AG Konstanz – Az.: 3 F 174/15 – Beschluss vom 10.05.2016
1. Der Antrag auf Annahme als Kind wird zurückgewiesen.
2. Die Anzunehmende trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Der Verfahrenswert wird auf € 150.000,00 festgesetzt.
Gründe
I.
Die … 1974 geborene Anzunehmende sowie der … 1923 geborene, zwischenzeitlich …2015 verstorbene Annehmende beantragen mit Urkunde des Notariats II … , die Annahme der Anzunehmenden als Kind des Annehmenden auszusprechen. Hintergrund sei, dass zwischen dem verwitweten und kinderlosen Annehmenden und der Anzunehmenden in den letzten Lebensmonaten des Anzunehmenden ein Eltern-Kind-Verhältnis entstanden sei. Die Anzunehmende ist verheiratet. Der Ehemann der Anzunehmenden hat im Rahmen der vorgenannten Urkunde seine Einwilligung zur Adoption erklärt. Die Kinder der Anzunehmenden haben ihr Einverständnis mitgeteilt.
Wegen der Hintergründe wird auf den Inhalt des vorliegenden Verfahrens verwiesen, ferner auf den Inhalt der beigezogenen Betreuungsakte des Betreuungsgerichts … sowie den Inhalt der beigezogen Nachlassakte des Nachlassgerichtes … .
II.
Der Antrag ist zulässig. Die Zuständigkeit des Familiengerichts … ergibt sich aus dem gewöhnlichen Aufenthalt der Beteiligten im hiesigen Bezirk, § 187 Abs. 1 FamFG. Die notwendigen Einwilligungen der von der Annahme Betroffenen (§§ 1749 Abs. 2 BGB) liegen vor und wurden notariell beurkundet (§ 1750 BGB). Die Alterserfordernisse des § 1743 BGB sind erfüllt. Gem. § 1767 Abs. 1 BGB ist die Annahme Volljähriger gesetzlich vorgesehen. Gem. § 1753 Abs. 2 BGB kann die Adoption auch nach dem Tode des Annehmenden ausgesprochen werden, nachdem der Antrag zu diesem Zeitpunkt bereits bei Gericht eingereicht war.
III.
Indes ist der Antrag auf Annahme als Kind nicht begründet. Zwar besteht nach dem Ergebnis des Verfahrens die Möglichkeit, dass sich tatsächlich in den letzten Lebensmonaten des Annehmenden ein enges Verhältnis zwischen diesem und der Anzunehmenden herausgebildet hat. Dieses ist indes in Würdigung der Gesamtumstände nicht hinreichend, um die Annahme als Kind sittlich zu rechtfertigen, § 1767 BGB.
a) In zeitlicher Hinsicht ist zu berücksichtigen, dass das Verhältnis zwischen dem Annehmenden und der Anzunehmenden von relativ kurzer Dauer war. Noch am 04.05.2014 hatte der Annehmende eine Verwandte testamentarisch bedacht, welche auch eine Vorsorgevollmacht innehatte. Erst im Juni 2014, im Alter von 91 Jahren, wurde der Annehmende in der Seniorenresidenz aufgenommen (…). Bis Ende 2014 bestand dort zunächst ein Näheverhältnis zu einer anderen Pflegekraft (…), deren Einsetzung als Erbin und deren Übernahme der Pflege des Annehmenden in dessen eigener Wohnung ebenfalls im Raume stand (Bericht der Betreuungsbehörde a.a.O.: „Außerdem wolle er sein Testament ändern lassen“). Die Betreuung gem. § 1896 BGB sollte dem Ehemann der Pflegekraft übertragen werden. Nachdem das Betreuungsgericht Bedenken gegen eine derartige Lösung hatte, kam es zur Bestellung des Berufsbetreuers und in der Folge zur Vereinbarung mit der Anzunehmenden. Das Näheverhältnis zur Anzunehmenden kann mithin frühestens ab 2015 entstanden sein, und erst ab März 2016, als der Annehmende wieder in sein Haus gezogen ist (…), wurde das enge Pflegeverhältnis begründet, auf welches der Adoptionsantrag maßgeblich gestützt wird. Dieses Verhältnis hat mithin bis zum Versterben des Annehmenden …… nur ca. 8 Monate angedauert. Bereits die reine Kürze dieses Zeitraums spricht im Zweifel gegen die Entstehung eines Verhältnisses, welches eine Annahme als Kind sittlich rechtfertigen würde.
b) In formeller Hinsicht ist zu berücksichtigen, dass die Anzunehmende ihre Leistungen gegenüber dem Annehmenden durchgehend auf arbeitsvertraglicher Grundlage erbracht hat, zunächst auf Grundlage ihrer Anstellung in der Seniorenresidenz, dann in Form eines Anstellungsvertrages direkt zwischen ihr und dem Annehmenden zu einer Nettovergütung von monatlich 2.000,00 Euro (…). Eine derartige Ausgestaltung des Pflegeverhältnisses spricht im Zweifel gegen die Entstehung eines einem Eltern-Kind-Verhältnis ähnlichen Verhältnisses.
