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Ablehnung Eigentumsumschreibungsantrag bei Missbrauch einer General- und Betreuungsvollmacht

OLG Düsseldorf – Az.: I-3 Wx 129/20 – Beschluss vom 02.09.2020

Die Beschwerde des Beteiligten zu 2 gegen den Beschluss des Grundbuchamts vom 11. März 2020 wird als unzulässig verworfen.

Die Beschwerde der Beteiligten zu 3 und 4 gegen den Beschluss des Grundbuchamts vom 11. März 2020 wird zurückgewiesen.

Geschäftswert: 373.000,- €

Gründe

I.

Der Beteiligte zu 1 ist Eigentümer des verfahrensgegenständlichen Grundbesitzes. Mit notarieller Urkunde vom 28. März 2019 veräußerte der Beteiligte zu 2, der Schwager des Beteiligten zu 1, den Grundbesitz an die Beteiligten zu 3 und 4, seinen Sohn und seine Schwiegertochter, und stützte sich dazu auf eine ihm vom Beteiligten zu 1 mit notarieller Urkunde vom 17. Januar 2006 erteilte General- und Betreuungsvollmacht. Unter Ziffer 6 der Urkunde ist folgendes für den Gebrauch der Vollmacht vorgegeben:

„Im Innenverhältnis d.h. ohne Einschränkung der Vertretungsmacht nach außen, gilt folgendes: Die (…) Bevollmächtigten werden angewiesen, von der Vollmacht erst dann Gebrauch zu machen, wenn ich durch Krankheit, Unfall oder Alter an der Besorgung meiner Angelegenheiten gehindert bin. Die (…) Bevollmächtigten haben bei Wahrnehmung meiner Angelegenheiten die selben Pflichten wie ein Betreuer nach § 1901 BGB. Im übrigen gilt Auftragsrecht.“

Unter Ziffern XII. 1. und 2. des Grundstücksveräußerungsvertrages erklärten die Vertragsparteien, sich über den Eigentumsübergang einig zu sein, und bewilligten die Eintragung einer auflösend bedingten Vormerkung sowie den Eigentumswechsel im Grundbuch. Auf notariellen Antrag vom 3. April 2019 wurde am 8. April 2019 die Auflassungsvormerkung im Grundbuch eingetragen.

Mit Schreiben vom 14. Juni 2019 teilte der Beteiligte zu 1 dem Grundbuchamt mit, er habe den Grundstückskaufvertrag gegenüber dem beurkundenden Notar nicht genehmigen wollen; der Beteiligte zu 2 habe gegen seinen Willen gehandelt. Er habe die dem Beteiligten zu 2 erteilte Vollmacht mit Schreiben vom selben Tage widerrufen. Der Beteiligte zu 1 bat, keine Eintragungen im Grundbuch mehr vorzunehmen.

Wegen des Verkaufs des Grundstücks und der Äußerungen des Beteiligten zu 1, mit diesem Geschäft nicht einverstanden zu sein, regte ein mit dem Beteiligten zu 1 bekannter Notar a.D. Anfang Juni 2019 die Einleitung eines Verfahrens über die Einrichtung einer Betreuung für den Beteiligte zu 1 an. Nach Einholung eines Sachverständigengutachtens ordnete das Amtsgericht Moers mit Beschluss vom 10. September 2019 (200 XVII 282/19) eine Betreuung an und bestellte den im Rubrum dieses Beschlusses genannten Betreuer für die Aufgabenkreise der Regelung von Angelegenheiten betreffend den verfahrensgegenständlichen Grundbesitz, den Widerruf von Vollmachten, die Geltendmachung von Rechten gegenüber dem Bevollmächtigten sowie die Kontrolle des Bevollmächtigten.

Mit Schrift ihres Verfahrensbevollmächtigten vom 6. August 2019 beantragten die Beteiligten zu 2 bis 4 die Eintragung des Eigentumswechsels im Grundbuch sowie die Löschung der Auflassungsvormerkung. Der Widerruf der Vollmacht vom 14. Juni 2019 stehe dem nicht entgegen, denn mit Eingang der Ausfertigung der Kaufvertragsurkunde beim Grundbuchamt seien die Auflassung sowie die Bewilligung der Eigentumsumschreibung bindend geworden.

