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Ablehnung Beurkundung  Nichtigkeit des zu beurkundenden Rechtsgeschäfts

LG Magdeburg – Az.: 10 OH 33/17 – Beschluss vom 19.12.2017

Der Notarkostenprüfungsantrag betreffend die Rechnung Nr. 339-3/2017 der Notarin Ina R vom 03.04.2017 wird zurückgewiesen.

Eine Auslagenentscheidung ist nicht veranlasst.

Gründe

I.

Am 15.8.2016 übersandte Rechtsanwalt F der Notarin einen Entwurf eines Ehe– und Erbvertrages. Schon im Vorfeld hatten die Notarin und die künftigen Eheleute einen Beurkundungstermin am 02.09.2016 abgestimmt.

Die Notarin übernahm die wesentlichen Punkte des Anwaltsentwurfes, so dass es dort unter anderem heißt:

„Ich, die Ehefrau, bin derzeit halbtags als Dokumentationsassistentin bei einem gegenwärtigen durchschnittlichen Nettoeinkommen i.H.v. 800 € und ich, der Ehemann, als Chefarzt bei einem monatlichen Nettoeinkommen i.H.v. 13.500,00 € erwerbstätig. …

Für den Fall der Beendigung des Güterstandes durch den Tod eines Ehegatten soll es beim Zugewinnausgleich durch Erbteilserhöhung verbleiben.

Wird jedoch der Güterstand auf andere Weise als durch den Tod eines Ehegatten beendet, findet kein Zugewinnausgleich statt. Dies gilt auch für den vorzeitigen Zugewinnausgleich im Falle des Getrenntlebens. …

Für den Fall der Scheidung unserer Ehe verzichten wir wechselseitig auf jeglichen nachehelichen Unterhalt, auch für den Fall der Not und nehmen den Verzicht gegenseitig an. Es soll sich um einen generellen und als Verzicht handeln, der sich auf alle Arten des nachehelichen gesetzlichen Unterhalts erstreckt.

Zur beruflichen Aussichten erachten wir für die Zukunft als jeweils stabil. Wir nehmen an, dass wir weiterhin, wie bisher, berufstätig sind und jeder für seinen Lebensunterhalt einschließlich der Vermögensvorsorge und-Bildung selber aufkommen kann. Es wird indes ausdrücklich klargestellt, dass Unterhaltsansprüche nicht dadurch wieder aufleben, dass sich an dieser Situation bzw. Annahme etwas ändert.

Wird jedoch ein gemeinsames Kind geboren oder angenommen und gibt ein Ehegatte zur Betreuung dieses Kindes eine Berufstätigkeit ganz oder teilweise auf, so soll ihm ein Unterhaltsanspruch aus § 1570 BGB befristet bis zur Vollendung des dritten Lebensjahres des jüngsten gemeinsamen Kindes zustehen. Danach tritt der Verzicht der Kraft.

Wir schließen hiermit nach § 6 VersAusglG gegenseitig den Versorgungsausgleich nach dem VersAusglG vollständig und für die gesamte Ehezeit aus. Diesen Verzicht nehmen wir hiermit gegenseitig an…

Wir setzen uns erbvertraglich zu Alleinerben des jeweils anderen ein. Ohne erbvertragliche Bindung setzt der Ehemann seine Kinder zu Ersatzerben nach den Regeln der gesetzlichen Erbfolge ein

Wir behalten uns das Rücktrittsrecht von diesem Erbvertrag für den Fall vor, dass die bestehende Ehe aufgelöst wird.

Mit diesen Formulierungen entsprach der Entwurf dem eingereichten Vorschlag des Rechtsanwalts.

Die Notarin ergänzte noch beim Unterhaltsverzicht:

„Wir wurden von der Notarin über das Wesen des nachehelichen Unterhalts und die Auswirkungen des Verzichts eingehend belehrt. Wir wissen damit, dass jeder von uns für seinen eigenen Unterhalt sorgen muss. Wir wurden insbesondere darauf hingewiesen, dass ein Unterhaltsverzicht je nach Umständen des Einzelfalls sittenwidrig sein kann mit der Folge, dass nach einer Ehescheidung Unterhalt nach den gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren ist. Ferner kann die Berufung auf einen Unterhaltsverzicht gegen Treu und Glauben verstoßen. Wir gehen jedoch übereinstimmend davon aus, dass derzeit Gründe für eine Sittenwidrigkeit nicht erkennbar sind.

Die Notarin hat auf die Rechtsprechung des BVerfG und des BGH zur Kontrolle von Eheverträgen hingewiesen und erläutert, dass ehevertraglichen Regelungen bei einer besonders einseitigen Aufbereitung von vertraglichen Lasten und einer erheblich ungleichen Verhandlungsposition unwirksam oder unanwendbar sein können.