c) In persönlicher Hinsicht ist der Gesundheitszustand und soziale Hintergrund des Annehmenden zu berücksichtigen. Auf das Betreuungsgutachten vom … Betreuungsakte AS 15 wird verwiesen: Der Annehmende war bei Aufnahme in der Seniorenresidenz 91 Jahre alt. Er litt an Herzinsuffizienz, hatte mehrere Stürze hinter sich, musste mit Bettgitter und Stuhlgurt im Rollstuhl gesichert werden und war hochgradig schwerhörig. In geistiger Hinsicht lag eine dementielle Entwicklung vor. In seelischer Hinsicht hatte sich nach Tod seiner Ehefrau ein Jahr zuvor eine reaktive Depression entwickelt. Folge war offenbar ein labiler Geisteszustand. Der Annehmende lehnte einerseits Hilfe ab (Gutachten a.a.O.: „Hilfestellung wurde eher ungern akzeptiert“), hatte andererseits Angst um sein Vermögen infolge der Heimunterbringung (Bericht der Betreuungsbehörde a.a.O.: „Verzweifelt und unter Tränen berichtete der Betroffene weiterhin, dass er wieder zurück in sein Haus wolle und sein kleines Vermögen nicht auf Dauer für die Seniorenresidenz ausreichen würde.“). Wie sich aus den Darlegungen unter a) ergibt, standen in relativ dichter Folge drei verschiedene Personen im Raume, von welchen der Annehmende sich versorgen lassen wollte, jeweils gekoppelt mit einer Erbeinsetzung. Diese spricht dagegen, dass zu derjenigen Person, mit welcher der Annehmende diese Versorgungslösung schließlich umgesetzt hat, eine besondere Bindung entstanden ist, welche die Annahme als Kind sittlich rechtfertigen würde. Aus Sicht des Annehmenden stand offenbar der dringende Wunsch nach häuslicher Pflege im Vordergrund, die Frage, wer diese Pflege übernimmt, war von sekundärer Bedeutung.
d) In rechtlicher Hinsicht ist zu berücksichtigen, dass der Gesetzgeber mit §§ 1897 Abs. 3 BGB, 14 Abs. 3 HeimG die Wertung zum Ausdruck gebracht hat, dass pflegebedürftige Personen vor einer Ausnutzung der sich aus ihrem Zustand ergebenden Abhängigkeit zu schützen sind. Weder soll die Betreuung Mitarbeitern des Heimes übertragen werden, in welchem der Betroffene untergebracht ist, noch sollen die Heimmitarbeiter Leistungen des Betroffenen entgegennehmen dürfen. Ein Vorgang wie offenbar vorliegend, dass gleich mehrere Pflegekräfte die gesetzgeberischen Wertungen zu umgehen versuchen, die eine Pflegekraft durch die Idee, die Betreuung könne ihrem Ehemann übertragen werden, die andere Pflegekraft durch die Idee, das Arbeitsverhältnis mit dem Pflegeheim zu kündigen, lässt die im Betreuungsgutachten a.a.O. positiv hervorgehobene „engagierte Pflege“ fragwürdig erscheinen. Hiermit soll gar nicht ausgeschlossen werden, dass sich die Pflegeleistung durchaus zum Wohle des Annehmenden ausgewirkt hat. Auch die Einsetzung der Anzunehmenden als Erbin ist rechtlich nicht zu beanstanden. Es lag in der Dispositionsfreiheit des offenbar zuletzt wieder geschäftsfähigen Annehmenden (vgl. Stellungnahme des Hausarztes …….), mit dem Einsatz seines Vermögens seine häusliche Versorgung zu ermöglichen. Dies ändert aber nichts daran, dass der Gesamtvorgang vor dem Hintergrund der Wertung der §§ 1897 Abs. 3 BGB, 14 Abs. 3 HeimG sittlich fragwürdig erscheint.
In Würdigung der Gesamtumstände ist die Entstehung eines echten Eltern-Kind-Verhältnisses tatsächlich fraglich und der Ausspruch einer Annahme als Kind sittlich nicht gerechtfertigt.
IV.
Die Entscheidung über die Kosten folgt aus § 81 FamFG.
V.
Die Entscheidung über den Verfahrenswert folgt aus § 42 Abs. 2 FamGKG. Im Rahmen der hiernach eröffneten Ermessensausübung hat sich das Gericht der Größenordnung nach am wirtschaftlichen Interesse der Anzunehmenden am Adoptionsverfahren orientiert, ausgehend von einem Nachlasswert von ca. 650.000 Euro, wie er sich aus dem Vermögensverzeichnis vom 15.01.2015 aus dem Betreuungsverfahren, dort AS 57 ergibt, einer im Raume stehenden Erhöhung des erbschaftssteuerlichen Freibetrages von 20.000 Euro auf 400.000 Euro und einer Reduktion des Erbschaftssteuersatzes von 30% auf 11%.