widerlegt sei. Das OLG Saarbrücken wies diese Logik scharf zurück. Eine gesetzliche Vermutung kann nur dann als Entscheidungsgrundlage dienen, wenn der Sachverhalt zuvor ordnungsgemäß aufgeklärt wurde oder keine Anhaltspunkte für das Gegenteil vorliegen. Sie darf jedoch nicht als Vorwand dienen, um eine gebotene Beweisaufnahme zu umgehen. Im vorliegenden Fall hätte das Gericht die Zweifel erst durch das Gutachten ausräumen müssen, bevor es sich auf eine Vermutung hätte stützen können. Die Entscheidung basierte somit auf einer unzureichenden Tatsachengrundlage.

Was ist mit dem Vorwurf der Testierunfähigkeit?

Den weiteren Vorwurf des Sohnes, die Mutter sei aufgrund von Alzheimer testierunfähig gewesen, bewertete das OLG zurückhaltender. Bislang lägen hierfür keine ausreichend greifbaren Anhaltspunkte vor, die ein psychiatrisches Gutachten zwingend erforderlich machten. Die Richter schlossen eine solche Untersuchung für die Zukunft aber nicht aus. Das nun neu verhandelnde Amtsgericht muss zunächst das graphologische Gutachten einholen. Sollten sich im weiteren Verlauf des Verfahrens konkretere Hinweise auf eine mangelnde Testierfähigkeit ergeben, müsse auch diesem Verdacht nachgegangen werden.

Was bedeutet das Urteil für Ihre Rechte im Erbfall?

Der Beschluss des OLG Saarbrücken ist eine wichtige Stärkung für die Rechte von Erben, die Zweifel an der Gültigkeit eines Testaments hegen. Er stellt klar, dass Nachlassgerichte ihrer Ermittlungspflicht nicht aus Kostengründen ausweichen dürfen. Wenn Sie sich in einer ähnlichen Situation befinden, können Sie aus diesem Urteil konkrete Handlungsschritte ableiten.

Checkliste: So wehren Sie sich gegen ein zweifelhaftes Testament

  • 1. Zweifel konkret benennen: Es reicht nicht aus, pauschal zu behaupten, ein Testament sei gefälscht. Formulieren Sie Ihre Zweifel so präzise wie möglich. Weisen Sie auf konkrete Auffälligkeiten hin, wie eine zittrige oder untypische Unterschrift, ungewöhnliche Formulierungen, Rechtschreibfehler oder inhaltliche Widersprüche.
  • 2. Beweise sichern: Sammeln Sie Vergleichsmaterial. Das können andere handschriftliche Dokumente des Verstorbenen sein, wie Briefe, Postkarten oder Notizen, die seine authentische Handschrift und Unterschrift belegen.
  • 3. Formell Widerspruch einlegen: Teilen Sie Ihre Zweifel dem Nachlassgericht schriftlich mit und legen Sie offiziell Widerspruch gegen den Antrag auf Erteilung eines Erbscheins ein. Beantragen Sie explizit die Einholung eines schriftvergleichenden (graphologischen) Sachverständigengutachtens.
  • 4. Die Amtsermittlungspflicht kennen: Verweisen Sie auf die Pflicht des Gerichts zur Amtsermittlung nach § 26 FamFG. Ihre Aufgabe ist es, dem Gericht die konkreten Anhaltspunkte für Zweifel zu liefern; die Ermittlung selbst ist dann Sache des Gerichts.
  • 5. Vorschussforderungen kritisch prüfen: Sollte das Gericht die Ermittlungen von einem Auslagenvorschuss abhängig machen, können Sie sich auf diese Rechtsprechung des OLG Saarbrücken berufen. Machen Sie deutlich, dass die gerichtliche Aufklärungspflicht nicht von einer Vorauszahlung abhängig gemacht werden darf. Die Kostenfrage wird erst am Ende des gesamten Verfahrens geklärt.
  • 6. Anwaltliche Hilfe suchen: Ein Verfahren zur Anfechtung eines Testaments ist komplex. Die Unterstützung durch einen auf Erbrecht spezialisierten Rechtsanwalt ist dringend zu empfehlen, um Ihre Argumente rechtssicher vorzubringen und Ihre prozessualen Rechte vollständig wahrzunehmen.

Die Urteilslogik

Die Pflicht der Nachlassgerichte zur aktiven Sachverhaltsaufklärung steht über den reinen Kosteninteressen und sichert die materielle Richtigkeit der Erbfolge.