Mit Zwischenverfügung vom 27. August 2019 hat das Grundbuchamt auf von ihm gesehene Zweifel an der Wirksamkeit der Auflassungserklärung hingewiesen und um Antragsrücknahme gebeten. Diese Zwischenverfügung hat der Senat auf die von den Beteiligten zu 2 bis 4 eingelegte Beschwerde hin mit Beschluss vom 26. Februar 2020 (I-3 Wx 199/19) aus formellen Gründen aufgehoben.

Daraufhin haben die Beteiligten zu 2 bis 4 das Grundbuchamt mit Schriftsatz ihres Verfahrensbevollmächtigten vom 2. März 2020 um Vollzug ihres Antrages vom 6. August 2019 ersucht.

Der für den Beteiligten zu 1 bestellte Betreuer hat mit Schrift vom 3. März 2020 gegenüber dem Grundbuchamt angezeigt, am 17. September 2019 die dem Beteiligten zu 2 erteilte notarielle Vollmacht vom 17. Januar 2006 widerrufen zu haben, soweit die dem hiesigen Verfahren zugrunde liegende Grundbesitzangelegenheit betroffen sei, und mit weiterem Schreiben vom 3. März 2020 den Widerruf der notariellen Vollmacht insgesamt erklärt zu haben.

Mit dem im hiesigen Verfahren zur Überprüfung stehenden Beschluss vom 11. März 2020 hat das Grundbuchamt die Eintragungsanträge der Beteiligten zu 2 bis 4 zurückgewiesen. Die über den Beteiligten zu 2 erklärte Bewilligung des Eigentumswechsels, die dem Grundbuchamt in Ausfertigung erst mit Eingang vom 12. August 2019 vorgelegt worden sei, könne nicht mehr im Eintragungsverfahren verwendet werden. Zu dem für den Grundbuchvollzug maßgeblichen Zeitpunkt habe bereits die Erklärung des Beteiligten zu 1 über den Widerruf der Vollmacht mit Schreiben vom 14. Juni 2019, eingegangen am 15. Juni 2019, vorgelegen. Die Eintragung des Eigentumswechsels entspreche offensichtlich auch nicht dem Wunsch des Beteiligten zu 1 als Vollmachtgeber.

Gegen die Zurückweisung ihres Antrages wenden sich die Beteiligten zu 2 bis 4 mit ihrer Beschwerde vom 31. März 2020. Sie meinen, die Bewilligung sei bereits mit Abschluss des Beurkundungsvorgangs wirksam geworden, denn bereits zu diesem Zeitpunkt hätten die Beteiligten zu 3 und 4 als Käufer Ausfertigungen der Urkunde verlangen können, § 51 Abs. 1 Nr. 1 BeurkG.

Im Verfahren betreffend die Betreuung des Beteiligten zu 1 (AG Moers, 200 XVII 282/19) hat sein Betreuer am 10. Juni 2020 den Entwurf einer notariellen Aufhebungsvereinbarung zum Kaufvertrag über den verfahrensgegenständlichen Grundbesitz zur Akte gereicht; zu einem entsprechenden Vertragsschluss ist es bislang nicht gekommen.

Am 2. Juli 2020 hat das Grundbuchamt einen Nichtabhilfe- und Vorlagebeschluss erlassen und zur Begründung ergänzend ausgeführt, es sei widersprüchlich, dass die Beschwerde trotz Protokollierung eines Entwurfs zur Aufhebung des Kaufvertrages aufrecht erhalten bleibe.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Grundakten verwiesen.

II.

Das Rechtsmittel der Beteiligten zu 2 bis 4 gegen den Beschluss des Grundbuchamtes über die endgültige Zurückweisung ihres Eintragungsantrages ist dem Senat infolge der vom Grundbuchamt ordnungsgemäß erklärten Nichtabhilfe und Vorlage an das Beschwerdegericht zur Entscheidung angefallen, §§ 72, 75 GBO.

Soweit sich der Beteiligte zu 2 gegen die Zurückweisung des Eintragungsantrages wendet, ist das Rechtsmittel unzulässig. Er ist nicht beschwerdeberechtigt.