Die Notarin hat darauf hingewiesen, dass bei einer Änderung der Ehekonstellation – hierher gehören insbesondere die Geburt gemeinsamer Kinder oder gewichtige Änderung der Erwerbsbiografie – die Regelungen auch nachträglich einer Ausübungskontrolle unterliegen können. Sie hat geraten, in diesem Fall den Vertrag der geänderten Situation anzupassen.“

Auch beim Versorgungsausgleich fügte die Notarin folgende Belehrung ein:

„Die Notarin hat uns über die rechtliche und wirtschaftliche Tragweite dieses Ausschlusses eingehend belehrt. Sie hat insbesondere darauf hingewiesen:

a) dass bei einem Ausschluss des Versorgungsausgleichs jeder Ehegatte für seine Altersversorgung selbst sorgen muss und die Altersversorgung des anderen Ehegatten nicht geteilt wird;

b) dass mit dem Ausschluss des Versorgungsausgleichs keine Änderung des Güterstandes verbunden ist;

c) dass auch die Vereinbarung eines Ausschlusses des Versorgungsausgleichs einer Wirksamkeit-und Ausübungskontrolle nach § 8 Abs. 1 VersAusglG und de bereits geschilderten Rechtsprechungsgrundsätzen unterliegt. Die Notarin hat ferner darauf hingewiesen, dass der Ausschluss des Versorgungsausgleichs bei der gewichtigen Änderung der Ehekonstellation, insbesondere bei der Geburt gemeinsamer Kinder auch nachträglich einer Ausübungskontrolle unterliegen kann. Sie hat uns Gestaltungsmöglichkeiten aufgezeigt, dem bereits jetzt Rechnung zu tragen. Dies wünschen wir jedoch derzeit ausdrücklich nicht. Die Vertragsteile sind überzeugt, dass mit den Regelungen dieses Vertrages trotz des hier erklärten Verzichtes alle etwa eintretenden ehebedingten Nachteile ausgeglichen sind.

d) dass ein Ausschluss des Versorgungsausgleichs sittenwidrig sein kann, wenn er sich zulasten der Grundsicherung oder anderer Träger sozialer Hilfen auswirkt.

Die Notarin übersandte den Entwurf an den Rechtsanwalt mit der Bitte, ihn an seine Mandantschaft weiterzuleiten. In einer E-Mail an den Rechtsanwalt äußerte sie Bedenken hinsichtlich der geplanten Formulierungen im Erbvertrag und bat um Rücksprache.

Eine Rückmeldung erfolgte nicht, der vereinbarte Beurkundungstermin wurde abgesagt.

Am 03.04.2017 rechnete die Notarin (insofern eine Rechnung vom 06.09.2016 korrigierend) für die Fertigung des Entwurfs ausgehend von einem Gegenstandswert von 915.000,00 € Gebührenrechnung i.H.v. 3.962,70 € ab; auf die Rechnung wird verwiesen.

Mit Schreiben vom 9.6.2017 vertrat der jetzige Verfahrensbevollmächtigte des Antragstellers die Auffassung, dass der Gegenstandswert nicht korrekt angesetzt sei, ohne dies näher zu begründen. Er vertrat zudem die Auffassung, dass die Vergütung niederzuschlagen sei, weil der vorgeschlagene Entwurf einer gerichtlichen Überprüfung nicht standhalten würde.

II.

Der Antrag ist nach § 127 Abs. 1 S. GNotKG statthaft. Er ist jedoch unbegründet.

1. Die Notarin ist berechtigt und verpflichtet, ihre Entwurfstätigkeit gegenüber dem Antragsteller abzurechnen. Im Beurkundungsverfahren fällt eine Gebühr nach Nr. 21302 an, wenn das Verfahren vorzeitig beendet wird, nachdem der Notar einen Entwurf versandt hat. Dabei steht nach der Vorbemerkung 2.1.3 Abs.3 die Fertigung eines Entwurfs auch der Überprüfung eines dem Notar vorgelegten Entwurfs gleich.

2. Der Kostenrechnung kann nicht entgegengehalten werden, dass diese Gebühr wegen einer unrichtigen Sachbehandlung nach § 21 Abs. 1 S. 1 GNotKG nicht erhoben werden dürfen. Eine unrichtige Sachbehandlung ist nicht zu erkennen.