  • [Aufklärungspflicht ist nicht verhandelbar]: Das Nachlassgericht darf seine gesetzliche Pflicht zur Amtsermittlung nicht von der vorherigen Einzahlung eines Auslagenvorschusses durch die Verfahrensbeteiligten abhängig machen.
  • [Konkrete Zweifel erzwingen Sachbeweis]: Legen Beteiligte substantielle und konkrete Anhaltspunkte für die Fälschung eines Testaments vor, ist das Gericht verpflichtet, die Echtheit der Handschrift durch die Einholung eines graphologischen Sachverständigengutachtens zu klären.
  • [Vermutung ersetzt keine Ermittlung]: Die gesetzliche Vermutung für die Echtheit eines vorgelegten Testaments greift nicht, solange ernsthafte Zweifel an seiner Urheberschaft bestehen und das Gericht die gebotene Beweisaufnahme rechtswidrig unterlassen hat.

Eine Entscheidung über die rechtmäßige Erbfolge verlangt eine umfassende und unabhängige Sachverhaltsklärung durch das Gericht, die durch finanzielle Hürden nicht blockiert werden darf.


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Wurde die Echtheitsprüfung eines Testaments bei Ihnen auch vom Vorschuss abhängig gemacht? Nehmen Sie Kontakt auf, um eine professionelle Einschätzung Ihrer Rechtslage zu erhalten.


Experten Kommentar

Wer den Verdacht hat, ein Testament sei gefälscht, steht oft vor einem Riesenproblem: Es ist teuer, die Echtheit durch ein Gutachten zu prüfen. Dieses Urteil zieht eine klare rote Linie für Nachlassgerichte. Die Amtsermittlungspflicht ist nicht verhandelbar und darf nicht an einen hohen Auslagenvorschuss geknüpft werden. Praktisch bedeutet das: Sobald konkrete Zweifel an der Unterschrift oder dem Inhalt bestehen, muss das Gericht von Amts wegen ermitteln, denn die Wahrheit über den letzten Willen darf nicht an der Zahlungsfähigkeit der Beteiligten scheitern.


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Häufig gestellte Fragen (FAQ)

Muss das Gericht die Echtheit eines Testaments prüfen, wenn ich den Vorschuss nicht zahlen kann?

Diese Sorge, dass eine finanzielle Belastung die Wahrheitsfindung blockiert, ist verständlich, aber unbegründet: Das Nachlassgericht muss die Echtheit des Testaments auch ohne Ihre Vorauszahlung prüfen, sofern konkrete Zweifel vorliegen. Diese Pflicht ist im deutschen Verfahrensrecht festgeschrieben. Die gerichtliche Aufklärungspflicht, der sogenannte Amtsermittlungsgrundsatz, geht hier über die kostenrechtlichen Vorschriften hinaus.

Im Verfahren über Familiensachen gilt gemäß § 26 des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FamFG) die Pflicht zur Aufklärung. Das Gericht muss den Sachverhalt von Amts wegen vollständig aufklären, sobald substantielle Zweifel an der Urheberschaft des Erblassers bestehen. Ein Gericht darf diese übergeordnete Aufgabe nicht vom Verhalten oder der Zahlungsfähigkeit eines Beteiligten abhängig machen. Es verletzt das Wesen des Amtsverfahrens, wenn es die Beweisaufnahme verweigert.

Das Oberlandesgericht Saarbrücken bestätigte diese Rechtsauffassung in einem maßgeblichen Beschluss (Az.: 5 W 39/25). Die Richter stellten klar, dass die Anordnung des Sachverständigengutachtens zur Echtheit des Testaments nicht von der Leistung eines Auslagenvorschusses abhängig gemacht werden darf. Die Vorschrift aus dem Kostenrecht kann die Ermittlungspflicht nicht aushebeln. Die Frage, wer am Ende die Kosten für das Gutachten trägt, wird prozessual getrennt erst am Schluss des gesamten Verfahrens nach § 81 FamFG entschieden.

Schreiben Sie dem Gericht umgehend, dass Sie unter Berufung auf das Urteil des OLG Saarbrücken die Fortführung der Sachverhaltsaufklärung ohne vorherige Leistung eines Vorschusses beantragen.


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Darf das Nachlassgericht meine Einwände wegen fehlendem Vorschuss einfach ignorieren?