Im Grundsatz gilt, dass im grundbuchrechtlichen Verfahren jeder beschwerdeberechtigt ist, dessen Rechtsstellung durch die Entscheidung des Grundbuchamts unmittelbar oder mittelbar beeinträchtigt wäre, falls diese in dem vom Beschwerdeführer behaupteten Sinn unrichtig wäre. Nicht erst die Beeinträchtigung eines Rechts, wie von § 59 Abs. 1 FamFG im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit vorausgesetzt, führt zur Beschwerdeberechtigung, sondern es genügt die Beeinträchtigung eines rechtlich geschützten Interesses (vgl. Demharter, GBO, 31. Aufl. 2018, § 71 Rn. 58 m.w.N.). Im grundbuchrechtlichen Antragsverfahren folgt die Beschwerdeberechtigung allerdings nicht schon daraus, dass das Grundbuchamt die Vornahme der beantragten Eintragung abgelehnt hat. Hinzukommen muss vielmehr, dass der Beschwerdeführer antragsberechtigt ist (BGH, Beschluss vom 12. Dezember 2013, V ZB 120/13, Rn. 5, zitiert nach juris). Antragsberechtigt ist nach § 13 Abs. 1 Satz 2 GBO jeder, dessen Recht von der Eintragung betroffen wird – das ist der verlierende Teil – oder zu dessen Gunsten die Eintragung erfolgen soll – mithin der gewinnende Teil.

Nach diesen Grundsätzen ist der Beteiligte zu 2 ersichtlich nicht beschwerdebefugt. Durch die Zurückweisung des Eintragungsantrages vom 6. August 2019, den der Beteiligte zu 2 gestützt auf die ihm erteilte notarielle Vollmacht vom 17. Januar 2006 als Vertreter des Beteiligten zu 1 gestellt hat, wird der Beteiligte zu 2 nicht nachteilig in seinen Rechten betroffen, denn er ist weder der aktuelle Eigentümer des verfahrensgegenständlichen Grundbesitzes noch begehrt er seine Eintragung als Eigentümer.

Unzweifelhaft statthaft und auch im übrigen zulässig nach Maßgabe der §§ 71 ff. GBO ist dagegen die Beschwerde der Beteiligten zu 3 und 4, die ihre Eintragung als Eigentümer des verfahrensgegenständlichen Grundbesitzes begehren.

Ihre Beschwerde erweist sich indes in der Sache als unbegründet, denn das Grundbuchamt hat im Ergebnis zu Recht den Antrag auf Eintragung des Eigentumswechsels vom Beteiligten zu 1 auf die Beteiligten zu 3 und 4 zurückgewiesen. Das gilt unabhängig von der Frage, ob die vom Beteiligten zu 2 in einem abgeschlossenen Beurkundungsvorgang (§ 51 Abs. 1 Nr. 1 BeurkG) erklärte Bewilligung des Eigentumswechsels (§ 19 GBO) Grundlage der begehrten Eintragung sein kann, nachdem der Beteiligte zu 1 am 14. Juni 2019 den Widerruf der dem Beteiligten zu 2 erteilten notariellen Vollmacht erklärt und dies dem Grundbuchamt mitgeteilt hat (vgl. zu der Problematik eines Vollmachtswiderrufs nach Eingang eines Eintragungsantrages: OLG Köln FGPrax 2020, 111 ff., Rn. 37, zitiert nach juris, mit weiteren Nachweisen zum Meinungsstand). Die Eintragung des Eigentumswechsels im Grundbuch ist jedenfalls deshalb abzulehnen, da aufgrund der im hiesigen Verfahren bekannt gewordenen Tatsachen von einem Missbrauch der dem Beteiligten zu 2 erteilten Vollmacht auszugehen ist.