Kommt eine Nichtigkeit in Betracht, so unterscheidet sich die Handlungspflicht des Notars davon, ob der Notar von der Nichtigkeit überzeugt ist oder ob er lediglich Bedenken hat. Ist der Notar von der Nichtigkeit des Geschäftes überzeugt, muss er die Beurkundung nach § 4 BeurkG ablehnen und den Beteiligten den Ablehnungsgrund mitteilen. Hat er jedoch lediglich Bedenken, ist er sich aber hinsichtlich der Sittenwidrigkeit des Geschäfts nicht sicher, besteht lediglich die Pflicht aus § 17 Abs. 2 BeurkG: Er hat die Bedenken mit dem Beteiligten zu erörtern und, falls diese auf der Beurkundung bestehen, die Belehrung und die dazu abgegebenen Erklärungen der Beteiligten in der Niederschrift zu vermerken (Ganter/Hertel/Wöstmann, Handbuch der Notarhaftung, 3. Auflage, Rn. 1017 ff.). Letzteres hat die Notarin mit den Ergänzungen in dem ihr vorgelegten Entwurf begonnen und dieses wäre – anders machen die Ergänzungen keinen Sinn – in dem Beurkundungstermin auch erörtert worden.

Das Gericht kann nicht erkennen, dass für die Notarin die Pflicht bestand, die Beurkundung unter Verweis auf eine etwaige Nichtigkeit des Geschäfts gemäß § 4 BeurkG abzulehnen. Der Notar darf sich nämlich nicht in Zweifelsfällen zum Richter über die Gültigkeit eines Rechtsgeschäfts machen. Ist die Nichtigkeit nicht zweifelsfrei erkennbar, darf er die Beurkundung nicht ablehnen. Vielmehr muss er in diesem Fall seine Bedenken mit den Beteiligten erörtern; welche Folgerungen die Parteien aus den Hinweisen ziehen, kann er ihnen überlassen (Schip- pel/Bracher, BNotO, 9. Auflage, Rn. 11 zu § 14); dies gilt erst recht, wenn die Vertragsparteien rechtsanwaltlich vertreten sind. Eine Verweigerung der Beurkundung mit der Folge, dass auch eine spätere richterliche Entscheidung nicht eröffnet wird, begründet den Vorwurf der Amtsverweigerung nach § 15 BNotO (Schippel/Bracher, a.a.O., Rn. 49 zu § 15).

Ein Fall der offensichtlichen Nichtigkeit, wie etwa bei Verzicht auf künftigen Unterhalt während bestehender Ehe und Verzicht auf Getrenntlebensunterhalt nach § 1361 Abs. 4 S. 4, 1360 a Abs. 3, 1614 BGB) lag nicht vor. Die Beurteilung als sittenwidrig hingegen erfordert nach § 138 Abs. 2 BGB eine Betrachtung des jeweiligen Einzelfalls, da sie voraussetzt, dass ein Vertragssteil unter Ausbeutung der Zwangslage, der Unerfahrenheit, des Mangels an Urteilsvermögens oder der erheblichen Willensschwäche handelt. Allein der Altersunterschied musste nicht zwingend zu einer Sittenwidrigkeit führen. Auch im Zusammenhang mit der Differenz der Einkommen gesehen war die Annahme einer Sittenwidrigkeit nicht zwingend, denn die Differenz existierte bereits vor Eheschließung und stand nicht im Zusammenhang mit der Betreuung gemeinsamer Kinder. Aus diesem Grund konnte die konkrete Vertragsgestaltung nur Zweifel an der Wirksamkeit des Geschäfts begründen.

Aus diesem Grunde war es sachgerecht, dass die Notarin sich nicht der Beurkundung verweigert hat. Vielmehr musste sie mit Hinweisen und Belehrungen auf ihre Bedenken aufmerksam machen. Dies hatte die Notarin mit ihren Ergänzungen bereits in die Wege geleitet. Es gibt keine Anhaltspunkte dafür, dass sie im Beurkundungstermin nicht noch einmal darauf zurückgekommen wäre.

3. Das Gericht hat auch keine Bedenken gegen die Höhe des angesetzten Geschäftswertes. Der Geschäftswert für den Ehevertrag in Höhe 405.000,00 € entspricht den Vermögenswert, den die danach beauftragte Notarin angenommen hat. Die Berechnung des Unterhaltsverzichts mit 100.000,00 € entspricht dem Vorschlag des Verfahrensbevollmächtigten des Antragstellers im Schreiben vom 26.10.2107. Der Wert des Verzichts auf den Versorgungsausgleich mit 5.000,00 € wird nicht beanstandet. Da sich der Wert des Erbvertrags wie beim Ehevertrag nach dem gemeinsamen Vermögen bemisst, ist auch insofern die Annahme eines Werts nach 405.000,00 € nicht zu beanstanden. Dies ergibt addiert den zugrunde gelegten Wert von 915.000,00 €.

III.

Die Auslagenentscheidung folgt aus §§ 80, 81 FamFG.

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