Nein, das Nachlassgericht darf substanzielle Einwände gegen ein Testament nicht wegen eines fehlenden Kostenvorschusses ignorieren. Haben Sie konkrete Anhaltspunkte vorgelegt – zum Beispiel eine abweichende Unterschrift oder Rechtschreibfehler im Namen der Erblasserin – muss das Gericht diesen Zweifeln nachgehen. Die Ablehnung der notwendigen Untersuchung wegen der Kosten stellt einen schwerwiegenden Verfahrensfehler dar. Dadurch wird die Beweislast zur Echtheitsprüfung unzulässigerweise auf Sie als Beteiligten verlagert.

Nachlassverfahren unterliegen dem Amtsermittlungsgrundsatz gemäß § 26 FamFG. Diese Pflicht verlangt vom Gericht, den Sachverhalt aktiv und von Amts wegen aufzuklären. Das Oberlandesgericht Saarbrücken stellte fest, dass die Untätigkeit des Amtsgerichts die übergeordnete Aufklärungspflicht verletzt. Die Anwendung der Kostenvorschrift (§ 14 GNotKG) darf diese zentrale Verpflichtung des Gerichts zur Wahrheitsfindung nicht aushebeln. Die Richter betonten, dass die Ermittlungspflicht schwerer wiegt als die anfängliche Vorschusspflicht.

Das Gericht stützt sich unzulässigerweise auf die Vermutung der Echtheit des Testaments, obwohl ernsthafte Zweifel vorlagen. Solche Zweifel liegen vor, wenn Sie spezifische Details anführen, etwa eine falsche Schreibweise des Namens der Erblasserin (zum Beispiel „Margaretha“ statt „Margareta“). Das Nachlassgericht muss die Zweifel zuerst durch eine Beweisaufnahme, wie ein graphologisches Gutachten, ausräumen. Es darf die notwendige Sachverhaltsaufklärung nicht wegen fehlender Vorauszahlung an den Beschwerdeführer delegieren.

Bleiben Sie nach Erhalt eines ablehnenden Beschlusses nicht passiv, sondern legen Sie unter Nennung Ihrer konkreten Einwände umgehend Beschwerde ein.


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Wie weise ich das Nachlassgericht auf Zweifel an der Echtheit eines Testaments hin?

Um das Nachlassgericht zur Prüfung der Testaments-Echtheit zu bewegen, brauchen Sie mehr als nur ein Gefühl der Ungereimtheit. Das Gericht benötigt konkrete Anhaltspunkte für eine Fälschung, um die aufwendige Amtsermittlungspflicht auszulösen. Vage oder pauschale Zweifel, wie die bloße Behauptung einer Enterbung sei ungerecht, reichen nicht aus. Liefern Sie stattdessen hochspezifische Details zu Form und Inhalt des zweifelhaften Dokuments.

Ihr primärer Fokus sollte auf den physischen Mängeln des Testaments liegen. Prüfen Sie zunächst die Unterschrift des Erblassers genau auf untypische Merkmale. Beobachten Sie, ob die Signatur zittrig, ungelenk oder auffällig von den gewohnten Unterschriften abweicht. Dokumentieren Sie auch alle formellen Fehler des handschriftlichen Dokuments. Ein konkretes Beispiel: Wurde das Datum mit einer anderen Stiftfarbe oder Tinte nachträglich hinzugefügt? Solche Abweichungen begründen ernste Zweifel an der Urheberschaft.

Neben der Form sind inhaltliche Widersprüche wichtig, welche die Autorenschaft unwahrscheinlich machen. Benennen Sie spezifische Rechtschreibfehler, die der Erblasser bekanntermaßen nie gemacht hatte, etwa die falsche Schreibweise des eigenen Vornamens. Das Gericht muss erkennen, dass das Testament Detailwissen über Familienkonflikte enthält, das nur der vermeintliche Fälscher besitzen konnte. Sammeln Sie dem Gericht authentische, handschriftliche Belege (Briefe, Notizen) der verstorbenen Person, damit ein Sachverständiger eine fundierte graphologische Analyse durchführen kann.

Erstellen Sie umgehend ein detailliertes Protokoll aller Auffälligkeiten im Testament und reichen Sie es zusammen mit mindestens drei Vergleichsdokumenten beim Nachlassgericht ein.


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Was kann ich tun, wenn das Gericht das Gutachten vom Kostenvorschuss abhängig macht?