Die Auflassung eines Grundstücks darf das Grundbuchamt nur eintragen, wenn ihm die Einigung über den Rechtsübergang nachgewiesen ist, §§ 925 BGB, 20, 29 GBO. Eine Eintragung darf nur – ausnahmsweise – abgelehnt werden, wenn feststehende Tatsachen eindeutig die Unwirksamkeit der Auflassung ergeben (Palandt-Herrler, BGB, 76. Aufl. 2017, § 925 Rn. 30). Wird die Erklärung über die Einigung – gleiches gilt für die Erklärung der Bewilligung der Eintragung des Eigentumswechsels nach § 19 GBO – von einem Vertreter im Namen des Berechtigten abgegeben, hat das Grundbuchamt den Inhalt und die Wirksamkeit der Vollmacht von Amts wegen selbständig zu prüfen, ohne an die Auffassung des Urkundsnotars gebunden zu sein (OLG Köln, a.a.O.; OLG München DNotZ 2019, 197 ff.; Holzer in BeckOK, GBO, 39. Edition, Stand: 1. Juni 2020, § 19 Rn. 98, 99). Ist eine Vollmacht im Außenverhältnis unbeschränkt erteilt, so hat das Grundbuchamt eine Eintragung dennoch abzulehnen, wenn es – etwa aus ihm bekannten offensichtlichen und eindeutig gefassten internen Bindungsklauseln – sichere Kenntnis vom Missbrauch der Vollmacht hat (OLG München, a.a.O. und NJW-RR 2013, 1174 f., jeweils mit weiteren Nachweisen). Das gilt allerdings nur, wenn massive Verdachtsmomente bestehen und der Missbrauch der Vertretungsmacht danach evident ist (OLG München FGPrax 2019, 61 ff.; vgl. auch OLG Köln, a.a.O., Rn. 28 ff.: in jenem Verfahren wurde die sichere Kenntnis des Grundbuchamts von einem Missbrauch einer Vorsorgevollmacht verneint). Weitergehend wird teilweise auch verlangt, dass dem Vollmachtgeber durch die Überschreitung der Innenverhältnisabrede (erkennbar) ein Vermögensschaden entsteht (32. Zivilsenat des OLG München FGPrax 2006, 201; offen dagegen der sodann für Grundbuchsachen zuständig gewordene 34. Zivilsenat des OLG München in NJW-RR 2013, 1174 ff.; einen erkennbaren Vermögensschaden verlangt auch Reetz in BeckOK, GBO, a.a.O., Stichwort, Vertretungsmacht Rn. 15, m.w.N.). Vorstehende Grundsätze werden mit dem im grundbuchrechtlichen Verfahren geltenden Legalitätsprinzip begründet: das Grundbuchamt darf aufgrund des Legalitätsprinzips nicht bewusst daran mitwirken, das Grundbuch unrichtig zu machen; die Gerichte sind gehindert, sehenden Auges eine für sie erkennbare unrichtige Eintragung vorzunehmen (Regler in BeckOGK, BeurkG, Stand: 15. Juli 2002, § 53 Rn. 32; vgl. zum Legalitätsprinzip: Demharter, a.a.O., Einleitung Rn. 1; Palandt-Herrler, a.a.O., Überblick vor § 873 Rn. 11 und 12). Andererseits gebieten die Grundsätze des grundbuchrechtlichen Verfahrens die Beschränkung des Prüfungsmaßstabes auf eine Evidenzkontrolle. Nur so wird der Aufgabenverteilung zwischen dem Grundbuchamt und den Zivilgerichten hinreichend Rechnung getragen. Für eine umfassende Tatsachenaufklärung ist im Grundbuchverfahren kein Raum, materiell-rechtliche Fragen sind in einem Zivilprozess zwischen den Beteiligten abschließend zu klären (so der Bundesgerichtshof für die Prüfpflichten eines Notars bei Vollziehung eines Vertretergeschäfts nach § 53 BeurkG, s. BGH FGPrax 2020, 43 ff., Rn. 20, zitiert nach juris).

Angewandt auf den hier zu entscheidenden Fall ergibt sich folgendes:

Der bereits im notariellen Kaufvertrag vom Beteiligten zu 2 als Vertreter erklärten Auflassung des verfahrensgegenständlichen Grundbesitzes und der Bewilligung der Eintragung des Eigentumswechsels im Grundbuch liegt eine im Außenverhältnis unbeschränkt erteilte Vollmacht des Beteiligten zu 1 zugrunde, nämlich die in der notariellen Urkunde vom 17. Januar 2006 als „General- und Betreuungsvollmacht“ bezeichnete Bevollmächtigung. Zugleich ist die dem Beteiligten zu 2 erteilte Vollmacht im Innenverhältnis beschränkt. Das ergibt sich aus dem Wortlaut von Ziffer 6, letzter Absatz, der Vollmachtsurkunde. Dort hat der Beteiligte zu 1 als Vollmachtgeber ausdrücklich für das Innenverhältnis angeordnet, dass der Beteiligte zu 2 als sein Bevollmächtigter von der Vollmacht erst dann Gebrauch machen dürfte, wenn er, der Beteiligte zu 1, durch Krankheit, Unfall oder Alter an der Besorgung seiner Angelegenheiten gehindert sei. Bei Wahrnehmung seiner Angelegenheiten bestünden dieselben Pflichten wie bei einem Betreuer nach § 1901 BGB.

Dass der Beteiligte zu 2 diese interne Abrede überschritten und damit die ihm erteilte Vollmacht missbraucht hat, ist aufgrund der im hiesigen Verfahren bekannt gewordenen Tatsachen offensichtlich und damit nach Maßgabe der vorstehenden Ausführungen ausnahmsweise auch im hiesigen grundbuchrechtlichen Eintragungsverfahren evident und beachtlich. Insbesondere die seit Erlass des Senatsbeschlusses vom 26. Februar 2020 hinzugetretenen Umstände führen zu dieser Schlussfolgerung.

Die Auflassung des verfahrensgegenständlichen Grundbesitzes und die Bewilligung der Eintragung des Eigentumswechsels sind ersichtlich unter Verstoß gegen die dem Beteiligten zu 2 im Innenverhältnis gemachte Vorgabe nicht zum Wohle des Beteiligten zu 1, § 1901 Abs. 2 BGB, erklärt worden. Das belegt insbesondere der im Laufe des Verfahrens zu Tage getretene Umstand, dass die Beteiligten zu 2 bis 4 eine Veräußerung des Grundbesitzes zu einem Preis vereinbart haben, der erheblich unterhalb des tatsächlichen Grundstückswerts liegt. Der im Grundstückskaufvertrag vereinbarte Kaufpreis liegt bei 250.000,- €, davon soll ein Anteil von 10.000,- € auf die mitverkaufte Einrichtung entfallen. Ausweislich eines zur Grundakte gereichten Verkehrswertgutachtens liegt der tatsächliche Grundstückswert zum Stichtag des 31. Dezember 2019 jedoch bei 373.000,- €. Diese Differenz zwischen vereinbartem Kaufpreis und dem wirklichen Grundstückswert ist erheblich.

Auch der zeitliche Ablauf des Geschehens zeigt, dass der Gebrauch der Vollmacht nicht zum Wohle des Beteiligten zu 1 erfolgt ist. Ende Januar 2019 war beim Beteiligten zu 1 ein sog. schweres akinetisches Syndrom aufgetreten, weshalb er stationär behandelt wurde. Seit dem 26. Februar 2019 ist er auf Veranlassung des Beteiligten zu 2 im … Altenheim in … untergebracht. Unter einem akinetischen Syndrom versteht man eine plötzlich eintretende völlige Bewegungsunfähigkeit eines Parkinson-Kranken. Sowohl die akinetische Krise selbst wie auch die Parkinson-Erkrankung sind therapierbar. Wird dies berücksichtigt, tritt zugleich evident zu tage, dass der bereits am 28. März 2019 beurkundete Vertrag über die Veräußerung des Grundbesitzes nicht zum Wohle des Beteiligten zu 1 geschlossen wurde. Dass nämlich zu diesem frühen Zeitpunkt schon die Phase der möglichen Genesung des Beteiligten zu 1 abgeschlossen gewesen sein könnte und eine weitere Verbesserung seines gesundheitlichen Zustandes nicht zu erwarten war, durfte der Beteiligte zu 2 angesichts der bestehenden Behandlungsmöglichkeiten nicht annehmen. Die Option einer Rückkehr des Beteiligten zu 1 in sein Haus, ggfls. bei Versorgung durch eine häusliche Pflegekraft hätte der Beteiligte zu 2 berücksichtigen müssen. Dass die Rückkehr in das Haus auch dem Wunsch des Beteiligten zu 1 entspricht, hat dieser wiederholt geäußert. Das ergibt sich zum einen aus den Ablichtungen aus der Betreuungsakte, die zur hiesigen Verfahrensakte genommen wurden, und zum anderen aus den eingereichten Stellungnahmen des vom Beteiligten zu 1 bevollmächtigten Notars a.D. Inzwischen bemüht sich auch der gerichtlich bestellte Betreuer des Beteiligten zu 1 um die Möglichkeit einer Rückkehr des Beteiligten zu 1 in sein häusliches Umfeld. Im Entwurf zur Aufhebungsvereinbarung zum Kaufvertrag wird unter Ziffer 5 der Vorbemerkungen ausdrücklich darauf hingewiesen, dass der Beteiligte zu 1 wieder in dem Objekt wohnen möchte.