Sie müssen sofort formelle Beschwerde gegen den Beschluss des Nachlassgerichts einlegen. Das Gericht verletzt den Amtsermittlungsgrundsatz nach § 26 FamFG, wenn es die notwendige Beweisaufnahme von einer Vorauszahlung abhängig macht. Rügen Sie diesen Verstoß explizit in Ihrem Widerspruch, da diese Vorgehensweise höchstrichterlich als rechtswidrig erachtet wird.

Die Pflicht des Gerichts zur vollständigen Aufklärung des Sachverhalts hat im Nachlassverfahren stets Vorrang vor den reinen Kostenregeln. Zwar erlaubt das Gerichts- und Notarkostengesetz (§ 14 GNotKG) Vorschüsse, doch darf diese Vorschrift die übergeordnete Verpflichtung zur Wahrheitsfindung nicht aushebeln. Das OLG Saarbrücken stellte klar, dass die Abhängigkeit der Gutachtensanordnung von einem Vorschuss ein schwerwiegender Verfahrensfehler ist, der das Wesen des Amtsverfahrens verletzt. Das Gericht muss ermitteln, wenn konkrete Zweifel an der Echtheit eines Testaments vorliegen.

Nutzen Sie den Präzedenzfall des OLG Saarbrücken (Az.: 5 W 39/25) als entscheidendes Argument in Ihrer Beschwerde. Machen Sie dem Gericht klar, dass die Entscheidung auf einer unzureichenden Tatsachengrundlage basiert. Die gesetzliche Echtheitsvermutung des Testaments darf niemals als Vorwand dienen, um eine gebotene Beweisaufnahme zu umgehen. Die finale Entscheidung über die Kostentragung fällt erst am Schluss des gesamten Verfahrens, nicht zu Beginn.

Suchen Sie unverzüglich einen auf Erbrecht spezialisierten Rechtsanwalt auf und bitten Sie ihn, unter Nennung des OLG-Präzedenzfalles eine sofortige Beschwerde einzureichen, damit die knappe Frist (meist vier Wochen) nicht ungenutzt verstreicht.

Diese allgemeinen Informationen ersetzen keine individuelle Rechtsberatung.


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Wer trägt am Ende die Kosten für ein Gutachten zur Echtheit des Testaments?

Die Vorschusspflicht für ein graphologisches Gutachten ist von der finalen Kostenentscheidung strikt getrennt. Die Kosten von 7.500 Euro oder mehr tragen Sie nicht automatisch, nur weil Sie den Vorschuss leisten mussten. Das Nachlassgericht entscheidet über die endgültige Verteilung erst am Schluss des gesamten Verfahrens, und zwar nach § 81 FamFG.

Die Kostentragung richtet sich maßgeblich nach dem Ausgang der testamentarischen Prüfung. Wird ein Testament als Fälschung identifiziert, trägt meistens die Partei die Kosten, welche das gefälschte Dokument vorgelegt hat. Alternativ können die Gutachtenkosten dem Nachlass selbst auferlegt werden, da die Klärung der Wahrheit allen potenziellen Erben zugutekommt. Die Verteilung erfolgt hierbei nicht wie im Zivilprozess, sondern liegt im Ermessen des Gerichts.

Das größte finanzielle Risiko liegt darin, dass das Gutachten die Echtheit bestätigt. Sollte der Sachverständige die Urheberschaft des Erblassers bestätigen und Ihre Zweifel unbegründet erscheinen, kann das Gericht entscheiden, Ihnen die gesamten Gutachtenkosten aufzuerlegen. Die finale Kostenentscheidung hängt stark davon ab, ob die notwendigen Ermittlungen die Wahrheitsfindung gefördert haben oder ob die Prüfung von Anfang an auf unsubstantiellen Behauptungen basierte.

Lassen Sie sich von Ihrem Anwalt frühzeitig eine schriftliche Risikoeinschätzung erstellen, um die finanzielle Tragweite bei Bestätigung der Echtheit genau abwägen zu können.


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Hinweis: Bitte beachten Sie, dass die Beantwortung der FAQ Fragen keine individuelle Rechtsberatung darstellt und ersetzen kann. Alle Angaben im gesamten Artikel sind ohne Gewähr. Haben Sie einen ähnlichen Fall und konkrete Fragen oder Anliegen? Zögern Sie nicht, uns zu kontaktieren. Wir klären Ihre individuelle Situation und die aktuelle Rechtslage.