Schließlich bleibt zu vergegenwärtigen, dass die Beteiligten zu 3 und 4 als Erwerber des Grundbesitzes der Sohn und die Schwiegertochter des Beteiligten zu 2 sind. Dies und der Umstand, dass ein Anlass für eine kurzfristige Veräußerung des verfahrensgegenständlichen Grundbesitzes zu einem Preis deutlich unterhalb des Verkehrswertes nicht bestand, machen es offensichtlich, dass andere Motive als das Wohl des Beteiligten zu 1 der Grund für den Abschluss des Vertrages über die Grundstücksveräußerung waren.

Soweit es – wie oben bereits allgemein ausgeführt – teilweise für einen im grundbuchrechtlichen Verfahren beachtlichen Missbrauch der Vollmacht verlangt wird, dass nicht nur die Überschreitung der Innenverhältnisabrede evident sein muss, sondern dass auch das Entstehen eines Vermögensschadens beim Vollmachtgeber durch den Vollmachtsmissbrauch erkennbar ist, ist auch das vorliegend der Fall. Die Veräußerung des Grundbesitzes zu einem Preis, der den Verkehrswert um ca. 1/3 des Wertes unterschreitet, würde, wenn sie vollzogen würde, zu einer deutlichen Vermögenseinbuße beim Beteiligten zu 1 führen.

Aufgrund sämtlicher vorgenannten Umstände, die sich zweifelsfrei aus der objektiven Urkundenlage sowie dem übrigen Inhalt der Grundakte ergeben, besteht nach der auch im grundbuchrechtlichen Verfahren vorzunehmenden freien Beweiswürdigung die sichere Kenntnis von einem Missbrauch der Vollmacht durch den Beteiligten zu 2. Insofern liegen die Dinge hier grundlegend anders als in dem Fall, über den das OLG Köln (a.a.O.) zu entscheiden hatte. In jenem Verfahren stand der Gebrauch einer Vorsorgevollmacht unter der Bedingung der Geschäftsunfähigkeit bzw. Betreuungsbedürftigkeit des Vollmachtgebers. Hierbei handelt es sich um eine im tatsächlichen Bereich angesiedelte Frage, zu der Feststellungen erfahrungsgemäß oftmals aufwändig und schwierig sind und eine Beweisaufnahme erfordern. Dagegen belegen hier bereits die unstreitigen und feststehenden Tatsachen den evidenten Missbrauch der vom Beteiligten zu 1 erteilten Vollmacht, ohne dass Fragen zu beantworten sind, die eine besondere Sachkunde voraussetzen.

Das Grundbuch würde also unrichtig, wenn auf der Grundlage der vom Beteiligten zu 2 abgegebenen Erklärungen das Eigentum am verfahrensgegenständlichen Grundbesitz auf die Beteiligten zu 3 und 4 umgeschrieben werden würde. Daran darf das Grundbuchamt durch eine ausschließlich mit den formellen Regelungen übereinstimmende Eintragung nicht mitwirken.

III.

Ein Kostenausspruch ist entbehrlich, denn es ergibt sich bereits aus den gesetzlichen Regelungen in §§ 25 Abs. 1, 22 Abs. 1 GNotKG, dass die Beteiligten zu 2 bis 4 die Kosten ihres erfolglos gebliebenen Rechtsmittels zu tragen haben. Anlass für eine Anordnung über die Erstattung außergerichtlicher Kosten besteht nicht, denn am Beschwerdeverfahren haben nur die Beteiligten zu 2 bis 4 teilgenommen.

Die Rechtsbeschwerde ist nicht zuzulassen, § 78 Abs. 2 Satz 1 GBO. In der hier getroffenen Entscheidung hat der Senat ausschließlich bereits die in Rechtsprechung und Literatur anerkannten Grundsätze zur Beachtlichkeit eines Vollmachtsmissbrauchs im grundbuchrechtlichen Verfahren auf den hier zu entscheidenden Einzelfall angewandt.

Die Wertfestsetzung beruht auf §§ 61, 46 GNotKG und entspricht dem durch das Verkehrswertgutachten belegten Wert des verfahrensgegenständlichen Grundbesitzes.

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