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Amtsermittlungsgrundsatz

Der Amtsermittlungsgrundsatz schreibt dem Gericht aktiv vor, den Sachverhalt von Amts wegen und selbstständig aufzuklären, anstatt sich nur auf die Beweise der Parteien zu verlassen. Dieses fundamentale Prinzip dient der gerichtlichen Wahrheitsfindung, insbesondere in Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit wie dem Erbrecht, und soll sicherstellen, dass die Entscheidung auf einer materiell richtigen Grundlage beruht.

Beispiel: Aufgrund des Amtsermittlungsgrundsatzes war das Nachlassgericht verpflichtet, den substanziellen Zweifeln an der Echtheit des Testaments nachzugehen und aktiv Beweise, wie ein graphologisches Gutachten, zu erheben.

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Auslagenvorschuss

Ein Auslagenvorschuss ist eine Vorauszahlung, die das Gericht von einem Beteiligten fordert, um die voraussichtlichen Kosten für notwendige Beweismittel, wie teure Gutachten oder Zeugengebühren, vorab zu decken. Juristen nennen das die Absicherung der Justizkasse, damit die hohen Kosten für aufwendige Verfahrenshandlungen gedeckt sind; die finale Kostentragung wird jedoch erst am Schluss des Verfahrens entschieden.

Beispiel: Das Amtsgericht verlangte einen Auslagenvorschuss in Höhe von 7.500 Euro für das Sachverständigengutachten, obwohl das Oberlandesgericht klarstellte, dass dies die Pflicht zur Sachverhaltsaufklärung nicht aushebeln darf.

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FamFG (Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit)

Das FamFG ist das zentrale Verfahrensgesetz für Gerichtsverfahren im Familien– und Erbrecht, welches detailliert regelt, wie das Nachlassgericht seine Entscheidungen treffen und Ermittlungen durchführen muss. Dieses Gesetz schafft die prozessuale Grundlage und unterscheidet diese Art von Verfahren fundamental vom Zivilprozess, indem es insbesondere den Amtsermittlungsgrundsatz festschreibt.

Beispiel: Gemäß § 26 FamFG muss das Nachlassgericht den Sachverhalt selbstständig ermitteln und darf seine Aufklärungspflicht im Rahmen der Testamentsprüfung nicht unter den Vorbehalt einer Vorschusszahlung stellen.

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GNotKG (Gerichts- und Notarkostengesetz)

Das GNotKG ist die spezialisierte Rechtsgrundlage, welche die Höhe und Fälligkeit von Gerichtsgebühren und Notarkosten, inklusive der Möglichkeit der Forderung eines Vorschusses, verbindlich festlegt. Dieses Gesetz sorgt für Transparenz und die Finanzierung der Justiz, indem es regelt, wann und wie viel für gerichtliche Handlungen gezahlt werden muss.

Beispiel: Das Amtsgericht berief sich auf § 14 GNotKG, um die Durchführung des graphologischen Sachverständigengutachtens von der Zahlung des Auslagenvorschusses abhängig zu machen.

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Sachverständigengutachten

Ein Sachverständigengutachten ist die schriftliche, fachliche Stellungnahme eines neutralen Experten, die das Gericht zur Klärung komplexer Fragen einholt, beispielsweise zur Echtheit einer Handschrift oder zur Ursache eines Baufehlers. Diese Expertise hilft Richtern, Fakten außerhalb ihres juristischen Fachwissens korrekt zu bewerten und dient damit der zuverlässigen Beweiserhebung im Verfahren.

Beispiel: Das Gericht musste zwingend ein graphologisches Sachverständigengutachten zur Prüfung der Unterschrift der Erblasserin einholen, da konkrete Anhaltspunkte für eine Testamentsfälschung vorlagen.

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Testierfähigkeit

Als Testierfähigkeit bezeichnen Juristen die geistige Fähigkeit einer Person, im Zeitpunkt der Errichtung ihres Testaments die Tragweite ihrer letztwilligen Entscheidungen zu erkennen und einen freien, unbeeinflussten Willen zu bilden. Diese Regelung schützt ältere oder kranke Menschen vor Ausnutzung und gewährleistet, dass der letzte Wille tatsächlich die bewusste und freie Entscheidung des Erblassers widerspiegelt.

Beispiel: Aufgrund der vorgetragenen Alzheimer-Erkrankung der Mutter stand zusätzlich infrage, ob ihre Testierfähigkeit bei der Erstellung des handschriftlichen Testaments aus dem Jahr 2019 überhaupt noch gegeben war.

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Das vorliegende Urteil


OLG Saarbrücken – Az.: 5 W 39/25 – Beschluss vom 17.6.2025


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